Weltreporter.net ist ein globales Korrespondentennetz für deutschsprachige Medien. Diese Website präsentiert einen Ausschnitt unserer Arbeit.

Singapur – das Land, das einst sogar Kaugummi verboten hatte

 

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Eine Pressemitteilung aus allen Ecken der Welt

In der vergangenen Woche hat zunächst der Focus darüber berichtet, dass freie Auslandsjournalisten für den BND gearbeitet haben sollen, später die Berliner Zeitung. Viele Weltreporter haben regelmäßig Probleme bei ihrer Arbeit, weil sie unter dem Verdacht stehen, in Wirklichkeit nicht an Geschichten, sondern für Geheimdienste zu arbeiten – nicht, weil man sie persönlich verdächtigen würde, sondern weil Journalisten im Ausland oft grundsätzlich mit diesem Vorbehalt leben müssen. Wir haben uns deshalb entschieden, mit einer Pressemitteilung gegen diese Praxis zu protestieren.Nebenbei haben wir so zum ersten Mal weltweit gemeinsam an einem Text gearbeitet: Geschrieben wurde er wechselweise in Kairo und Teheran, anschließend unter allen Weltreportern diskutiert, schlussgelesen in Rom – und verschickt wurde er von Berlin aus. Diese Pressemitteilung ist also gewissermaßen ein Weltreport:

»Geheimdiensttätigkeit und Journalismus sind unvereinbar – WELTREPORTER.NET, das Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondenten, sieht die eventuelle Zusammenarbeit von Korrespondenten und Bundesnachrichtendienst mit großer Sorge und fordert die rasche Klärung des Sachverhalts.

Unter Berufung auf das Magazin »Focus« berichteten deutsche Medien über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst und einzelnen freien deutschen Auslandskorrespondenten. Die Rede ist von 20 Reportern, die vom BND als Quellen geführt und für ihre Informantendienste bezahlt worden sein sollen. Dass sich dieser Verdacht erhärten könnte, beunruhigt uns.

Viele der Auslandskorrespondenten von WELTREPORTER.NET gehen ihrem Beruf in Regionen nach, in denen westlichen Journalisten immer wieder vorgeworfen wird, sie arbeiteten für die Nachrichtendienste ihrer Heimatländer. Der Vorwurf der Agententätigkeit unter dem Deckmantel des Journalismus bedroht nicht nur die kritische, unabhängige Arbeit der Korrespondenten, sondern auch ihre Gesundheit und manchmal ihr Leben. Sie werden dadurch von unparteiischen Beobachtern zu Teilnehmern an Konflikten und zur Zielscheibe verschiedener Interessengruppen.

Dieser Generalverdacht der Spitzeltätigkeit, dem sich viele ausländische Korrespondenten zum Beispiel in China, Ägypten, im Iran oder im Irak ohnehin schon ausgesetzt sehen, dient Regimes wie Oppositionellen, Aufständischen wie Terrorgruppen immer wieder als Vorwand, um gegen Reporter vorzugehen – auch gegen westliche. So wurden Korrespondenten mit dem Hinweis auf eine mutmaßliche Agententätigkeit bei ihrer Arbeit behindert, misshandelt, ins Gefängnis gesteckt, entführt oder auch ermordet.

Deshalb erfüllen uns die jüngsten Berichte mit Sorge. Allen Beteiligten muss klar sein, dass eine Zusammenarbeit zwischen BND-Mitarbeitern und einzelnen Auslandskorrespondenten keine Privatangelegenheit dieser beiden Personengruppen ist. Sie würde dazu führen, dass Journalisten in Zukunft noch häufiger generell als Agenten betrachtet werden. Wir Korrespondenten könnten den Verdacht dann kaum mehr entkräften. Darüber hinaus erhöht sich auch das Risiko jener, die vor Ort zum Gespräch mit Korrespondenten bereit sind. Sie müssten mehr denn je befürchten, der Zusammenarbeit mit einem Nachrichtendienst verdächtigt zu werden.

Wir fordern deshalb eine zügige und transparente Aufklärung aller Vorwürfe. Wir erwarten, dass die Verantwortlichen benannt und zur Rechenschaft gezogen werden und dass Nachrichtendienste von vornherein darauf verzichten, Auslandskorrespondenten anzuwerben. Nur dann ist es den Korrespondenten – freien wie festangestellten -– möglich, das Risiko ihrer Arbeit zu kalkulieren. Wir, die Mitglieder von WELTREPORTER.NET, halten fest: Geheimdiensttätigkeit und Journalismus sind unvereinbar.«

 

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Pressefreiheit mit Verfallsdatum

 

 

 

 

 

 

 

 

So sehen sie aus – die ersten fast fertigen Olympiabauten in Peking. Das Schwimmstadion, "Eiswürfel" genannt, mit einer Kunststoffhülle aus deutscher Produktion und das "Vogelnest", das Nationalstadion, wo die Eröffnungsfeier stattfinden soll.

Alles im Griff, so lautete gestern die Botschaft des Olympischen Komitees, das stolz seine ersten Prestigeprojekte vorführte. Ausnahmsweise war sogar der Himmel blau, ein Rätsel, wie sie das immer so termingerecht zu den Pressetouren hinkriegen. Stunden später hing dort wieder der altbekannte Smog. Für Pekings Verkehrsprobleme scheint noch keine Lösung in Sicht, aber die Bauten für Olympia sollen alle bis Ende 2007 fertig sein.

Die gute Nachricht für die Medien hatte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Liu Jianchao, bereits eine Woche früher verkündet. Ab 1.Januar 2007 genießen ausländische Korrespondenten in China Pressefreiheit, theoretisch zumindest. Dann müssen Interviews nicht mehr angemeldet werden, auf Reisen brauchen Journalisten keine Aufpasser mehr, nur noch die Zustimmung des Interviewpartners. Zu schön, um wahr zu sein, und es bleibt abzuwarten, ob sich diese Regeln auch bis zu den zuständigen Beamten herumsprechen. Vor allem aber nur eine Freiheit auf Zeit: sie endet mit den Olympischen Spielen im Oktober 2008. Regierungssprecher Liu machte allen Enttäuschten Hoffnung: bis dahin werde sich in China noch vieles ändern, "nichts bleibt ewig, wie es ist".

 

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Warten auf irgendwas

Seit ein paar Tagen bin ich auf Recherchereise in Hongkong. Vor zehn Jahren ist die vormalige britische Kolonie wieder ein Teil des Mutterlandes China geworden. Heute ist Hongkong durch und durch chinesisch. Nur ein Unterschied ist geblieben: Die Hongkonger stellen sich an – wo immer es geht. In ganz China wird gedrückt, gedrängelt und geschubst. Wenn die Hongkonger das Ende einer Schlange sehen, stellen sie sich an, auch wenn sie gar nicht wissen, worauf die Menschen warten. Warteschlangen sind die einzige britische Lebensart, die sich im chinesischen Kulturraum durchsetzen konnte.

 

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Das Rätsel aus Katar

Gestern rief ein Kollege an, der gerade unseren Weltreporter.net-Newsletter gelesen hatte. Er wollte wissen, wieso ich meinen Eintrag über den Start von Al Dschasira English "Medienoffensive auf islamisch" genannt habe – wo ich ihn doch schon mehrmals davon zu überzeugen versuchte, dass Al Dschasira vieles nicht ist, von dem man im Westen glaubt, das es das ist. Und es ist sicherlich nicht – auch nicht in seiner arabischen Variante – ein "islamischer" Sender. Des Rätsels Lösung: Unser Newsletter-Redakteur hatte schnell eine Überschrift benötigt, konnte mich nicht aber nicht erreichen. Da formulierte er: "Medienoffensive auf islamisch".

Während ich dies schreibe, läuft vor mir Al Dschasira English bzw. International, wie der neue Sender in den letzten Wochen auch genannt wurde. Der Sendestart liegt einige Stunden zurück. Ich habe die ersten beiden Stunden geschaut. Al Dschasira – das Rätsel aus Katar, von "Index on Censorship" 2003 für besonderen Mut ausgezeichnet? Das größte Fernsehexperiment seit 20 Jahren, wie "Die Zeit" schreibt?

Hoffentlich. Wo der etablierte News-TV-Journalismus der großen internationalen Häuser in einem Dickicht aus Interessen, Vorlieben und Rücksichten, aus Vorurteilen und Regierungspropaganda zu ersticken droht und immer glatter wird, scheint eine Frischzellenkur durchaus nötig.

Dem arabischen Programm von Al Dschasira ist es in den zehn Jahren seiner Existenz gelungen, nahezu alle Meinungsmonopole im Nahen und Mittleren Osten zu brechen. Aidan White, 20 Jahre lang Direktor der Internationalen Journalisten-Föderation, schreibt: "Al Dschasira ist keine Terroristenorganisation. Es besitzt keine Waffen. Es beschreitet neue Wege, fordert Regierungen heraus und bietet alternative Blickwinkel in einer weithin von den USA dominierten Weltsicht auf aktuelle Vorgänge."

Ebenso faszinierend wie das Phänomen Al Dschasira ist, wie hartnäckig sich alle möglichen Urteile und Vorurteile über den Sender im Westen halten. Wenn ich in Deutschland bin, erlebe ich es bei Freunden und Bekannten immer wieder. Sie glauben, Al Dschasira sei extremistisch, fundamentalistisch oder irgendwas in der Art, ein Sprachrohr von Terroristen, mindestens. Donald Rumsfeld behauptete einst, Al Dschasira strahle Hinrichtungen von US-Soldaten aus. Der Sender dementiert: "…haben niemals, zu keiner Zeit, Hinrichtungen oder Köpfungen ausgestrahlt."

Der Sender ist kontrovers, auch polternd, gelegentlich jenseits der Limits von Sachlichkeit und Balance. Aber, so sagen die Macher, die Wirklichkeit sei halt nicht ausbalanciert, man könne sie sich nicht aussuchen, könne nicht einfach uggly voices ignorieren. Das Sendermotto lautet: Die Meinung und die Meinung des anderen. Legendär: die Talkrunden des Senders: Atheisten, Feministinnen, Fundamentalisten, Prediger, Säkulare – sie alle kommen auf Al Dschasira zu Wort. Das macht den Sender zu einem Medienpionier in der arabischen Welt. Eindrucksvoll die Liste der Kritiker: Al Dschasira sei anti-amerikanisch (so die US-Regierung), zionistisch-israelisch (so Al-Qaida – weil auch israelische Politiker wie Ariel Sharon zu Wort kommen), aufrührerisch (so die arabischen Regime, die immer wieder Büros des Senders schließen) usw. usf.

Wer Al-Dschasira-Korrespondenten begegnet, trifft leidenschaftliche, engagierte Journalisten. Manchmal gehen die Ambitionen mit ihnen durch, aber das scheint mir angesichts der schaumgebremsten Berichterstattung vieler etablierter Medien ein eher kleines Übel zu sein. Für die zwei Dutzend prominenter westlicher TV-Köpfe, die nun zu Al Dschasira English gingen, sei genau das, so hört man, der Grund für ihren Schritt gewesen. Zu ihnen gehören David Frost ("der wohl bekannteste britische Journalist" – F.A.Z.), der preisgekrönte Dave Marash von ABC sowie Riz Khan, eine Hausmarke von CNN. Dave Marash erklärt hier seinen Schritt.

Was habe ich nun heute gesehen? Ein hochprofessionelles Programm, schnell, reich, aufwändig, mit eindrucksvollem Studio- und Stationendesign, eine herausragende Reportage aus Liberia von der grandiosen Juliana Ruhfus, ein (seltenes) Interview mit Kongos Präsident Kabila, eine Liveschaltung aus Darfur usw. Man darf gespannt sein.

Al Dschasira English ist auch in Deutschland zu empfangen, über Satellit und in einigen Kabelnetzen.

 

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Gut, dass wir drüber gesprochen haben

Das Thema rund um die dürren Models will und will kein Ende nehmen. Nachdem in fast allen Frauenzeitschriften die Problematik ausgiebigst diskutiert wurde, meldete sich nun etwas verspätet auch Giorgio Armani in der englischen Daily Mail zu Wort: „Ich mochte noch nie dünne Models auf dem Catwalk“, erzählt da der Meister. Zugegeben seine Models sind sicherlich nicht die dünnsten, doch sein Aufruf, nun gemeinsam gegen Anorexie zu kämpfen, wird wahrscheinlich wieder ungehört verhallen. Denn wie ein bewusst anonym beleibender Designer in London vermerkte: „Ich war mir niemals bewusst, dass die Models magersüchtig sein könnten. Für uns sind sie einfach sich bewegende Kleiderständer.“

Das denken sich wohl auch einige in Mailand, doch dort wird nun vordergründig trotzdem Nägel mit Köpfen gemacht: Ab nächster Saison müssen angeblich alle Models ein Gesundheitszertifikat vorlegen. Bloß ob dabei wirklich was rauskommt, bleibt die Frage. Denn das Problem liegt je eigentlich ganz woanders und das ist auch von Spiegel Online letzte Woche völlig richtig angerissen worden: Wenn wir von Models sprechen, reden wir von Kindern.

Viele Models sind dünn, gesund, aber eben gerade mal 14 Jahre alt. Klar haben diese hochgeschossenen Kids noch keine Hüften und spindeldürre Beinchen. Bloß sie tragen Klamotten, die sich selbst eine 40-jährige Managerin nicht leisten kann. Hier liegt das eigentliche Problem. Die Mode richtet sich an Frauen, schneidert aber die Modelle nach Kinderkörpern und die Magazine spielen das Spiel mit. Bester Beweis ist eine Modestrecke in einer der letzten L’Officiel, einer der absoluten Hochglanz-Modeblätter Frankreichs: Dort führt ein Kind die Kreationen von Alexander McQueen vor unter dem Titel: „Flügeln der Lust“. Sorry, aber was ist daran lustvoll?

 

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Strafvermeidung

Zitat des Shanghaier Finanzamtes: "Wenn Sie die Verzugszinsen vermeiden wollen, müssen Sie eine 'Gebühr' bezahlen."

 

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Einmal oder zweimal schmunzeln

Auch ich bin Empfängerin dieser Mails, die ich nach Empfang innerhalb von 2 Sekunden sofort an 257654 Menschen verschicken soll. Sonst droht das Universum einzustürzen.

Ich tue es nicht, das Universum war bisher gnädig. Aber zwischendurch kursieren in Belgrad auch Schmunzelmails.

Jemand, der/die auch auf die Güte/den Groll des Universums wartet, hat folgende Mail in Serbisch geschickt: „Ich danke allen, die mit junk-mails an mich gedacht haben. Denn dank eurer Güte ist folgendes passiert:

Mein Laptop ist 172 mal abgestürzt, schon 23 mal habe ich Mahnbriefe meiner Firma erhalten. Wenn es so weitergeht, kann ich mir mit meinem Arbeitsvertrag die Schuhe putzen.Etwa 3000 Jahre Unglück habe ich gesammelt, 67 mal bin ich schon gestorben, weil ich die Mails nicht weitergeleitet habe.Das arme Mädchen Amy Bruce aus Vietnam oder Kambodscha oder so hat schon mein Jahresgehalt erhalten. Dank Microsoft, der die Mails verschickt haben wollte. Amy war mittlerweile 7000 mal im Krankenhaus. Sie ist noch immer, seit 1995, acht Jahre alt.Ich weiß endlich wie die ewige Liebe und das ewige Glück funktionieren: es reicht das Versenden der Mails an alle verfügbaren und sonst bekannten Adressen innerhalb von 3 Sekunden. Dabei muss man sich mit der rechten Hand am Rücken kratzen und gleichzeitig um einen Renault 4 hüpfen – gegen den Uhrzeigersinn. Dann klappt es.Ich habe alle 25 Bänder des Dalai Lama gelesen und habe 4690 Jahre Glück und Wohlstand gesammelt.Ich habe mindestens drei Tierarten vom Aussterben gerettet, besonders das weißrussische Einhörnchen.Ich warte noch immer auf eine Milliarde boukistanischer Golddukaten, die mir der unbekannte Milliardär versprochen hat, wenn ich genügend Mails an Ericsson und Nokia verschicke.

Und nun DANKE ICH ALLEN!

WICHTIG: wenn ihr in den nächsten 20 Sekunden diese Mails nicht an mindestens 860 Adressen verschickt, werdet ihr vom kosmischen Dinosaurus verschluckt, nicht nur ihr, auch eure Familie, zusammen mit der kleinen Amy Bruce, die wieder im Krankenhaus ist.“

 

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Getürkt

Das Thema Türkei lässt in Deutschland kaum jemanden kalt, wie die aktuelle Debatte um den EU-Beitritt des Landes wieder einmal zeigt. Manche Leitartikler argumentieren für den Beitritt, andere dagegen – doch egal ist diese Frage kaum einer Zeitung. Für Türkei-Korrespondenten ist das erfreulich, weil viele Medien ihr Publikum in dieser Debatte mit gut recherchierten Berichten aus erster Hand besser informieren wollen.

Frustrierend ist es dagegen, wenn eine große Zeitung auf solche Informationen verzichtet und ihre Berichterstattung aus der Türkei frei erfindet, um ihre Meinung zu stützen. „In dieser Woche wurde an einem türkischen Strand eine junge Frau im Bikini von aufgebrachten Islamisten erschlagen“, beginnt der Chefredakteur der Rheinischen Post seinen Kommentar zur Türkei.

Das ist ganz einfach erlogen: In der Türkei ist nichts dergleichen geschehen, schon gar nicht in dieser Woche. Der Kollege erinnerte sich vielleicht an die drei Monate alte Agenturmeldung über einen Streit zwischen türkischen Bikini- und Kopftuch-Trägerinnen in Karaburun bei Izmir im August dieses Jahres, der sich an herumliegenden Windeln entzündete.

Erschlagen wurde freilich auch damals niemand. Dass die Rheinische Post in ihrem Kommentar auch noch ein neues EU-Kriterium erfindet – der Regierungschef eines Beitrittslandes muss sich demnach mit dem Papst getroffen haben – ist nur lächerlich. Fakten frei zu erfinden, ist nicht mehr komisch. Ich bin mal gespannt, wie weit diese Ente noch paddelt, sprich: Wie oft dieser angebliche islamistische Mord noch kolportiert, zitiert, beschworen und für politische Entscheidungen herangezogen wird. Als Auslandskorrespondent fragt man sich da: Was machen wir hier eigentlich?

 

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Zurück aus der Zukunft

Komme gerade aus Korea zurück. Ich hatte einen Auftrag, einen Artikel über die „Küche der Zukunft“ zu schreiben. Ein koreanischer Elektrokonzern hatte der Redaktion versprochen, uns futuristische Wohnungen zu zeigen, voll mit den modernsten Entwicklungen der Haushaltselektronik.

Ich erwartete große, begehbare Kühlschränke mit Internetanschluss, selbst reinigendes Geschirr und Nano-Kochroboter in U-Boot-Form, die in Suppentöpfen umhertauchen. Mindestens. Ich freue mich auf die Zukunft.

Nach einem viertägigen Programm aus Fabrikbesichtigungen, Powerpointpräsentationen und ermüdenden Fachvorträgen über Kühlschrankgeneratoren stand ich endlich in einer Wohnung. Wollte sehen, wie normale koreanische Familien mit der Zukunftstechnik leben.

Im Flur verstreut lagen Kinderschuhe. Düstere Einbauschränke aus Kunstholz. An der Wohnzimmerwand hing ein Flachbildschirm, den der Firmenvertreter stolz als HomNet vorstellte. Mit ausgestrecktem Zeigefinger klickte er durch umständliche Dialogfenster, bis an der Wohnzimmerdecke zwei Neonröhren aufleuchteten. Das ist die Zukunft? Der Firmenvertreter bemerkte meine Enttäuschung. „218 HomNets haben wir schon nach Dubai verkauft.“ Er versuchte, triumphierend zu klingen.

Unter dem HomNet gab es auch noch zwei normale Lichtschalter. „Meistens nutze ich den. Das ist praktischer“, sagte die Wohnungsbesitzerin (Abbildung ähnlich).

Wir haben uns entschieden, keinen Artikel darüber zu schreiben, in Korea weiß man offenbar auch nicht mehr über die Zukunft als in Deutschland. Aber ich werde mich nie wieder auf die Versprechen eines mir unbekannten Pressesprechers verlassen, wenn ich eine Recherchereise ins Ausland plane.

 

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Katharsis verweigert

Seit fünf Tagen erhalte ich nun Anfragen zu Interviews und Artikeln über diesen unappetitlichen Schädelskandal der Bundeswehr in Afghanistan. Ich habe mich auch schon reichlich dazu geäußert, obwohl ich gestehen muss, dass es eigentlich nicht viel zu sagen gibt. Denn wie groß die Aufregung in Deutschland auch sein mag – hier in Afghanistan ist sie es nicht.

Weder in Kabul noch in Jalalabad, wo ich zurzeit sitze, hat das Thema Wellen geschlagen. Über die Gründe dafür wurde genug spekuliert. Was ich momentan viel spannender finde ist die Beharrlichkeit, mit der die deutsche Öffentlichkeit in Form der anrufenden Kollegen darauf wartet, dass es hier endlich kracht. Wütende Mobs, brennende Puppen der Bundeskanzlerin, abgefackelte NGO-Büros, Bombenattentate auf Bundeswehrkonvois – das alles wurde offenbar erwartet. Und dann? Einfach nichts.

Eine echte Enttäuschung diese afghanischen Islamisten. Wie können sie es wagen, unsere Erwartungen nicht zu erfüllen? Sie verweigern uns einfach die Katharsis, die Reinigung für den reuigen Sünder, nach der wir Deutschen uns doch so sehnen. Kennen sie denn nicht die Theorie Hegels, wonach der Straftäter erst durch die Strafe seine Würde zurückerhält? Doch statt uns eine kräftige Lektion zu erteilen, lassen sie uns allein mit unserer Schuld.

Undankbar, irgendwie. Wenn das kein Grund ist, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen!

 

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Vampire

Da Hollywood neuerdings gerne in Neuseeland dreht, bleiben solche Einladungen nicht aus: Ich soll für ein Kino-Magazin den Drehort des Horror-Streifens „30 Days of Night“ besuchen.

Gedreht wird in der Peripherie Aucklands, und dem Filmstoff entsprechend vor allem nachts. Die Kulissen spiegeln ein Dorf in Alaska wieder, wo im tiefen Winter, wenn die Sonne 30 Tage nicht aufgeht, Vampire über die Dorfbewohner herfallen. Klingt nicht gerade nach Leitkultur, aber es soll ja Menschen geben, die für so was ins Kino gehen.

Und so stehe ich zwei Tage lang mit drei Film-Spezies aus London und Sydney im Kunstschnee herum und lasse mir täuschend echte blutige Gliedmaße, Vampirzähne und allerhand Gruseliges vorführen. Meine Kollegen sind Filmprofis und kennen alle den Zombie-Comic auswendig, auf dem dieses filmische Werk beruht – er wird hochtrabend nur „graphic novel“ genannt.

Sie behandeln die ganze absurde Angelegenheit mit einer Ernsthaftigkeit und Hochachtung, als ob es sich um die Verfilmung von „Krieg und Frieden“ handelt. Der Produzent, ein typisches Hollywood-Exemplar mit weißen Turnschuhen, Fönfrisur und Dollarzeichen in den Augen, verrät, dass hier gerade 60 Millionen Neuseeland-Dollar verheizt werden, um die Welt zwei Stunden lang das Fürchten zu lernen.

Wir führen pausenlos Interviews. Kein Vampir-Darsteller ist vor uns sicher. Alle sind furchtbar wichtig, jedes Detail zählt, hier geht es um Großes. Man erwartet Ehrfurcht von uns. Um ein Uhr nachts werden wir endlich in den Makeup-Caravan des jungen Hauptdarstellers vorgelassen, dessen momentane Meisterleistung darin besteht, der neue Freund von Scarlett Johansson zu sein. Diesen Namen dürfen wir natürlich keineswegs auch nur aussprechen, wie uns die Presse-Frau der Filmfirma immer wieder einschärft. Alle gehorchen.

Aber dann, zum Schluss unseres Besuches, leiste ich mir den Fauxpas: Ich frage den Regisseur doch allen Ernstes, ob sein Film Gewalt verherrliche. Meine Kollegen versteinern vor Peinlichkeit und rücken förmlich von mir ab. Die G-Frage stellt man nicht, wenn man einem begnadeten Horror-Regisseur gegenübersitzt. Überhaupt hinterfragt man generell gar nichts, wenn man auf einem Filmset ist. Ich habe eindeutig gegen die Spielregeln verstoßen und mich als Journalistin geoutet.

Meine Kollegen machen in den Interview-Pausen Smalltalk und lassen am laufenden Band Promi-Namen aus vergangenen Interviews fallen. Ich kann neben Bette Midler, Cher, Chris Isaak und Kylie Minogue nur mit Zsa Zsa Gabor aufwarten, die mich mal vor 20 Jahren aus ihrer Villa warf – zuwenig, um Comic-Geeks nachhaltig zu beeindrucken.

Die Vampire bekommen für den nächsten Take wieder frisches Filmblut auf ihre Kostüme gepinselt. Abgehakte Köpfe und zerfetzte Latex-Arme werden von den vielen Helfern im Kunstschnee drapiert. „Action!“ brüllt der Regisseur. Da vibriert mein Handy.

Der Anruf einer Freundin aus Christchurch. Ihr neunjähriger Sohn ist am Tag zuvor mit dem Fahrrad vor einen Laster gefahren ist. Er hat mindestens sechs Knochenbrüche, ein schweres Schädeltrauma und liegt im Koma. Zu dem Zeitpunkt ist weder klar, ob er aufwacht, noch ob er ohne Gehirnschaden davonkommt. Die Vampire kreischen und zischen. Das Blut tropft. Fröhliche Unterhaltung! Cut.

 

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Präventivschlag

In Delhi grassiert derzeit das Dengue Fieber, eine Tropenkrankheit, die von Mücken übertragen wird und mit heftigen Gliederschmerzen einhergeht. 1731 Fälle wurden bereits gemeldet, 40 Menschen starben in den letzten Wochen daran.

Grund genug also für die Regierung, zu exorzismusartigen Vorsorgemaßnahmen zu greifen. Gestern wurden sämtliche Häuser in meiner Nachbarschaft ausgeräuchert. Das geht so: Ein Team von Ausräucherern kommt mit einem Gerät, das einem Staubsauger gleicht, aber die umgekehrte Wirkung hat. Unter höllischem Lärm stößt es Schwaden von dichtem Qualm aus. Keine Ahnung, welche chemischen Substanzen der Rauch enthält, aber er soll den Mücken den Garaus machen.

Ehe ich mich über etwaige ökologische Folgen informieren konnte, standen die Männer vom Gesundheitsamt in meiner Wohnung und gingen ans Werk. Sie begannen in den hintersten Räumen und qualmten rückwärtsgehend jeden Raum voll, wobei sie nach getaner Arbeit die Türen verschlossen und mir bedeuteten, dass diese nun für 15 Minuten nicht mehr geöffnet werden dürften.

Ziemlich überrumpelt beging ich einen strategischen Fehler: Ich folgte den Männern in den Hausflur. Ehe ich mich versah, waren sie die Treppe hinunter und begannen nun vom Hauseingang aus, diesen auszuräuchern, was mich daran hinderte, das Haus zu verlassen. Meine heftigen Proteste konnten sie wegen des Getöses ihrer Maschine nicht hören. Ich erkannte, dass die einzige Fluchtmöglichkeit durch die Wohnung auf die Terrasse sein würde.

Aber ach: Als ich die Haustür öffnete stand ich vor einer undurchdringlichen Rauchwand hinter der von der Wohnung nichts, aber auch gar nichts mehr zu erkennen war. Ich zögerte kurz: Sollte ich doch den Weg zurück durch den Hausflur wählen? Aber nein, das Höllengerät blies nach wie vor unter solchem Lärm Rauch in den Flur, dass ich Angst hatte, über die Maschine zu stolpern und mich auch noch zu verletzten. Vollkommen blind kämpfte ich mich – zum Glück ohne größere Kollisionen mit Möbelstücken – durch den Flur und das Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse.

Ob dies nun der Gesundheitsvorsorge dient? Mich erinnert es eher an die umstrittenen „pre-emptive strikes“, die vor nicht allzu langer Zeit unter amerikanischen Militärstrategen in Mode waren. Der deutsche Botschafter jedenfalls, den ich am selben Abend zufällig auf einem Dinner traf, fühlte sich von der Schilderung an eine Karikatur erinnert, die er kürzlich gesehen hatte: Sie zeigt einen Schiffbrüchigen, neben dem ein riesiger Hai aus dem Wasser auftaucht. Die Bildunterschrift lautet: Haie bewahren viele Schiffbrüchige vor dem Ertrinken.

Das ist natürlich eine vollkommen unpolitische Geschichte.

P.S. Ich wachte heute Morgen mit heftigen Halsschmerzen auf. Ob es wohl Dengue Fieber ist? Oder doch eher eine Rauchvergiftung? Ich tippe auf Kollateralschaden.

 

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Blogmacht

Wer in Belgrad lebt, weiß, wo die amerikanische Botschaft liegt. Im Zentrum, in der Fürst-Miloš-Straße, gut bewacht, nicht zu übersehen. Kaum einer, der in Belgrad lebt, weiß, dass sich auf der anderen Straßenseite, just gegenüber der Botschaft, eine Unterkunft für alleinstehende Männer befindet. Noch unbekannter ist, dass die Bewohner in der Kneipe „Jezero“ („Der See“), im Erdgeschoss des Hotels, gerne ihr Bierchen trinken.

Der Besitzer tauft kürzlich seine Kneipe um, nennt sie jetzt „Osama“ („Alleinsein“) und will damit betonen, daß seine Gäste die alleinstehenden Männer seines Hotels sind. Gleich beschweren sich die benachbarten US-Diplomaten bitterlich und veranlassen den Besitzer, den Namen zu ändern. Seine Erklärungen, dass die Kneipe mit Osama bin Laden nichts zu tun hat, hilft nichts. Bevor es zu ernsthaften Auseinandersetzungen kommt, kriegt die Kneipe einen neuen Namen. Soweit die Nachricht Nummer eins.

Die Nachricht Nummer zwei lautet: immer mehr Serben fahren an die (jetzt) kroatische Adria. Es passiert aber, dass Autos mit serbischen Kennzeichen an der Küste demoliert werden, und so hat ein gewisser Goran aus Belgrad einen Trick erfunden, der die Autos vor Gewalt schützt. Über den serbischen Kennzeichen werden nun – gleich nach dem Grenzübergang – kroatische angebracht, per Magnet. „Eine lohnende Angelegenheit, leider nur im Sommer“, ließ Goran verlauten.

Beide Nachrichten wurden sowohl in serbischen, kroatischen, ungarischen, chinesischen, vietnamesischen als auch in indischen Medien veröffentlicht.

Beide Nachrichten sind erlogen.Erdacht auf der Blogseite von B 92, und zwar von jungen Leuten, die sich “Illegale Zuckerbäcker” nennen und als “kulturell-künstlerische“ Gemeinschaft” bezeichnen.

Das Belgrader Magazin „Vreme“ („Die Zeit“) eröffnet die Diskussion um die Macht des Blogs und fragt: was nun. Zwei erlogene Geschichten aus Serbien haben die Welt erreicht, ohne irgendwelche Konsequenzen. Die Journalisten haben gezeigt, dass sie leicht in die Unprofessionalität abgleiten können. Alles in allem nichts neues und nichts besonderes. “Vreme” fragt, was aber, wenn es sich um eine Nachricht handelt, die tatsächlich ernsthafte Konsequenzen hat?

Und einer der Zuckerbäcker erklärt das Entstehen dieser Nachrichten so: “Jeder weiß, dass das, was in den Medien steht, zu 90% nicht wahr ist. Weil Medien eher eine Waffe der Macht sind, als eine Informationsquelle”.

Waffe hin und Information her, Tatsache ist, die Zeit der Unschuld ist vorbei. Die mediale Macht der Blogs schreitet voran, Zuckerbäcker haben erneut zugeschlagen, der Blog vom B92 hat in diesem Monat fast 400.000 Besucher gezählt.

 

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Sind Sie die Witwe Meier?

Es war meine U-Bahn-Station, in der am 17.10.2006 ein Zug auf einen anderen aufgefahren ist. In Sirenen-Hörweite von meiner Wohnung, vielleicht 300 Meter Luftlinie. So nah, dass ich, als das Unglück gemeldet worden war, wenigstens zum Gaffer Angaffen hingegangen bin. Man ist ja Journalist; da fühlt man sich zur Neugier verpflichtet.

Noch viel makabrer: In den Meldungen am Dienstag Nachmittag hieß es, die Identität des Opfers werde erst genannt, wenn die Angehörigen informiert seien. In der Mittwochszeitung dann die Mitteilung: Die Eltern der ums Leben gekommenen 30-Jährigen seien von einem Lokal-Fernseh-Team benachrichtigt worden. Ob die den bewegenden Moment aufgenommen und gesendet haben? Es hat in Italien schon Hinterbliebene von Mordopfern gegeben, die unter Tränen zum Reporter sagten: „Bitte filmen Sie mich nicht, ich kann Ihnen nichts sagen!“ Das kam dann abends in den Fernseh-Nachrichten…

 

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Blogger bringt Ministerin zu Fall

Keine zehn Tage nach Amtsantritt ist die schwedische Handelsministerin Maria Borelius abgetreten, kurz darauf folgte ihr die Kultusministerin. Am Abgang von Borelius ist ein Blogger vermutlich nicht ganz unschuldig. Magnus Ljungkvist nämlich machte in seinem Blog als erstes publik, dass Borelius entgegen ihrer Behauptung in den 1990ern genug Geld verdient habe, um eine Haushaltshilfe legal zu beschäftigen. Erst recht, wenn man das Einkommen ihres Ehemannes berücksichtigt. So habe Borelius 1994 442 900 Schwedische Kronen (rund 48 000 Euro) verdient, gemeinsam mit ihrem Mann kam sie auf über 200 000 Euro, schreibt Ljungkvist.

Weil es in Schweden den gläsernen Bürger und also Abgeordneten gibt, konnte er die Daten bei den Behörden erfragen. Die anderen schwedischen Medien stützten sich dann auf seine Recherchen. Borelius Haushaltshilfe war nicht deren einziger Skandal, aber wegen ihrer falschen entschuldigenden Angabe ein besonders schwerwiegender. Meist ging es bei ihren Verfehlungen darum, Geld zu sparen. So hatte Borelius lange keine Fernsehgebühren bezahlt und das von ihr bewohnte Ferienhaus auf eine in Jersey registrierte Firma angemeldet – so sparte sie Vermögenssteuer.

Über seinen Blog ist der Bürger Magnus Ljungvist also zum Wachhund geworden und hat etwas vor den Journalisten ans Tageslicht gebracht. Jetzt zu erklären, Blogs könnten Journalisten überflüssig machen, ist aber etwas vorschnell: Ljunkvist nämlich ist im Hauptberuf Sprecher der Sozialdemokraten in der Region Stockholm. Ob er die Angaben der Ministerin wohl genauso gewissenhaft überprüft hätte, wenn diese seine Parteigenossen gewesen wäre ?

 

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Die drei (sic!) wiedergefundenden Munchs

Ein wenig lieblos lagen die zwei Bilder auf dem blau bezogenen Tisch (Foto: Richard Jeffries, Munch Museum). Es wirkte beinahe so, als präsentiere der Enkel auf dem Flohmarkt den Ramsch, den er bei seiner Oma auf dem Dachboden gefunden hat und jetzt verscherbeln möchte, um sich das Taschengeld aufzubessern. Doch bei den beiden Bildern handelte es sich um zwei der bekanntesten Gemälde: Es sind Originalversionen der Werke "Der Schrei" und "Madonna" des Norwegers Edvard Munch. Am helllichten Tag waren die beiden Bilder im August 2004 von bewaffneten Räubern aus dem Munch Museum im Osten von Oslo gestohlen worden. Ende August diesen Jahres konnte die Polizei die Gemälde endlich ausfindig machen.

Als das Munch Museum vor kurzem erste Fotos der sichergestellten Gemälde der Presse zur Verfügung stellte, ging es vor allem darum, zu beweisen: "Ja, wir haben die vor über zwei Jahren gestohlenen Bilder wieder". Eine ansprechende Präsentation der Werke war nicht einmal Nebensache: ein blaues Tuch auf einen Tisch geworfen, darauf die Bilder – das musste reichen.

Dennoch war das Interesse der Allgemeinheit riesig. So riesig, dass man sich kurzerhand entschloss, die sichergestellten Bilder im Museum zu zeigen bevor sie restauriert worden waren. Zwar hat die Kunst Edvard Munchs ohnehin schon seit langem viele fasziniert, doch kein Kunsthistoriker machte sich Illusionen: die zwei Werke waren durch den spektakulären Raub am helllichten Tag im August 2004 und die darauf folgende zweijährige Suche nach den Dieben und deren Beute noch interessanter geworden. Deshalb wollten die Besucher, die vor dem Munch Museum Schlange standen, die Werke so sehen, wie die Polizei sie sichergestellt hatte: leicht beschädigt und ohne Rahmen. Nicht das Motiv der Bilder, sondern der mit den Werken verbundene Kriminalfall hatte das Interesse an Munch gesteigert.

Das Munch Museum erstellt derzeit übrigens mit den Munch-Händlern Galerie Faurschou (Kopenhagen) und Kaare Berntsen (Oslo) ein Werkverzeichnis über die Gemälde des Norwegers. Bei der Zusammenstellung der Informationen zu den Bildern fiel den Kunsthistorikern auf, dass sie bei rund 70 Gemälden nicht wissen, in wessen Besitz diese sich derzeit befinden. Nachdem ich darüber einen Bericht für die englische Kunstzeitung The Art Newspaper geschrieben hatte, meldete sich eine Londoner Galerie beim Munch Museum. Einer ihrer Kunden besaß die gesuchte Version des Bildes "Mädchen auf der Brücke", eines der bedeutenderen Gemälde des Norwegers.

 

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Zum Tode von Anna Politkowskaja

Ich trauere um Anna Politkowskaja. Nicht, dass ich sie gut gekannt hätte. Ich habe im vergangenen Jahr zusammen mit ihr, Seymour Hersh und Hans-Martin Tillack den Leipziger „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ erhalten. In den Tagen der Preisverleihung haben wir uns kennen gelernt: bei einem Abendessen in den Räumen der Leipziger Medienstiftung, auf einer Podiumsdiskussion und während der Abschlussparty im Leipziger Rathaus haben wir miteinander geredet. Sie sprach über die immer stärkere Einschränkung der Pressefreiheit in Russland. Über den Geldmangel ihrer Zeitung „Nowaja Gazeta“, über die Lebensgefahr, unter der sie arbeitete. Man hatte bereits einmal versucht, sie wegen ihrer kritischen Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg zu vergiften. Sie wirkte müde und erschöpft in ihrem fuchsia-farbenen Kostüm, frühzeitig ergraut aber ungebrochen. Ein Hauch von Vergeblichkeit umgab sie.

Sie sprach davon, dass die Lebensgefahr zum Berufsrisiko des Journalisten gehöre. Ich empfand es als Ehre, diesen Preis zusammen mit ihr bekommen zu haben. Ich bewundere ihren Mut und ihre Kraft. Für mich gehört die Lebensgefahr nicht zum Berufsrisiko. Ich habe die Wahl, in Afghanistan zu arbeiten. Anna Politkowskaja hatte keine Wahl. Und keine Chance. Ihre Gegner waren zu mächtig. Nun haben sie sie zum Schweigen gebracht.

Von Menschen wie ihr hängt die Zukunft der Freiheit ab. Ich trauere um Anna Politkowskaja.

 

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Fashionblog: Ausblick

Zwischen den Modeschauen und der abendlichen Party zum 30. Firmenjubiläum von Jean Paul Gaultier, habe ich im Fernsehen von dem Tod der beiden deutschen Journalisten in Afghanistan erfahren. Bei einer solchen Nachrichten frage ich mich immer, ob ich da überhaupt noch von so unwichtigen Nebensächlichkeiten wie Mode bloggen darf.

Viele Weltreporter unseres Netzwerkes arbeiten an Brandherden, gehen Risiken ein, während ich mich mit sehr vielen anderen Modejournalisten die letzten Tage um Rocklängen und Absatzhöhen gekümmert habe.

An solchen Tagen stelle ich meine Arbeit in Frage und staune nur noch mehr, dass Gäste sich – wie auf der Gaultier-Party gestern – pickiert von demonstrierenden PETA-Mitgliedern abwenden, sich aber wenig später um den Champagner schlagen. Einige der sonst so elitären Modegesellschaft haben gestern Nacht, als es keine sauberen Gläser mehr gab, sogar dreckige Gläser im Eiswürfelwasser ausgespült, nur um noch ein Glas Champus zu bekommen. Und das mitten in Paris! Es ist nicht zu fassen!

Trotz aller Globalisierung, so scheint mir, wächst die Welt nicht zusammen, sie driftet immer mehr auseinander. Und dabei gehen gerade in der Überflussgesellschaft beim Hechten nach dem neuesten Konsum so manche gute Manieren flöten.

Auch wenn das Beispiel in Anbetracht der aktuellen Ereignisse lächerlich erscheinen mag, aber auch auf den Modeschauen herrschte früher ein anderer Geist. Während einst außergewöhnliche Kreationen spontanen Beifall bekamen und man am Ende eines Defilees die Arbeit eines Designers mit Applaus würdigte, so rennen heute die Gäste oft bereits aus dem Saal, wenn die Models noch beim Abschlussdefilee sind (siehe Bild). Vor dem Einlass wird gerempelt und gedrängelt, Geschenke werden im wahrsten Sinne des Wortes eingesackt und während der Show unterhalten sich die Gäste ohne einen Blick auf die Kollektionen zu werfen.

Wenn Genies wie Karl Lagerfeld die Idee haben, die Arbeit der Leute hinter den Kulissen zu würdigen, so interessiert das zudem niemanden. In seiner aktuellen Show war am Ende der Backstage-Bereich mit den Friseuren, Make-Up-Spezialisten und Anziehhilfen zu sehen, doch auch Tage später finde ich davon leider nichts in den Medien und im Internet. Das ist schade. Denn jenseits von Promis in der ersten Reihe, Models und Designern bleiben diese Menschen im Dunklen, deren Verdienst es ist, dass die vergangene Modewoche Paris ein Erfolg war.

Mit diesem sehr langen, letztem Blog beschließe ich meine Berichterstattung zu den Pariser Modeschauen. Ein abschließender Dank geht an meiner Weltreporter-Kollegen Janis, Felix und Martin, die mich tatkräftig bei dieser (meiner ersten) Blogreihe unterstützt haben. Ohne sie wären die Texte nie so schön ins Netz gekommen.

 

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Fashionblog: Und was trägt man diesen Winter?

Zum Ende der Pariser Modeschauen reisen zwar viele Journalisten ab, doch ich habe trotzdem keine Karten für Kenzo, Chloé, Hermès und Galliano, die am Samstag ihre Kollektionen zeigen. Zwischen den unbekannteren Defilees habe ich deshalb Zeit, die Gäste zu beobachten.

Sie alle sind echte Modeexperten: Einkäufer großer Warenhäuser, Boutiquenbesitzer, Textilfabrikanten, Stylisten, Designer oder eben Fashion-Journalisten. Was sie anhaben, ist der letzte Schrei. Man muss diese Damen (Herren sind eher sehr selten darunter) nur kopieren, um fashionmäßig up to date zu sein.

Hier das Ergebnis meiner Analyse (in detaillierter Form auch nachzulesen in der kommenden Ausgabe der TextilWirtschaft: Leggins sind ein Must Have. Kaum zu glauben, aber wahr. Dazu trägt man Oversized-Pullis. Oder kurze, weite Kleidchen. Das klingt schwer nach 80er Jahre und so ist es auch.

Doch im Unterschied zu damals sind High Heels dazu ein Muss. Am besten in Leopardenlook oder als Plateau-Schuhe mit Keilabsatz. Wer besonders „in“ sein will, kann diese Plateau-Keilabsatz-Schuhe als stylische Ankle-Boots kaufen. Absolute Fashion-Victims haben natürlich die aus der Winterkollektion von Balenciaga.

Einen Hacken hat diese Schuhmode jedoch: Darin zu Laufen will gelernt sein. Wie ich live beim Warten vor der Sonia-Rykiel-Show erfahren durfte. Ein Gast kam nämlich zu spät. Die Pressefrau wartete am Eingang und rief der heran eilenden Dame zu: "Beeil Dich! Die Show fängt an!" Darauf kam die Antwort: "Ich kann nicht schneller in diesen Schuhen." Was dann passierte, siehe Bild. Machen wir uns also auf einen Winter gefasst, in dem uns die Mode einen ruhigeren Gang vorschreibt.

 

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Fashionblog: Scharfe Minis und strenge Kontrolle

Mit den wichtigen Schauen Stella McCartney, Cacharel, Celine, Yves Saint Laurent am Donnerstag und am Freitag morgen Chanel sind die meisten Highlights der Pariser Modeschauen abgefeiert. Von den Großen fehlen noch McQueen, Chloe, Hermès, Louis Vuitton und Miu Miu. Es ist Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Gleich mal vorab: Es wird kurz nächsten Sommer. Die Shorts rutschen nach oben, die Minis sind sehr mini. Kleine, sehr mädchenhafte Hängerkleidchen kommen und sehen wahrscheinlich nur hübsch aus bei jungen Frauen mit langen schlanken Beinen.

Frauen über 30 müssen dagegen sehr viel tiefer in die Tasche greifen, denn Tragbares für Thirty-Somethings haben nur die teueren Luxuslabels wie Dior, Valentino, Yves Saint Laurent, Akris oder eben Celine gezeigt. Fast alle (außer Yves Saint Laurents Violett Kollektion) schwelgen in hellen Tönen mit viel Weiss, Pastell- und Hauttönen oder Schwarz. Die Bein-Silhouette bleibt schmal, die Hosen eng. Eine gute Nachricht gibt es für alle, die mit Hüfthosen nie zurecht kamen: Die Taille sitzt wieder da, wo sie hingehört.

Ein kleines Fazit will ich auch ziehen zur Organisation der Schauen: Noch nie wurden die Karten so streng kontrolliert wie diesmal. Die Sicherheits-Leute auf den Schauen sind unerbittlich. Bei der Yamamoto-Show am Dienstag zählten die Aufpasser sogar die Gäste ab und schlossen die Tore, als der Saale voll war. Zahlreiche Gäste mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Yamamoto, so wird erzählt, habe sich tags drauf per Mail bei seinen Gästen entschuldigt.

Am Freitag nun kam es zu einem weiteren kleinen Eklat, als die Sicherheitsleute nach 800 Gästen niemanden mehr zur Gilles Rosier-Show zulassen wollten. Die mit Einladungskarten bewaffneten Gäste mussten auf der Straße warten und durften sich auf Protest des Pressechefs später das Defilee im Livemitschnitt auf einer Projektionswand anschauen. Eine Neuheit, aber nur ein schwacher Trost. Denn: Der Kameramann der Liveübertragung war sehr viel mehr an den Beinen und Gesichtern der Models interessiert als an den Klamotten (siehe Bild).

 

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Wie viel Uhr ist es eigentlich?

Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Seit ich in China lebe, melden sich 50 Prozent aller Anrufer aus Deuscthland mit dem Satz: „Wie viel Uhr ist es eigentlich bei Ihnen? Habe ich Sie geweckt?“

Ich antworte dann immer „nein, kein Problem“, was oft auch stimmt. Viele Redakteure kommen mit Zeitverschiebungen offenbar nicht klar. Manche rufen erst kurz vor (ihrem) Feierabend an und möchten mir eigentlich einen Gefallen tun. Irgendwann muss sie mal ein Amerikaner darum gebeten haben, sich immer erst möglichst spät zu melden.

Wenn in Deutschland die Nachmittags-Redaktionskonferenzen vorbei sind, sieht es in China schon aus wie auf dem Foto nebenan. Ich will mich nicht beklagen. Ich stehe auch immer erst spät auf und keiner merkt es. Aber hier ein Tipp: weltzeit.de

 

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Fashionblog: Kilos kein Thema, Haare schon

Auf den Pariser Fashionshows ist die Diskussion um dürre Models kein Thema. Während die Veranstalter der Madrider Modewoche zu magere Manequins von den Defilees ausgeschlossen haben, will man sich in Paris nicht dreinreden lassen.

Bereits vor Beginn der Schauen hat Didier Grumbach vom Chambre Syndicale de la Mode klar deutlich gemacht, dass es solche Einschränkungen in Paris nicht geben wird. Auf den Laufstegen sieht man deshalb weiterhin haufenweise junge, äusserst magere Models.

Viel mehr als die Kilos interessieren die Designer jedoch die kurzen Haare von einigen Mannequins. Nachdem sich vor zwei Saisons das Top-Model Maria Carla Boscono radikal, aber äusserst erfolgreich ihre Locken abgeschnitten hatte, sinid ihr in den letzten Monaten so einige andere gefolgt.

Das Model Rachel Alexander, die sich ihren kurzen Bob vor sieben Monaten zugelegt hat: «Kurze Haare liegen voll im Trend.» Manche Designer jedoch finden den neuen Haartrend gar nicht lustig. Ceci Mendez, Model aus Argentinien: «Bei Givenchy haben sie schon beim Casting gesagt, dass kurze Haare nicht erwünscht sind.» Und wieviele Jobs haben die beiden wegen ihrer neuen Frisur verloren? «Von 50 hab ich circa fünf oder sechs nicht bekommen.»

Es gibt aber auch Modehäuser, die den neuen Haartrend begrüssen. Bei Joops Wunderkind zum Beispiel waren ein halbes Dutzend Kurzhaarige im Einsatz. Peter Gray, Hair Artist beim Wunderkind-Defilee: «Der neue Look ist sehr inspirierend, hippy, aber doch sexy. Mir gefiel die Frisur von Model Ekaterina so gut, dass ich alle in der Show nach ihrem Vorbild gestylt habe: hinten kurz und mit einer langen seitlichen Strähne.»

 

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Roadbook einer Entdeckungsreise durch den wilden Osten

Habe ein spannendes Erstlingswerk in die Hände bekommen: Von Peking nach Berlin – das druckfrische Tagebuch einer Motorradreise durch 11.000 Kilometer wüste Weite. Autor ist der ehemaligen Pekinger Stern-Korrespondent Matthias Schepp, der inzwischen für den Spiegel nach Moskau gewechselt ist, Gerd George fotografierte.

Schepp reiste stilecht mit dem legendären BMW-Motorrad R 71, bzw. auf einem chinesischen Nachbau mit dem Namen „Chang Jiang“. (Eine der letzten großen Geschichten, die Schepp für den Stern geschrieben hat, handelte übrigens von chinesischen Produktpiraten, dies nur am Rande.)

In 33 Tagen durchquerte das Team, zu dem als wohl wichtigster Mann auch ein chinesischer Mechaniker gehörte, die Mongolei, Sibirien und den Ural. Es war wohl ein bisschen ein Jungentraum, den sich Schepp und seine Motorradkollegen mit der Tour erfüllt haben. Herausgekommen ist ein spannender Abenteuerbericht, das Gegenteil der weichgespülten PR-Reisereportagen, die man beim Friseurbesuch in den meisten Magazinen überblättert.

Stern.de hat die Reise als kleinen Vorgeschmack in einem Onlinetagebuch dokumentiert.

Gerd George, Matthias Schepp: Von Peking nach Berlin. 11.000 km auf Nachbauten der legendären BMW R 71 – 39,95 Euro.

 

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Fashionblog: 3. Tag – Amis, Promis und Rock’n’Roll

Balenciaga ist derzeit das heißeste Label der Modebranche. Zu diesem Event reisen alle an. Damit Zaungäste nicht stören, wird der Ort der Show geheimgehalten. In den offiziellen Unterlagen des Chambre Syndicale de la Mode steht deshalb nur „Voir invitation“ (zu dt.: siehe Einladung). Wer die nicht hat, weiß nicht, wo Balenciaga zeigt.

Die großen amerikanischen Modezeitschriften sind aber eingeladen und das ist auch der Grund, warum alle gestern anreisten. Endlich sitzen auch zwei Shows später, die in der ersten Reihe, die dort hingehören: Suzy Menkes von der International Herald Tribune, Leon Talley von der US Vogue und Hilary Alexander vom britischen Telegraph.

Doch die Damen und Herren waren bei Westwood nicht das Ziel der Blitzgewitter: Denn Janet Jackson gab sich die Ehre und verursachte Handgreiflichkeiten unter den Promi-Fotografen (siehe Bild). Die Show selbst war Rock’n Roll, so wie sich das für Westwood gehört – mit schmissiger Musik, knallbunten Looks und hüftenschwingenden Models, bei denen eine Tribut an Westwoods Absätze zollen musste: Sie stürzte auf dem Laufsteg. Und wir erinnern uns an Naomie Campbells berühmten Westwood-Sturz, mit der Schuh und Modell in die Modegeschichte eingingen.

Janet Jackson sahen wir gestern gleich noch einmal bei einer Show. Beim Dior-Defilee, das im renovierten Grand Palais stattfand, und zum Promi-Stell-Dich-Ein avancierte: Dita von Teese, Monica Belluci, Ellen von Unwerth, Lenny Karvitz etctera. Sie allen waren überrascht, wie tragbar John Galliano die Mode für den kommenden Sommer gestaltet hatte. Das Enfant terrible der Mode zeigte zarte Sommerkleidchen in Pastelltönen und sehr business-mäßige Kostüme. Das verrückteste an der Show waren denn dann auch die Frisuren: Galliano schickte seine Models im Jungfrau-von-Orleans-Haarschnitt auf die Bühne.

Dass ich dabei sein durfte verdanke ich übrigens dem ZDF: Claudia von „Leute heute“ war so nett, mir eine Karte abzugeben. Das nennt man Kollegenhilfe, was bei den Schauen leider eher die Seltenheit ist (Deswegen kann ich auch nichts zu Gaultiers Geburtstag-Defilee sagen). Hier deshalb noch mal offiziell: Danke Claudia!

 

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Kleinstkredite in Tansania

Daressalam, Tansania. Eine Woche unterwegs mit einer Journalistengruppe. Es ging um Kleinstkredite und wie sie helfen können. Einer Seifenmacherin etwa, die mit 50 oder 100 US-Dollar eine vernünftige Maschine kaufen kann, um die Seife in handliche Stücke zu zerteilen. Dadurch kann sie den Produktionsprozess beschleunigen, mehr Seife herstellen und verkaufen – und schließlich mehr verdienen. „Schon mit 50 Dollar kann man hier eine Menge machen“, hieß es immer wieder.

Wir waren in den Usambarabergen im Norden, wir haben einen Abstecher nach Sansibar gemacht und sind durch Daressalam gelaufen. Viele Termine, viele Gespräche, viel gelernt über ein Land, von dem die meisten vorher gerade mal den Serengeti-Nationalpark und vielleicht noch den schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo kannten. Es ist der letzte Morgen vor der Abreise. Unsere Gruppe hat sich an der Rezeption des New Africa Hotel getroffen (das dort steht, wo in deutschen Kolonialzeiten das Hotel Kaiserhof stand), um die offenen Zimmerrechnungen zu begleichen.

Einer aus der Gruppe musste schon früh am Morgen zum Flughafen. Auf seiner Rechnung sind 50 US-Dollar offen. 50 US-Dollar für den Nachtportier, wie sich herausstellt. Der hatte unserem Kollegen auch so eine Art Kleinkredit gegeben, weil er Geld brauchte für die zwei Frauen, die er sich für die letzte Nacht in Daressalam mit aufs Zimmer genommen hatte. Der Unterschied ist nur: Knapp 100 Prozent der Kleinstkredite werden pünktlich zurückgezahlt.

 

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Fashionblog: Geschafft! Ich war bei Viktor&Rolf!

Auf den Pariser Modeschauen werden die Menschen in drei Kategorien eingeteilt: Die mit Einladungskarte inklusive Sitzplatznummer, die mit Standing-Karte und die ohne Karte. Als Freelance-Journalist gehört man zu den beiden letzteren Gruppen. Denn selbst wenn man regelmäßig über Mode schreibt, ist das noch lange keine Garantie, zum erlauchten Kreis der Sitzenden zu gehören.

Was die Show der Designer Viktor&Rolf anbelangt, so liegt hier die Messlatte noch etwas höher. Sprich: Ich hatte – wie immer – gar keine Karte, nicht mal als stehender Gast. Warum? Die Karten für dieses Defilée sind so heiß begehrt wie die für Dior, Chanel oder für ein Robbie Williams Konzert.

Dementsprechend voll war es vor dem Eingang, wo der Security-Mann mit strenger Miene die Karten kontrollierte. Ohne Karten kommt man an ihm nur vorbei, wenn man ein Hollywoodstar, ein Rockstar-Freund eines Models oder – und das ist die Erfolgsformel – die beste Freundin der Pressefrau am Eingang ist. Das bin ich leider alles nicht. Aber ich kam trotzdem rein. Wie? Ich drückte mich einfach eine halbe Stunde vor der Tür, bis plötzlich der Kontrolleur nickte. Glück oder Ausdauer? Egal, ich war drinnen. Zum ersten Mal bei Viktor&Rolf!

Die beiden Holländer sind Meister der Selbstinszenierung, ihre Shows sind mehr Theaterstücke oder Kunstevents als Defilées. Auch das war auch diesmal so: Über den Laufsteg riesige Kronleuchter, hinten ein Orchester und vorne weg ein tanzendes Paar auf dem Laufsteg.

Die männlichen Models sahen aus wie Doppelgänger der beiden Designer (Kennzeichen: schwarze Hornbrille), die Mannequins wie geklont mit ihrer immer gleichen Dutt-Frisur. Die Mode: Petticoat-Röckeund enganliegende Hosen wie Oberteile in Schwarz und Nude-Optik.

Doch das Beste kam zum Schluss: Ein Dutzend Männer im Smoking tanzten sich zur Musik „Somewhere over the rainbow“ aus einem Nebelmeer heraus zum Ausgang. Was für eine Show! Und ich war dabei!

 

 

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Fashionblog: 1. Tag – Viele Asiaten und ein Deutscher

Bei den Pariser Modeschauen lässt man es am ersten Tag traditionell langsam angehen. Die Schauen beginnen erst um 10.30 Uhr, eine Stunde später als normal, und der Andrang hält sich noch in Grenzen, weil die internationale Presse, allen voran die wichtigen Amerikaner, noch nicht angereist ist. Wintour und Konsorten kommen nämlich erst, wenn die großen Modehäuser defilieren (ab Dienstag). Der erste Tag ist deshalb vor allem den jungen Asiaten reserviert, wie dem Chinesen Frankie Xie, der mit seiner Kollektion Jefen die Schauen eröffnete, Mina Perhohen, Lie Sang Bong, Toga oder Es.

Doch trotz der Anlaufphase, gab es am Sonntag bereits ein paar Highlights. Und dazu gehört auf alle Fälle die Premiere von Wolfgang Joops Wunderkind in Paris. Sein Umzug aus New York habe „rein logistische Gründe“, erklärte mir die Pressefrau.

Er selbst sagte dagegen, sein Stil sei nicht „business-mäßig genug für New York“. Was auch immer der Grund sei, die deutschen Medien waren zahlreich im Backstagebereich vertreten, wo man abgesehen von Models, Make-Up-Leuten und Friseuren nur noch deutsche Worte hörte, und sich freute, dass auch Tochter Jette Joop extra zu Papas Paris-Premiere angereist ist. Sie versuchte zwischen den Interviews mit ihrer nigelnagelneuen Digitalkamera Wolfgang Joop bei den Interviews aufzunehmen. Für das Familienalbum? Jette Joop: „Och, das weiß noch nicht so genau“.

Weitere Highlights waren auch die Show von Balmain, wo Christophe Decarnin nun in der zweiten Saison versucht, das alte Label zu relaunchen, und natürlich Martin Margiela, bei dessen Show ich als Freelancer natürlich keine Eintrittskarte hatte, aber die mir dann eben unter style.com anschauen werde.

Jedoch mein persönlicher Favourit vom ersten Schauentag ist Dice Kayek. Die junge Türkin mit Wohnsitz in Paris erwies erneut ihr Talent mit steifen, sehr kurzen Ballonröcken, schwingenden Hängerkleidchen und 13 cm hohen Zehensandalen-High Heels, die mit doppeltem Klebeband an die Füße der Models geklebt wurden.

 

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Mein ganz persönlicher Fashionblog zu den Pariser Schauen: Prolog

Wie kurz tragen wir nächsten Sommer unsere Röcke? Die Designer in New York meinen: zwei Handbreit über Knie. In London: eineinhalb Handbreit über Knie. Mailand geht auf Risiko mit einem Saum, der kurz unter Schamhaar endet. Und Paris? Das erfahren wir ab morgen, wenn dort die alte Frage der Rocklänge in 84 offiziellen und 20 inoffiziellen Schauen diskutiert wird.

Paris ist wie jede Saison das Schlusslicht im Modeschauen-Reigen, doch seine Trends sind die wichtigsten. Deswegen sind einige Designer mit Sack und Kollektion an die Seine umgezogen. Nicht nur Karl Lagerfeld kehrt mit seiner eigenen Linie aus New York nach Paris zurück, neu dabei sind auch Wolfgang Joop mit Wunderkind und der deutsche Nachwuchsdesigner Kai Kühne mit seiner Kollektion Myself.

Ihre Trends werden mit Spannung erwartet, wie auch Anna Wintour, Chefin der US Vogue und Vorbild für den Film „Der Teufel trägt Prada“, der just in diesen Tagen in Paris angelaufen ist. Eine ziemlich gute Marketingaktion der französischen Kinos, wie ich finde. Wie Miss Wintour in Paris empfangen wird und was sonst noch passiert, will ich in diesem Blog in den kommenden 8 stylischen Tagen beschreiben. A demain.

 

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Westliche Manager: Die besseren Chinesen

Komme gerade aus Peking zurück, wo DaimlerChrysler am Freitag das erstes Mercedes-Werk in China eröffnet hat, im Detail hier nachzulesen.

Konzernchef und Ex-Werbestar Dieter „Dr. Z.“ Zetsche war extra aus Deutschland eingeflogen und begrüßte die versammelten Arbeiter und Ehrengäste auf Chinesisch. Zetsche bemühte sich, in seiner Rede so oft wie möglich zu betonen, welch großen Beitrag DaimlerChrysler mit der Werkseröffnung zum Aufbau der chinesischen Volkswirtschaft leistet.

Der Pekinger KP-Parteisekretär war gekommen. Es gab chinesische Trommler, Feuerwerk und eine Bühnendarbietung im Stil kommunistischer Propagandafolklore. Das war die Oberfläche.

Nun ist in China bekanntlich vieles anders, und wir alle sind hier nur Gäste. Aber es entbehrt nicht einer gewissen traurigen Komik, wenn man beobachtet, wie deutsche Konzerne versuchen, sich in China wie die besseren Chinesen zu präsentieren.

Für uns Journalisten fängt das fühlbar bei der Informationspolitik an. Es wäre interessant gewesen, zu erfahren, wie DaimlerChrysler mit der Fabrik Geld verdienen will, welche Folgen die neue Luxussteuer von 20 Prozent für den Automarkt hat und welche technologischen Geheimnisse DaimlerChrysler verraten musste, um die Genehmigung für das Joint-Venture-Werk zu bekommen. Doch ein Hintergrundgespräch mit dem Management wurde „aus Zeitmangel“ per SMS abgesagt.

„Sorry, Buddy“, sagte der Pressesprecher, ein sehr amerikanischer Amerikaner und bot alternativ ein Abendessen an, "leider ohne das Management". Chinesische Firmen und Behörden verfahren nach der gleichen Strategie: Beschäftigt die unangenehmen Medienmenschen mit Dauerbanketten und opulenten Saufgelagen, sonst könnten sie aus Langeweile recherchieren.

DaimlerChrysler verhält sich wie die meisten deutschen Firmen. Die Kommunikationschefin von Siemens in Peking ruft grundsätzlich nicht zurück. Wenn man sie in einem seltenen Fall von Glück oder Versehen doch einmal am Telefon erwischt, bemüht sie sich um Informationsverhinderung. Fast alle internationalen Konzerne verteilen bei Pressekonferenzen rote Umschläge mit „taxi money“ an die chinesischen Journalisten, die kritischen Fragen dafür gerne runterschlucken. Der Pressesprecher eines Münchner Halbleiterherstellers hat mich einmal aufgefordert, ihm meinen Artikel vor der Veröffentlichung vorzulegen.

Ich habe den Eindruck, dass das chinesische Verständnis von Presse- und Meinungs- und Informationsfreiheit vielen ausländischen Konzernen gut gefällt. Und nicht nur das. Wenn man in Peking oder Schanghai mit deutschen Unternehmern zusammensitzt und über Politik plaudert, fällt nicht selten der Satz: „Demokratie passt nicht zu China.“ Viele Manager sind zu Freunden der Diktatur geworden.

Westliche Werte gelten den Geschäftsleuten beim Verkauf von Maschinen und Autos in China als geschäftsschädigender Ballast. Als der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau bei einer Chinareise vor drei Jahren mit milden Worten die Durchsetzung von Menschenrechten einforderte, klagten die verärgerten Statthalter der deutschen Industrie über den wirtschaftlichen Schaden, den Raus Rede der deutschen Wirtschaft angeblich bereitet habe. Die Firmen zeigen sich lieber als die untertänigen Freunde der Regierung. Ein deutscher Ingenieur soll vor ein paar Jahren sogar versucht haben, Mitglied der Kommunistischen Partei zu werden. Sein Antrag wurde abgelehnt.

Lange hielt sich im Westen die These, dass der Handel mit China das Land langfristig demokratisieren werde. Das kann heute nur noch behauten, wer Gucci-Brillen und Louis-Vuitton-Handtaschen für eine politische Aussage hält. Chinas Wirtschaftsboom, der sich auch auf Außenhandel und Direktinvestitionen stützt, hat die Kommunistische Partei so stark wie nie zuvor gemacht. Statt die Idee der Demokratie nach China zu tragen, sind ausländischen Firmen aus Angst um Marktanteile zu Gehilfen der KP geworden.

Auf Computermessen in Schanghai und Peking preisen amerikanische IT-Konzerne ohne erkennbaren Scham die Vorzüge ihrer Überwachungssysteme für das Internet. Google zensiert sich gleich selbst und Yahoo gibt Nutzerdaten an die chinesische Stasi, und verantwortet damit die Verhaftung des kritischen Journalisten Shi Tao. „Wir müssen die chinesischen Gesetze respektieren“, sagten die Yahoo-Sprecher.

„Jeder hat [das Apartheidsregime in] Südafrika verurteilt, aber jeder kooperiert mit China“, sagt der Dissident Xiao Qiang, der inzwischen in den USA lebt. „Warum sollte China anders behandelt werden?“, fragt auch die Financial Times.

In den USA wird bereits diskutiert, amerikanische Firmen zu bestrafen, die in China zur Verletzung der Menschenrechte beitragen.

China ist anders aber mehr als nur ein Absatzmarkt. Deutschland hat Grundwerte, die bis nach Asien reichen. Wir können sie China nicht aufzwingen. Aber wir dürfen sie auch nicht vergessen. Das gilt besonders im Zeitalter der Globalisierung.

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