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Das Jahr des dicken Deutschen

Wenn Deutsche in Neuseeland Schlagzeilen machen, dann steht da meistens nichts Gutes drunter. Entweder verlaufen sie sich beim Wandern und kommen in der Wildnis um, oder sie haben irgendwas Komisches ausgefressen. So wie Kim Schmitz aus Kiel-Mettenhof, in meinen Breitengraden als ‚Mr. Dotcom‘ bekannt – und neuerdings sogar beliebt.

Der Megaupload-Gründer, der zum Jahresanfang mit riesigem Helikopter-Einsatz in seiner Villa bei Auckland filmreif festgenommen wurde, hat sich über die Monate zum schwergewichtigen Volksheld gemausert. Was man als Deutscher und als unbescheidener Multimillionär erst mal schaffen muss. Denn uns eilt nicht gerade der beste Ruf vorraus. Und Großkotze haben es in Aotearoa schwer.

Doch Kim Dotcom, immer in schwarz, mit getönter Brille, Käppi und Megadoppelkinn, hat es in der neuen Heimat geschafft: Man lacht nicht mehr über ihn, sogar mit ihm. Eine kleine Spende hier, ein Auftritt dort, ein flotter Song, und plötzlich fliegen dem angeblichen Internet-Rebell die Herzen zu. Man darf ihn nicht mal mehr in der Werbung verarschen.

Die Biermarke ‚Tui‘ wirbt seit eh und je mit dem Slogan ‚Yeah right‘. Der ist ironisch gemeint, denn davor steht immer ein Satz, der so gar nicht ehrlich gemeint ist. Ende November dann das: „She clearly married Dotcom for his body.“ Yeah right. Es hagelte Beschwerden: Was für eine bodenlose Unterstellung, dass Kim Dotcom einen unansehlichen Körper habe und seine hübsche phillipinische Frau ihn nur des Geldes wegen geheiratet habe. Pfui, Tui! Die Plakate wurden schnell überklebt.

Das waren die letzten Schlagzeilen über seltsame Deutsche in diesem Jahr, aber es waren nicht die einzigen. Ebenfalls im November kam es zum Eklat um die Gruppe ‚Wise Guys‘. Neuseelands Schüler mussten in ihren Abschlußprüfungen im Fach Deutsch dem Song ‚Relativ‘ lauschen – und sie verzweifelten. Einige brachen gar in Tränen aus und verließen das Zimmer. Es muss wohl an der Textzeile „Ich nehme an, im Bett wäre mit dir relativ viel machbar“ gelegen haben.

Besonders schockierend, so wurde kolportiert, sei die Anzüglichkeit des harmlosen Liedchens gewesen. Wer’s glaubt… Was man sich in einem Land, das statistisch die promiskuitivsten Jugendlichen hat, nicht alles so einfallen lässt, um um eine schlechte Note herumzukommen. Das Goethe-Institut in Wellington ließ sich ebenfalls was einfallen und konterte mit einem T-Shirt, auf dem stand: „Deutsch ist sexy“. Auch nicht so glaubhaft – aber ein Geschenk für alle, die die Prüfung mit Auszeichnung bestehen.

Völlig unter ging in all dem Tohuwabohu eine andere Nachricht: Der Künstler Ralf Witthaus bohrte sich von seiner Heimatstadt Löhne in Ostwestfalen symbolisch in den Botanischen Garten von Auckland. Das Bohr- bzw. Mähloch, das aus einer Rasenrasur bestand, war Teil seines Projekts „Die Internationale Rasenschau 2012“. Daraus lässt sich leider keine Bierwerbung machen und auch kein flottes T-Shirt, aber wenn das das nicht eine Meldung wert ist! Was für ein Jahr.

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