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Die goldene Sonne

Das Jubiläumsjahr beginnt mit einer Farce: 2016 jährt sich Maos Todestag zum 40.Mal. Und dafür errichteten Dörfler in der zentralchinesischen Provinz Henan dem auch gerne als “Rote Sonne” verherrlichten Großen Vorsitzenden klammheimlich eine goldene Statue. Nicht irgendeine. Nein, die größte der Welt, 36,6 Meter hoch.

MaoStatueScreenshot

Plötzlich tauchten Fotos des goldenen Giganten, umgeben von brauner Erde und bräunlichem Smog, auf. Und sorgten für Unruhe. Im chinesischen Internet. Für das Geld hätte man doch lieber lokale Schulen bauen sollen, empörten sich Netizens. Und bei der Führung. Die ließ den sitzenden Riesenmao nur wenige Tage nach Auftauchen der Fotos wieder abreißen. Das Parteiorgan Volkszeitung bestätigte das und zitierte Offizielle, der Bau habe nicht den nötigen Genehmigungsweg durchlaufen. Wer auf welcher Ebene den Abriss beschloss, weiß niemand. Der britische Guardian zitiert einen Anwohner des betroffenen Dorfes Zhongshigang mit den Worten, er habe keine Ahnung, wer den Abriss befohlen habe, die Arbeiter habe er vorher noch nie gesehen (hier). Irgendwie typisch für China.

Die Mao-Verehrung auf dem Land nehme zu, schreibt die Zeitung Global Times. Demnach bauen Dörfler in mehreren Provinzen Schreine und Tempel für die “Rote Sonne” (hier). In der Unruhe über die verwirrenden und wechselhaften Zeiten der Gegenwart sehnen sich manche offenbar nach der kargen Einfachheit der Mao-Jahre – und verdrängen dabei den Irrsinn der Kulturrevolution oder die Hungersnot, die Maos “Großer Sprung nach Vorn” ausgelöst hat. Sie wollen etwa Maos Geburtstag, den 26. Dezember, zum Nationalfeiertag erheben. Nostalgie vermische sich mit Volksglauben, so die Global Times, und berichtet von der kürzlichen Einweihung einer bronzenen Mao-Statue für einen taoistischen Tempel, bei der in Jingyuan in der Nordostprovinz Gansu neben den Mönchen auch ein extatischer Schamane mitgewirkt habe. Bereits vor über zehn Jahren orderte die KP den Abriss eines Mao-Tempels in der Südprovinz Guangdong: Der Vorsitzende sei schließlich Atheist gewesen. Die Dörfler aber ignorierten das Verbot und errichteten den Tempel heimlich neu. Der Dorfparteichef ging sogar hin, um für seine Wiederwahl als lokaler KP-Vorsitzender zu beten. Selbst Parteichef Xi Jinping, dem vielfach eine Wiederbelebung maoistischer Kampagnenpolitik nachgesagt wird, sagte kürzlich, dass Revolutionsführer nicht wie Götter verehrt werden dürften. In Jingyuan aber beten die Dörfler nun in ihrem Tempel zu Mao um Babys, Gesundheit oder Reichtum – so wie ihre Vorfahren es zu den von Mao verbotenen Gottheiten wie dem Jadekaiser oder dem Reichtumsgott taten.

Beinahe drei Milliarden Yuan (419 Mio Euro) soll der goldbepinselte Riesenmao gekostet in Henan haben, bezahlt von lokalen Unternehmern und Anwohnern des Dorfes Zhushigang in der zentralchinesischen Provinz Henan. Laut Global Times fühlen sich viele solcher glühenden Mao-Verehrer zunehmend marginalisiert. Das ist wohl wahr. In den Metropolen dürfte sich die Trauer um den gefallenen Goldriesen in engen Grenzen halten.

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