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Rausschmiss aus dem Euro

Busfahren in Athen macht wieder Spaß. Nicht nur weil der Verkehr so ruhig dahinplätschert wie in einer bayerischen Kleinstadt, seit so viele Menschen ihre Autos wegen der Krise verkauft oder abgemeldet haben. Nein, was mich freut, ist, dass ich endlich wieder hoffnungsvolle Gesichter sehe. Glänzende Augen, stolze Mienen. Heute Morgen zum Beispiel: „Zwei zu eins“, sagt ein ansonsten eher unscheinbarer kleiner Herr und blickt fordernd in die Runde. Zufriedenes Nicken. „Drei zu zwei“ setzt sein Nachbar drauf. Das war gewagt, kommt aber gut an. Die Europameisterschaft. Deutschland gegen Griechenland. Aus griechischer Sicht das Spiel der Saison, des Jahrzehnts, des Jahrhunderts. Der Bus legt sich in die Kurve. „Wir kicken sie aus dem Euro“, trumpft der kleine, eher unscheinbare, auf. Breite Zustimmung. „Euro“ bezeichnet auf griechisch sowohl die gemeinsame Währung als auch die Europameisterschaft. Die Aussprache ist zwar nicht identisch, aber wen kümmert das schon. Die Griechen wittern ihre historische Chance, da ist man nicht kleinlich. Sie seien faul, mussten sie sich die letzten zwei Jahre anhören, sie seien nicht nur pleite sondern auch tief in Schuld verstrickt und könnten Absolution nur erlangen, wenn sie ihre Inseln verkauften oder besser gleich die Akropolis. Die Griechen revanchierten sich mit Fotomontagen, die Angela Merkel in Naziuniform zeigten. Half alles nichts. Die Staatsverschuldung stieg, die Simmung sank. Zuletzt in den Keller. Nun aber geht es aufwärts. „Am Freitag zeigen wir es den Deutschen“, hakt der eher unscheinbare kleine Herr im Bus nach. Jemand anders hat eine bessere Idee. Bombensicher sei sie: Man sollte auf eine haushohe Niederlage der eigenen Mannschaft wetten, die Deutschen gewinnen lassen – und Griechenland mit dem Wettgewinn freikaufen.

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