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25. Türchen: 4 Tokyo Top Views

Lebensperspektive nicht verlieren, Überblick beibehalten und das Gefühl haben, Teil des Ganzen zu sein: Tokio liefert dazu den idealen Background. Hier meine vier Lieblingsrückzugsecken:

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1. Für einen guten Drink, Schwatz oder Tagtraum: Bar im Park Tower Shinjuku, 41. Stock (….ja, genau dort hat Sofia Coppola Lost in Translation gedreht). Den besten Chocolate Martini der Welt schlürfen, mit dem guten Gefühl zu wissen, dass bei einem Erdbeben ein 20 Meter langes eingebautes Pendel den Wolkenkratzer ausbalanciert.

 

2 - top view tokyo outside Sky Deck

2. Für einen Spaziergang wie auf einem Flugzeugträger: Open Sky Deck Mori Tower. Das Flachdach schwebt 238 Meter über dem Stadtviertel Roppongi. Darunter, im 52. Stock, im Mori Museum, ist der Ausblick auch nicht schlecht, doch stört die Glaswand.

 

3. Für ein konzentriertes Schreiben: Zimmer im Shibuya Tokyu Excel Hotel. Fernsehproduzenten sperren hier gern ihre Autoren ein, damit sie die Deadline schaffen. Vom Schreibtisch fällt der Blick hinunter auf die verrückteste Kreuzung der Welt.

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4. Für ein entspanntes „Ich-muss-mal-eben“: Die öffentliche Toilette im 19. Stock vom Mains Tower beim Shinjuku Süd-Exit – über den Dächern Tokios.

 

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24. Türchen: St. Johannes Nepomuk, Prag

sankt_johannes_nepomuk2-bEin bisschen versteckt liegt diese Kirche, die selbst für Prager Verhältnisse – und nicht umsonst wird Prag „die hunderttürmige Stadt“ genannt – ein Traum ist. Sankt Johannes Nepomuk heißt sie, und wie fast alle Prager Kirchen trägt sie einen Beinamen: „auf dem Felsen“ lautet der, denn tatsächlich steht die Kirche in der Nähe des Karlsplatzes (Karlovo námestí) hoch erhaben auf einem Felsblock. Warum ich hier gerne bin? Während draußen der Adventstrubel tobt, herrscht hier innen eine geradezu kontemplative Ruhe, die nur ab und zu von der vorbeirumpelnden Trambahn unterbrochen wird. Der Barockbaumeister Kilian Ignaz Dientzenhofer hat die Kirche entworfen, und sie ist ein Paradebeispiel für die verschwenderische Fülle des böhmischen Barock. Die Kirchen, so war damals die Überzeugung der Bauherren, sollen in ihrem Glanz schon die Freuden des Himmelreichs vorwegnehmen. In der Nepomuk-Kirche feiert heute die deutschsprachige Gemeinde Prags ihre Gottesdienste, immer sonntags um 11 Uhr.

 

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23. Türchen: Dronning Louises Bro

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“Typisch Skandinavien: trostlos im Winter, aber kommen Sie mal im Sommer wieder.”

Abgesehen von den langen Tagen im kurzen Sommer ist das Sonnenlicht in Nordeuropa Mangelware wie Schnee auf Sizilien. Deshalb ist es gut, dass es in Kopenhagen Dronning Louises Bro gibt. Die Brücke dürfte der Ort im Zentrum der Hauptstadt sein, an dem es an jedem Tag des Jahres die meisten Sonnenstunden (oder -sekunden) gibt.
Sobald im Frühjahr die ersten Sonnenstrahlen warm genug sind, um sich draußen aufzuhalten, sitzen hier die Kopenhagener nach Feierabend bei mitgebrachtem Kaffee und Bier auf den Bänken und dem Brückengeländer. Ab und an spielt jemand live Musik, häufiger legt ein mobiler DJ auf und der breite Bürgersteig wird dann zur Tanzfläche. Sollte die Sonne sich zwischen November und Februar dochmal zeigen, sitze ich selbst im Winter dort.

 

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21. Türchen: am Hafen, in Lyttelton

Lyttelton HafenIch habe Glück, dass ich da wohne, wo ich am liebsten bin: in Lyttelton, dem Hafen von Christchurch. Die Schiffe und Kräne erinnern mich etwas an Kiel und Hamburg, wo ich lange gelebt habe. Aber man hört zwischen den Hafengeräuschen viel Vogelzwitschern. Und manchmal sogar Schafe blöken. Die sanften grünen Hügel drumherum und die Meeresbucht – eigentlich ein toter Vulkankrater – sind Balsam für Auge und Seele. Im Sommer schwimme ich hier auch gerne meine Bahnen zwischenden Bojen. Aber das Schönste an Lyttelton sind die Kneipen und Cafés, der unkonventionelle “vibe” dieses Ortes, wo einige von Neuseelands besten Musikern, Künstlern und Freigeistern leben Eine kleine, feine Oase, die man am Rande dieser noch immer zerstörten Stadt kaum vermutet. Mein Dorf ist mir in den letzten zehn Jahren sehr ans Herz gewachsen.

 

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20. Türchen: Auf dem Turó de la Rovira

Zum ersten Mal war ich mit einem Fernseh-Team auf dem Turó de la Rovira. Das war vor fünf Jahren. Außer uns genoss damals nur ein einsamer Hundebesitzer die grandiose Aussicht über die Stadt. Dank Twitter, Instagram und Co. ist der Turó de la Rovira inzwischen der bekannteste „echte Geheimtipp“ der Stadt. Unter den amüsiert bis skeptischen Blicken der Anwohner ziehen jeden Nachmittag Grüppchen mit Plastiktüten auf den Berg, setzen sich auf die Mäuerchen des alten Luftabwehrstützpunkt aus dem Bürgerkrieg oder breiten auf den Kachelböden der Baracken, die hier einst standen, ihre Picknickdecken aus. Inzwischen hat auch die Stadt das Potenzial ihres schönsten Aussichtspunkts entdeckt und lässt die Auffahrtstraßen neu pflastern. „Demnächst verlangen sie bestimmt Eintritt“, unkte jüngst ein Bekannter. Linksalternative Bürgermeisterin hin oder her: In einer marketingtechnisch so gewieften Stadt wie Barcelona lässt sich das nicht ausschließen. Also nichts wir rauf auf den Berg! Am einfachsten geht es mit dem Bus V17: einfach bis zur Endstation durchfahren.

 

 

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19. Türchen: Am Mount Cameroon

Auf dem Gipfel des Mount Cameroun

Blick vom Mount Cameroun ins Tal auf Buea

Regenwald in Kamerun, am Fuß des Mount Cameroon. Wer den Mount Cameroon besteigt, kommt in kurzer Zeit durch die unterschiedlichsten Vegetationszonen, darunter Bergregenwald. Der rund 4000 Meter hohe Gipfel liegt alleine in der Nähe des Meeres. Von oben liegt einem die Welt, das Meer und nachts die Lichter der kleinen Stadt Buéa.

 

 

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18. Türchen: Ein Gruß aus dem “sehr smarten Wladiwostok”

Uliza_Admirala_Fokina

Uliza_Admirala_Fokina

12 Autostunden trennen Wladiwostok von Chabarowsk, der nächsten großen Stadt, 8 Flugstunden von Moskau. Eine gefühlte Insel, von der einen Seite drängt der Stille Ozean, von der anderen die endlosen Urwälder der eurasischen Taiga.

Eine schräge Stadt jenseits von Sibirien, dicht bebautes Pazifiksteilufer, viele Bars und Cafés und Geschäfte hier tragen ziemlich polyglotte Namen: „Pinguin“, „Nasch Whiskey Bar“ oder „Geblümter Blues“. Die Straßen dazwischen verwandeln sich bei Frost oft in ein Labyrinth aus Eisbahnen. Und in einer rutschigen Steilkurve über dem Goldenen Horn von Wladiwostok parkt ein Nissan-Jeep. Eine junge Frau sitzt drin. Wo es hier zur Puschkinstraße geht? „Sie sind wohl fremd hier?“, ihre schwarzen Augen mustern mich besorgt. „Kommen Sie, steigen Sie ein, ich fahre Sie hin.“ Die Leute hier erzählen stolz, Wladiwostok sei die einzige russische Großstadt, in der andere Autofahrer anhielten, um zu helfen, wenn jemand im tief verschneiten Straßengraben gelandet ist, statt ihn seinem Schicksal und den Abschleppdiensten zu überlassen.

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16. Türchen: Kafanas – von Rauchschwaden umgegeben

rauch 01“Lullen, mein Belgrad & ich” – So hieß die Reportage im “THE WEEKENDER”, in der ich über meine Geburtstadt sinniert habe. Das Foto hat Dagmar Morath geschossen, und wie man sieht, ich habe den Fototermin genossen.

Belgrad ist eine der wenigen Städte dieser Erde, die Raucher glücklich macht. Du kannst, du darfst, und wenn du nicht magst, kannst und nicht willst, bekommst du in einem Restaurant eine Extra-Nichtraucherecke zugewiesen. Allerdings, seltener in einer der Kneipen, die es nur in Belgrad und auf dem Balkan gibt und die hier “Kafana” heißen. “Kafana’s” sind heilige Orte, in denen man nur ein Tässchen Kaffee schlürfen und stundenlang in der Zeitung blättern kann, aber auch einen “Kalbskopf im Saft” oder “Rinderhoden, paniert” verzehren darf. (Auch weniger exotische Gerichte wie eine einfache Bohnensuppe stehen auf der Karte.)
Hier kehren Opa samt Enkelkind, Liebende und Geschiedene, Arbeitslose und Anwälte, Nachbarn und Unbekannte ein. “Kafana” ist eine Oase der Zeitlosigkeit und Ruhe, von dicken Rauchschwaden umgeben. Diese zeigen –  Nichtraucherecken sind hier selten.

 

 

 

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15. Türchen: Taman Sari – über den Dächern des Sultans

Taman Sari_Mauer_2Die meisten Besucher kommen in die indonesischen Kulturmetropole Yogyakarta, um die weltberühmten Tempel Borobudur und Prambanan zu besichtigen, um auf den immer qualmenden Vulkan Merapi zu steigen oder um den Palast des immer noch amtierenden Sultans zu besichtigen. Viel spannender als der eigentliche Palast ist allerdings der ehemalige Lustgarten um das UNESCO-geschützte Wasserschlösschen Taman Sari: Im 18. Jahrhundert angeblich von einem Portugiesen in einem javanisch-chinesisch-europäischen Mischstil erbaut, diente das luftige Schlösschen als Unterkunft für den Harem des Sultans, der dort gleichzeitig eine Art privates Spa eingerichtet hatte. Auf dem Weg dorthin liegt eine unterirdische Moschee und ein Tunnel, durch den die hohen Herrschaften bei Gefahr sogar zu Pferd fliehen konnten. Heute ist das Gebiet labyrinthartig zugebaut mit kleinen Batik-Workshops und Privathäuschen der Palastangestellten, die sich gern als Fremdenführer etwas dazuverdienen. Mein Lieblingsplatz ist der letzte Rest der alten Befestigungsmauer hinter dem traditionellen Ngasem-Markt: Hier oben weht immer ein leichter Wind und man hat einen schönen Blick über die Altstadt – am beeindruckendsten kurz vor der Abenddämmerung, wenn die Moscheen zum Abendgebet rufen.

 

 

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13. Türchen: Birdwatching im Hula-Tal

Zweimal im Jahr wird Israel zum Paradies für Vogelliebhaber. Das reisende Federvieh scheut den langen Flug übers Meer und wählt als Route zwischen Afrika und Europa eher den Landweg. 500 Millionen Kraniche, Störche, Pelikane und zahlreiche andere Vogelarten bevölkern einmal im Frühjahr und einmal im Herbst den Himmel über Israel. Viele Vögel steigen für eine Nacht oder länger im Hula-Tal ab, einst Sumpf und heute  Naturschutzgebiet, das unter den Tieren vor allem für seine endlosen Futtervorräte beliebt ist.

 

 

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12. Türchen: Windrauschen über Rio

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Wenn ich mitten in Rio in nahezu unberührter Natur ausspannen will, steige ich im Stadtteil Botafogo 200 Meter hoch auf den Hügel der Favela Morro da Babilonia. Da oben rauscht der Wind zwischen  Felsen und Bäumen, und Vögel baden in natürlichen Wasserbecken. Es gibt auch geführte Touren.

 

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11. Türchen: Auf einen Kaffee in Beirut

TB_052315_Beirut_028Einen Kaffee trinke ich am liebsten in der Bar Internazionale im Viertel Mar Mikhael. Im Sommer stehen dort draußen Bierbänke, wo man schnell mit anderen Kaffeeliebhabern ins Gespräch kommt. Außerdem liegt das Café genau gegenüber des besten Gemüsehändlers in der Gegend. Während man an seinem Getränk nippt, kann man beobachten, ob an diesem Tag wieder frische Avocados oder Pampelmusen geliefert werden.

 

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Nicht fair, aber

Nicht fair, aber

044ba57e-919a-4fd9-828d-cdbc480008bd Wenn sich rundherum Kolleginnen und Kollegen bei unserem regnerischem Mistwetter nach Südafrika oder Asien verabschieden, dann ist es höchste Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Wer kann, freut sich mit ihnen. Wer nicht kann, vermeidet in diesen Tagen Facebook und andere sozialen Netzwerke. Aber wer schlau ist, plant seinen eigenen Urlaub. Und das ganz strategisch.

Deshalb streng unter uns: Ich arbeite derzeit an einer umfassenden Strategie was unseren nächsten Sommerurlaub angeht. Dies ist insoweit schon bemerkenswert, als wir den diesjährigen Sommerurlaub zwei Tage vor Antritt desselben immer noch nicht geplant hatten.  Wirklich genial an meinen jetzigen Vorbereitungen ist aber, dass ich anders als sonst mich mit Urlaubsideen nicht an meine Frau wende, auch wenn dies  vielleicht fair wäre. Nein, ich bearbeite die Kinder. Ganz subtil.

Ausgangspunkt dieser Überlegung ist ein sagenhaftes Mini-Kinderbuch („Pixi-Buch“), das wie auch immer in unseren Besitz kam und ein Dauerbrenner ist. Vordergründig ist es ein Buch über eine Kindergartengruppe, die einen Garten anlegt. Hintergründig ist es eine perfide Schleichwerbung für  – Achtung – „Genossenschaftsbanken“. Zitat aus meiner Lieblingsszene: Die Familie sitzt am Frühstückstisch, da fragt Sohn Bruno unvermittelt: „Papa, was ist eigentlich eine Genossenschaftsbank?“ Diese durch und durch alltägliche Kinderfrage beantwortet „Papa“ natürlich mit Bravour.

IMG_1114Was Genossenschaftsbanken können, können andere schon lange. Auf einem Flohmarkt fand ich kürzlich in einem Stapel solcher Mini-Büchlein eines unter ungefähr 1500, das wir nochnicht hatten. Es ging um Campingurlaub… Sie ahnen, wohin meine perfide Idee führt: Ich würde gerne mal mit allen campen, meine Frau nicht. Also heißt es, Mehrheiten in der Familie zu beschaffen. Ich kaufte das Buch. Mindestens einmal täglich lese ich das von einem europaweiten Campingplatz-Vermarkter geschriebene Buch vor. Meine Strategie sieht vor, die Figuren der überglücklichen Kinder „Johanna“ und „Thomas“ nach und nach mit den realen Namen meiner Kinder zu ersetzen, um die Identifikation noch zu steigern….genial? Ich weiß.

Natürlich denke ich schon längst darüber nach, selber solche Bücher zu schreiben. In einem könnte es zum Beispiel darum gehen, dass es Familie Müller immer total super findet, wenn der Papa samstagnachmittags ins Stadion geht und danach noch durch die Kneipen zieht. Auf der letzten Seite würde man dann Mama, Tochter und Sohn sehen, die dem Papa winken und rufen: „Viel Spaß Papa! Lass es richtig krachen!“

 

 

 

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10. Türchen: ein Sonnenstrahl in Hampstead Heath

Pergola_BildParks gibt es in London genug, aber wenige sind so hübsch wie der Pergola-Garten in Hampstead Heath. Besonders im Winter, wenn der Wind Kälte und Regen durch die Londoner Straßen treibt, findet der Besucher hier zumindest optisch etwas südländisches Flair. Und weil sich das englische Wetter schnell ändert, besteht auch immer Hoffnung, dass beim Flanieren durch die hundertjährige Pergola ein Sonnenstrahl durch die Wolken bricht.

 

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9. Türchen: Bains des Paquis, Genf

bains_des_paquisIm Sommer ein Freibad mit Fünf-Meter-Brett, im Winter eine Sauna- und Hamamlandschaft – und rund ums Jahr ein Café mitten im Genfer See: In den Bains des Paquis treffen Diplomaten, Kernphysiker, Banker und Busfahrer aus allen 193 Nationen zusammen, auch weil die Preise moderat sind. Ein Abbild Genfs im kleinen und deshalb für mich der schönste Ort der Stadt.

 

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8. Türchen: Playa del Rey – wo ich hingehe, wenn mich der Bürokoller überkommt

IMG_6963Playa del Rey ist zehn Minuten mit dem Auto von meinem Studio in Los Angeles entfernt. Der Strand ist nicht so lang, weiß und malerisch wie die von Venice und Santa Monica. Statt Pier und Riesenrad gibt’s eine Raffinerie. In der Ferne ankern Ölfrachter in Warteschlange vorm Containerhafen und über mir starten Flieger direkt vom internationalen Flughafen in den meist wolkenlosen Himmel. Meist sind wir Einheimischen deshalb hier unter uns mit der Aussicht auf Wasser und Berge. Playa del Rey ist der perfekte Ort für Momente, in denen ich mal schnell richtig Abstand brauche.

 

 

 

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Auf Spitzbergen sind sich Klimaforscher und Klimakiller ganz nah

Es muss einer der imposantesten Flugrouten der Erde sein. Wenn freie Sicht herrscht, sind aus dem Kabinenfenster des Jets riesige Schneelandschaften oder der dunkelblaue Nordatlantik zu sehen. Manchmal gar beides.

Doch die gute Aussicht hat ihren Preis: Um mit dem Flieger nach Spitzbergen – immerhin 2000 Kilometer nördlich von Oslo und nur noch rund 1300 Kilometer vom Nordpol entfernt – und zurück zu reisen und dort internationale Klimaforscher zu treffen, wird pro Person laut Emissionsrechner MyClimate ab Berlin über eine Tonne CO2 ausgestoßen. Das ist mehr als die Hälfte des akzeptablen Jahresverbrauchs. Ziel der Reise: UNIS, das Universitätszentrum Spitzbergen, in Longyearbyen sowie Kingsbay, die internationale Forschungsstation eine halbe Flugstunde weiter nördlich. „Hier oben ist ein guter Ort, um Auswirkungen des Klimawandels zu studieren“, so Kim Holmén, internationaler Direktor des Norwegischen Polarinstituts.

Dass Forscher, Politiker und Journalisten, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, wohl oder übel fliegen müssen, um ans Ende der Welt zu kommen und die Konsequenzen menschlichen Konsums zu untersuchen, zu diskutieren und zu beschreiben, mag noch einleuchten. Schließlich ist das Aufklärung in unser aller Interesse. Oder ist das nur eine schlechte Entschuldigung? Wo hört die Notwendigkeit auf? Kognitive Dissonanz nennen Psychologen es, wenn man wider besseren Wissens und gegen seine Überzeugungen handelt.

Dass jegliche Form von CO2-Ausstoß schlecht fürs Klima ist, ist seit langem bekannt. Ebenso, dass Fliegen besonders schädlich ist. Genauso wie die Stromerzeugung mittels Kohle, die deswegen häufig als „Klimakiller Nummer 1“ bezeichnet wird.

Dennoch lässt der norwegische Staat sich nicht nehmen, auf Spitzbergen die Klimaforschung und die Erderwärmung gleichermaßen zu unterstützen. Die Regierung fördert nämlich nicht nur die internationale Forscherbasis in Ny Ålesund, sondern subventioniert auch den Kohlebergbau auf der Inselgruppe. „Das ist ein Paradox, das wir wirklich nicht brauchen“, urteilt Lars Haltbrekken, Chef von Naturvernforbundet, dem norwegischen Pendant zum Bund für Umwelt- und Naturschutz, der sie Jahrzehnten gegen Kolhleabbau auf Spitzbergen kämpft. „Und eine ziemliche Doppelmoral ist, dass Norwegen international gegen die Kohle kämpft, aber auf Spitzbergen selber welche gewinnt“, sagt Haltbrekken. So hat der norwegische Staatsfonds erst in diesem Jahr beschlossen, nicht mehr in Unternehmen, die sich zu stark in Kohle engagieren, zu investieren. „Das war ein großer Sieg. Dass wir den Rohstoff aber selber weiter nutzen, zeigt, dass es viel einfacher ist, anderen zu sagen, was sie ändern sollen, als selber etwas zu tun“, sagt Haltbrekken.

Mehr steht in meinem aktuellen Artikel für Zeit online.

 

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7. Türchen: Wandern an der chinesischen Mauer

Um dem Lärm und dem Smog Pekings zu entkommen, gibt es kein besseres Ziel als die nahe liegenden Berge, auf deren Rücken sich die Große Mauer scheinbar endlos entlangzieht. Wer die für Touristen ausgebauten Stellen meidet, kann stundenlang wandern, ohne Menschen zu begegnen. Die Liste der guten Stellen ist laaaang … Zwei besonders schöne Routen sind 1) von Hang Ling nach FangKou, 2) von Shi Dong nach Da Ying Pan.

 

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6. Türchen: ein Aperitivo über den Dächern von Florenz

Bueld Campetti - Cafe 02Selbstverständlich kann man in der Caffetteria delle Oblate, Via dell’Oriuolo 26, tagsüber in Ruhe einen Cappuccino oder gegen Abend einen Aperitivo trinken. Doch stört sich niemand daran, wenn ich mich in der offenen Dachloggia des ehemaligen Frauenklosters einfach nur an einen Tisch setze, um den prachtvollen Blick auf die nahe Domkuppel zu genießen und dabei gratis im Internet surfe. An Sommerabenden gibt es, allerdings nicht kostenfrei, zudem Konzerte, Vorträge oder Lesungen.

 

 

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5. Türchen: Joggen in Neu Delhi

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Morgens zwischen 6 und 8 Uhr in den Park von Humayuns Tomb, weil dort dann nur Anwohner der angrenzenden Kolonie Nizamuddin East Zugang haben. Der spektakulärste Jogging Track der Welt.

 

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4. Türchen – … Stöbern bei Ioulia Tsiakiris

In Athen gibt es sie noch, liebevoll geführte Verlagsbuchhandlungen, und die „fotagogos“ ist meine liebste. Sie ist in einer der wunderbaren Athener Passagen im Bauhausstil gelegen, Terrazzoboden und Industriechic inclusive. Und drinnen? Drinnen erzählt die Verlegerin Ioulia Tsiakiris jedem, der zuhören mag, von ihren Lieblingsbüchern, von der Ausstellung, die sie im Nebenraum aufbaut, von ihren Katzen und ihrem verstorbenen Mann. Eine Reise durch die Zeit, aus der Zeit.

 

 

 

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Nummer 355 – Massaker in Kalifornien

14 Tote, 21 Verletzte. 65 Schüsse in der Behinderteneinrichtung, 76 Schüsse auf Polizisten, 380 Schüsse von Polizisten. Ein Dutzend Rohrbomben. Tausende von Pistolen- und Gewehrkugeln. Zwei Verdächtige, zwei tote Verdächtige.

Mit Zahlen versuchen wir das, was am Mittwoch in San Bernardino geschah, zu begreifen.

Wir ergänzen sie mit Hintergrundinformationen: ein Streit auf einer Weihnachtsfeier. Eine Stadt in Armut. Tägliche Gebete in einer Moschee. Lücken in den Waffengesetzen.

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Wir sehen Leid, Ärger, Angst, Entschlossenheit und Mitgefühl.

Wir haben das alles schon viel zu oft gesehen: Sondereinsatzkommandos, weinende Menschen, klagende Menschen, Mahnwachen, Gottesdienste, Kerzen, Blumen, Teddybären.

Die Medien reagieren routiniert – auf dem Boden, aus der Luft, in Social Media.

Polizei, FBI, Krankenhäuser und selbst Angehörige der Opfer informieren uns professionell mit regelmäßigen updates, mehr Zahlen und emotionalen Statements.

Ein Imam erzählt von hasserfüllten Nachrichten auf dem Anrufbeantworter im Büro seiner Moschee. #MuslimKillers wird zum Twitter-Trend. Im Kongress werden die üblichen Verdächtigen befragt und geben ihre üblichen Antworten: “Mehr Waffenkontrollen!” sagen die einen “Mehr Waffen!” die anderen, und wer sich raushalten will sagt “Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern.”

Dies war die 355. Massenschießerei in den USA in diesem Jahr. Das Kriterium für diese Zählung: mehr als vier Menschen werden getötet oder verletzt. Die Täter kamen aus unterschiedlichsten Milieus, gehörten unterschiedlichsten Religionen an, waren alt und jung, Einzelgänger und Familienväter.

Ich schreibe das alles auf, lese, höre, schaue und versuche, zu verstehen: warum?

Unmöglich!

Kalifornien hat die strengsten Waffenkontrollen der USA. Trotzdem bekamen die Täter Gewehre, Pistolen, Bomben und kistenweise Munition. Mehr Gesetze reichen nicht. Irgendwas läuft grundsätzlich schief in diesem Land. Um das zu verstehen muss man mehr als Zahlen und erste Berichte sehen. Muss nachhaken, zuhören, genau hinschauen.

Doch bevor dafür Zeit ist, zieht die Medienkarawane schon weiter. Zur nächsten Massenschießerei.

Ich nehme mir vor, zu bleiben.

 

 

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Ist “Christmas” politisch korrekt?

Bei uns ist es im Juli Winter und im Dezember Sommer. Verdrehte Welt auf der Südhalbkugel. Wenn es auf Weihnachten zugeht, ist auch die Stimmung das komplette Gegenteil von germanischem Brauchtum: Partys und Prosecco statt Blockflöten und Besinnung. Woran ich mich auch nach einem Jahrzehnt nicht gewöhnt habe: Ab jetzt laufen sogar die Uhren rückwärts.

Aus Deutschland kannte ich den alljährlichen Ablauf so: Zum ersten Advent backt man Plätzchen und bastelt einen Kranz. Mitte Dezember stürzt man sich frühestens in die Weihnachtseinkäufe. Der Tannenbaum wird erst am Nachmittag des Heiligabends dekoriert. Und am 25.12. ist alles vorbei. Aber hier, im tiefen Süden? Entgegengesetzter Fahrplan, verschärft durchs Immigrantendasein.

Vor zwei Wochen wurde es endlich warm und sonnig. Das erste Bad im Meer, das erste Grillen im Garten, ein Mückenstich gar. Und die ersten glitzernden Rentier-Dekos in den Billigshops. Au weia. Nicht nur droht jetzt die „silly season“ mit Promille – nein, viel schlimmer, ich habe den Paketstopp verpasst. Das ist der Termin gegen Ende November, den die neuseeländische Post als letzte Chance verkündet, um rechtzeitig Weihnachtspäckchen nach Europa abzuschicken.

Geschenke für die Lieben in 18.000 Kilometer Entfernung sind das erste, woran man hier noch lange vor dem ersten „Jingle Bells“ denken muss. Adventskalender, Kranz und Plätzchen sind Kiwis herzlich egal, aber als Familie mit Migrationshintergrund sitzen wir zwischen allen Stühlen. Der Tannenbaum gehört nach angelsächsischer Tradition schon jetzt dekoriert ins Wohnzimmer, aber bei uns taucht er halbherzig um den 20. herum auf. Heiligabend gibt’s eh nicht, Bescherung erst am 25. morgens. Keine gefüllten stockings am Kamin, dafür Erzgebirgsengel. Statt Lunch und Strand abends Braten mit deutschen Freunden. Als Kompromiss dazu knallende Christmas Crackers. Ein mutierter Multikulti-Hybrid ist dieser ganze heilige Bimbam! Da kommt man zwischen Sommerhitze und Kerzenschein ganz schön ins Schwitzen.

Susan Devoy hat daher mein ganzes Mitgefühl. Sie ist die Vorsitzende der „Race Relations“-Kommission und hat sich jetzt pünktlich zum ersten Advent voll in die Mistelzweige gesetzt. Denn ARMS, die Flüchtlingshilfe Aucklands, hat zu seiner jährlichen Migrantenverköstigung mit den neutralen Floskeln „happy holidays“ und „season’s greetings“ eingeladen, um damit keine Religion auszuklammern. Susan Devoy fand es auf Nachfrage völlig korrekt, dass das C-Wort nicht vorkam.

Ein Shitstorm ging daraufhin über der guten Frau nieder: Sie wolle Weihnachten abschaffen! Politisch korrekter Wahnsinn! Kultureller Ethno-Terror! Ein rechter Blogger fragte sich, was Susan Devoy und ISIS-Führer Baghdadi gemeinsam hätten: „Sie beide wollen alle Spuren des Christentums beseitigen.“ Leider griff niemand der Erbosten die hervorragenden Alternativvorschläge der Fernsehserien Seinfeld und The OC auf: „Festivus“ oder „Christmukkah“. Devoys letzte Worte klangen wie ein Stoßseufzer: „Merry Christmas, und möge Friede auf Erden herrschen.“xmas

 

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3. Türchen: L’ Amour

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Paris kann stressen – gerade in Touristenecken wie Montmartre. Wenn ich in dieser Ecke zu tun habe, flüchte ich nach dem Termin manchmal in das Hotel Amour in der Rue de Navarin (9. Arrondissement). Hier gibt es ein Restaurant/Café (12-18 h), das nicht nur den Hotelgästen vorbehalten ist und in das auch die Pariser gern gehen. Ein schöner Wintergarten, Steinboden, rote Lederkissen, nachmittags ein Tee und ein Stück Käsekuchen. Ob als Liebespaar oder alleine: Da lässt es sich schön vor der Welt verdrücken.

 

 

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2. Türchen: Warme Chocolademelk

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“de badmeester” – “der Bademeister” heißt eine meiner Lieblingsbrasserien, denn sie liegt mitten in den Dünen am Wassenaarseslag. Das ist mein Lieblings-Nordseestrand, denn hier zwischen Leiden und Den Haag ist alles noch naturbelassen, hier können sich sowohl Zwei- als auch Vierbeiner auf dem Sand so richtig austoben. Im “Badmeester” sitze ich im Winter gerne nach einem Strandspaziergang, um mich, nachdem ich dem Nordseewind getrotzt habe, bei einer “warme chocolademelk” oder einem Grog, der die Wangen noch röter werden lässt, wieder aufzuwärmen. Bei schönem Wetter und höheren Temperaturen lasse ich mich mit Freunden gerne auf der Terrasse nieder, bei einem “biertje” oder einem Glas Weißwein (mit Schollenfilet, lekker!). Dann verfolge ich das Treiben unten auf dem Strand und kann bei klarem Wetter bis nach Noordwijk im Norden und Scheveningen im Süden gucken.

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1. Türchen: Mit der Vorortbahn ans Meer

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Wenn ich in der Vorortbahn TGM von Tunis ans Meer fahre und ein Buch raushole, dann fühle ich mich fast wie im Urlaub. Dass die Bahn, die nach ihrer Strecke von Tunis über Goulette nach Marsa benannt ist, dabei lautstark klappert und ächzt als seien die Wagen seit Inbetriebnahme der Strecke vor mehr als hundert Jahren nicht erneuert worden, dass man im Sommer fast erstickt und es im Winter fürchterlich zieht, das ist mir dann eine Stunde lang egal.

 

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Das große Klimatreffen in Paris

Historisch. An Tagen wie diesen fällt dieses Wort recht häufig. Nicht nur François Hollande sagt es in seiner Auftaktrede, um auf die Bedeutung des UN-Klimagipfels hinzuweisen. „Es geht um die Zukunft des Planeten, um die Zukunft des Lebens“, sagt Frankreichs Präsident. (Und ein klein wenig geht es auch um seine Zukunft, denn ein Erfolg dieser Mega-Konferenz könnte seine Umfragewerte verbessern helfen – 2017 ist bereits Präsidentschaftswahl.)

Aber auch ein COP-21-Besucher aus Paris sagt am Morgen im Pendelbus zum Gipfel-Gelände beim Blick auf die benachbarte Autobahn: „An einem Montagmorgen eine leere Autobahn bei Paris – das ist historisch.“ Tatsächlich wurde die A1 gesperrt, um die Sicherheit der anreisenden 151 Staats- und Regierungschefs zu gewährleisten. Eine Autobahn also nur für die VIPs. Nur ein Fahrzeug der Gendarmerie steht einsam und allein auf der Abfahrtsspur.

Paris ist im doppelten Ausnahmezustand. Zum einen hat die Regierung nach den Terroranschlägen am 13. November den Ausnahmezustand für drei Monate ausgerufen. Zu Beginn der Konferenz gedenken die Staatschefs den Opfern mit einer Schweigeminute. Gleichzeitig ist Paris an diesem Montag in einem Verkehrs-Ausnahmezustand. Die Pariser sollten auf das Auto verzichten an dem Tag, hieß es, am besten sogar zu Hause arbeiten.

Die Konferenz findet genau gesagt gar nicht in Paris statt, sondern in einer Vorstadt im Norden: Le Bourget ist bekannt für seinen bereits 100 Jahre alten Flugplatz (vor allem Geschäftsflugverkehr) und sein Messegelände, wo alle zwei Jahre die Pariser Luftfahrtschau stattfindet. Von hier aus sind es noch 20 Kilometer bis zum Hauptstadt-Flughafen Charles-de-Gaulle, das Stade de France ist gleich nebenan. An jeder Straßenkreuzung dieses kleinen tristen Vorort-Städtchens stehen nun Polizisten. 2800 Beamte schützen die Konferenz-Festung rund um das Messegelände. In den großen Messehallen ist aber die eigene UN-Polizei für die Sicherheit zuständig. „Ein großer Teil von uns kommt aus New York“, sagt der UN-Sicherheitsmann im blauen UN-Kostüm.

Vor den Toren von Paris sollen sich die über 40 000 Konferenzteilnehmer trotzdem wie mitten in Paris fühlen. Die Plenarsäle heißen hier „Seine“ oder „Loire“. Eine Allee zwischen den Hallen hat den Namen „Champs-Elysées“. Am Ende steht ein kleiner Eiffelturm, zusammengebaut aus roten Metallstühlen.

Der Gipfel habe von Anfang an ein großes Problem, sagt ein Experte am ersten Tag: nämlich die riesigen Erwartungen, die in den Auftakt-Reden erneut geschürt werden. Als ob hier in Paris die Welt gerettet werden könnte mit dem Vertrag, der nach zwei Wochen verabschiedet werden soll. So einen Wunder-Vertrag werde es nicht geben. Aber vermutlich einen wichtigen, großen Schritt auf dem weiterhin schweren, langen Weg im Kampf gegen die Erderwärmung.

 

 

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“Humanitäre Großmacht” Schweden schränkt großzügiges Asylrecht ein

Noch vor gut einem Jahr hieß es vom damaligen schwedischen Ministerpräsidenten sein Land sei eine “humanitäre Großmacht”. “Öffnet eure Herzen!” appellierte der Regierungschef einer liberal-konservativen Koalition an seine Mitbürger. Flüchtlinge seien im Norden Europas äußerst willkommen, so der Tenor, dem sich auch die mittlerweile regierenden Sozialdemokraten damals anschloßen und deren aktueller Koalitionspartner die Grünen sowieso.

https://www.youtube.com/watch?v=GmuqusBOfuo

Dienstag vergangener Woche nun war Åsa Romson, die Parteisprecherin der schwedischen Grünen, den Tränen nahe, als sie erklärte, dass ihre Regierung beschlossen habe, die Bedingungen für nach Schweden kommende Flüchtlinge zu verschärfen. „Das ist kein Beschluss, den wir fassen möchten, sondern einer, zu dem wir gezwungen sind“, so die Vertreterin des kleineren Koalitionspartners. In Schweden hat es in der Flüchtlingspolitik einen drastischen Kurswechsel gegeben, ob der von Dauer ist oder nur eine zwischenzeitlich notwendige Maßnahme, wird sich noch zeigen müssen.

Über die aktuellen Änderungen in Schweden und Dänemark habe ich für Das Parlament und Zeit online berichtet.

Gemeinsam mit den Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stefan Löfven wurde unter anderem entschieden, in Zukunft auch alleine anreisenden Flüchtlingskindern nur befristete Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen und deren Alter medizinisch testen zu lassen. Zudem soll der Nachzug von Familienmitgliedern erschwert werden. Das aber, so der Jurist Ignacio Vita zur sozialliberalen Zeitschrift Dagens Arena, erschwere es, sich in Schweden wirklich zu etablieren und ein neues Leben zu beginnen.

In den vergangenen zwei Monaten haben 80 000 Menschen in Schweden Asyl beantragt. „Darunter waren so viele Kinder, dass es jede Woche mehr als 100 neue Schulklassen entspricht“, heißt es seitens der Regierung. Die Kommunen seien nicht mehr in der Lage,  die Flüchtlinge erwartungsgemäß zu betreuen.

Regierungschef Löfven kritisierte, dass die Bereitschaft Flüchtlingen zu helfen innerhalb der EU sehr unterschiedlich sei.  Doch die schwedische Politik dürfte kaum dazu beitragen, dass andere Länder nun mehr Verantwortung übernähmen, sondern womöglich zu einem „race to the bottom“ führen, so Vita.

Das knapp zehn Millionen Einwohner zählende Schweden nimmt bezogen auf die Bevölkerungsgröße mehr Flüchtlinge auf als jedes andere EU-Mitglied. „Ich glaube, die meisten merken, dass wir ein System bei dem vielleicht 190 000 Menschen im Jahr kommen, nicht beibehalten können“, hatte Ende Oktober Außenministerin Margot Wallström gesagt.

Bereits am Tag vor dem Attentat von Paris hatte Schweden Grenzkontrollen eingeführt, die nach Verlängerung vorerst bis 11. Dezember gelten.

Die dänische Regierung hatte die Grenzen Monate zuvor schon zwischenzeitlich dicht gemacht und ging jetzt noch weiter. In Zukunft soll die Polizei die Grenzen de facto jederzeit wieder schließen können und abgelehnte Asylbewerber müssen während sie auf die Abschiebung warten mit Inhaftierung rechnen.

„Wir werden nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen, dass es den Zusammenhalt in unserem eigenen Land gefährdet“, hieß es zur Begründung eines 34-Punkte-Plans, der nach und nach bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll. Die ersten elf Punkte hat die liberale Minderheitsregierung u.a. mit den Rechtspopulisten und den Sozialdemokraten beschlossen, lediglich die linken Parteien und die Sozialliberalen stimmten dagegen.

„Die Regierung möchte die Möglichkeit haben, gegen die Menschenrechte verstoßen zu können“, kommentierte das Kopenhagener Institut für Menschenrechte die Pläne, die ohne Anhörung im Eilverfahren durch das Parlament gingen. Gleichzeitig hat Dänemark die Prognose für Asylbewerber für das kommende Jahr deutlich auf 25 000 angehoben – im Vergleich zu Schweden eine sehr geringe Zahl.

 

 

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Passport Heroes

PassportHeroes

Kein Trinkwasser, kein Strom, kein Handyempfang und überall Moskitos. Stundenlange Märsche von einem Dorf zum nächsten, Motorradfahrten mit schweren Rucksäcken. Schlafen in der Hängematte und immer wieder Kochbananen mit Reis, Reis mit Kochbananen. Die Freiwilligen von Peacewatch muten sich einiges zu. Und das alles in einer Gegend im Nordwesten Kolumbiens, in der der bewaffnete Konflikt noch lange nicht vorbei ist – nur hat er heute andere Züge als noch vor wenigen Jahren. Es geht um Geld, durch Palmölplantagen oder Erdölförderung.  Die Peacewatchler nahmen uns mit zu einer mehrwöchigen Kostprobe Kochbananen und Moskitoattacken. Selten haben wir uns bei einer Reportage so willkommen gefühlt. Die Bauern stritten darum, wer die Ausländer bewirten durfte: „Sie essen heute bei mir!“ „Nein, bei mir!“ Sie fühlen sich geschützt durch die Anwesenheit von Ausländern, die keine Waffen bei sich tragen, Studenten, Lehrer oder Rentner sind. Und schlafen wieder ruhig, so lange die Freiwilligen im Dorf sind, sagen sie. „Wissen die Menschen in Europa, dass es uns gibt?“ fragte Alfredo zum Abschied. „Noch nicht, aber wir werden von Euch erzählen.“

In dieser Woche haben wir nun Wort gehalten: Die Reportage “Passport Heroes” ist in Das Magazin (Tagesanzeiger, Schweiz, Ausgabe Nr. 46) erschienen.

Ermöglicht wurde dieses Projekt durch das Gabriel-Grüner-Stipendium, für das wir – Luca und ich – uns herzlich bedanken möchten. Der Anlass für die Existenz dieses Stipendiums ist traurig: Mit dem Stipendium erinnert die Reportageagentur Zeitenspiegel an den stern-Reporter Gabriel Grüner, der 1999 zusammen mit dem Fotografen Volker Krämer und dem Übersetzer Senol Alit im Kosovo ermordet wurde.

http://zeitenspiegel.de/de/preis/gabriel-gruener-stipendium/

Das Stipendium ist eine tolle Möglichkeit, eine Bild-Text-Reportage zu realisieren, für die es Zeit und auch Geld (Reisekosten!) braucht. Es war auch großartig, die Stipendiengeber kennen zu lernen, vielen Dank für die großartige Betreuung. Wir können allen Fotografen- und Journalistenkollegen nur empfehlen, sich mit ihren Projekten zu bewerben!

Quelle Bild oben: http://blog.dasmagazin.ch/aktuelles_heft/46/?goslide=0

 

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Zuckerbrot und Kasperl

Zuckerbrot und Kasperl – Ablenkung ist alles

Luisa und das Honigbrot

Bekanntermaßen soll man sich ja über die kleinen Dinge freuen, allerdings hat noch nie jemand definiert, wie klein „klein“ eigentlich ist. Für mich ist das nämlich schon ein winziges Stück Brot, das ich, mit Butter und Honig bestrichen, morgens irgendwie in den Mund meiner Tochter hineinorganisieren will. Ein gegessenes Stück Brot in der Früh ist ein Erfolg, zwei ein Fest, drei eine Sensation. Von vier Stücken möchte ich gar nicht träumen – dann lade ich Sie alle  zu einem dreiwöchigen Fest ein. Ach machen wir ruhig vier Wochen.

 

Ich habe eine große Kunstfertigkeit darin entwickelt, meiner Tochter vermeintliche Zumutungen zu verkaufen. Ablenkung ist alles – doch die Erwartungen an mein Unterhaltungsprogramm steigen ständig.  Erst reichte es, alberne Grimassen zu schneiden, um ein Stück Brot unterzubringen, dann musste es schon bald ein Lied sein. Heute sind wir bei Geschichten, die ich erzählen muss. Heute Morgen um halb acht forderte sie kurzerhand, mit Blick auf ihren Teller mit einem Honigbrot eine Geschichte zum Thema: „Der Kasperl und das Honigbrot“. Da steht man dann erstmal da, als verschlafener Papa. Die Geschichte lief dann darauf hinaus, dass der Kasperl naiverweise direkt am Bienenstock Honig aufs Brot schmieren wollte…die Bilanz: Eine Bienenattacke auf den Kasperl, zwei Stücke Brot im Mund meiner Tochter! Ein unfassbares Erfolgserlebnis.

 

Die Frage ist: Was kommt, wenn sich auch das Genre „Geschichten“ abnutzt und nicht mehr zur Ablenkung taugt? Manchmal stelle ich mir schon vor, wie wir irgendwo Schnitzel essen sind, meine Tochter den Kopf schüttelt und die Bedingung stellt: „Papa, Du musst Feuerspucken!“. Oder beim Pizzaessen: „Papa, Du musst Schwertschlucken!“ Ich sollte schleunigst Kurse belegen. Natürlich würde ich so beiläufig wie möglich feuerspucken, um die Leute an den Nebentischen nicht unnötig zu erschrecken.

 

Naheliegend ist natürlich jetzt, meine Erkenntnisse auch auf die Gesamtgesellschaft zu übertragen: „Veränderung durch Ablenkung!“ Ich könnte einmal auf einer Pegida-Demo auftreten und die Geschichte „Der Kasperl und das Honigbrot“ erzählen. Vielleicht wären dann alle so verwirrt, dass sie nach Hause gehen. Auch das wäre ein Grund für ein vierwöchiges Fest.

 

 

 

 

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