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Dänische Alternativen für Deutschland

Rechtspopulistische Parteien sind keine Neuheit in nationalen Parlamenten. In Dänemark sitzt die Dansk Folkeparti (DF), die Dänische Volkspartei, schon seit fast 20 Jahren im Folketinget.

Das muss man erstmal schaffen: Parteigründung 1995, erstmals ins Parlament eingezogen 1998 – und in der Opposition de facto Regierungsmacht 2001 bis 2011 sowie seit 2015. Die Dänische Volkspartei ist seit langem ein bedeutender Faktor in der dänischen Politik – sehr zum Schaden vor allem der Sozialdemokraten. „Die DF hat ihnen Themen weggenommen. Seit sie aber bereit sind, auch strammere Integrations- und Flüchtlingspolitik zu diskutieren, stabilisiert sich die Lage der Sozialdemokraten“, urteilt Kasper Hansen, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Kopenhagen.

Die DF ist auch so stark geworden, weil die klassischen Parteien lange nicht über Herausforderungen der Migration reden wollten und es versäumt haben, ihre eigenen Lösungsvorschläge zu präsentieren. Nun treibt die Partei Sozialdemokraten wie Konservative vor sich her.

Aus dem Erfolg der Rechten in Dänemark kann gelernt werden. Vor allem, dass Wähler nicht technokratisch von oben herab behandelt werden wollen, dass sie und nicht nur die Politik Agenda setting betreiben wollen und dass es nicht viel nutzt, irgendwann auf einmal die harte Linie der Rechten quasi zu kopieren. Was der langanhaltende und fast stetig größer werdende Erfolg der Dänischen Volkspartei über den Umgang mit der AfD und deren Wählerpotenzial lehren kann, habe ich in einem längeren Beitrag für “Internationale Politik und Gesellschaft” erläutert. Online hier zu lesen.

 

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Podcast #1: Die Weltreporter persönlich

Die Weltreporter im Gespräch – Ab sofort lassen wir Sie noch näher ran, an unsere Arbeit in aller Welt: Im WR-Podcast erzählen künftig alle drei Monate Korrespondenten von Jobs und Recherchen zwischen Durban und Dänemark, geben einen Einblick  in den Korrespondentenalltag, live & lebendig. Wir schalten unsere Mikrophone für Sie auf Empfang und laden ein in unsere Schreib- und Tonbüros auf fünf Kontinenten. Der erste WR-Podcast führt hinter die Kulissen des größten Korrespondenten-Netzwerks freier Auslandsjournalisten, das über 47 deutschsprachige Reporter in fast ebenso vielen Ländern vereint.

Kerstin Zilm im per Wolldecke isolierten Studio.

Wer sind die Weltreporter-Journalisten und was bewegt sie? Erfahren Sie, unter welchen Bedingungen Geschichten entstehen, die Sie später gut gemischt online oder im deutschen Radio hören. Verbringen Sie 20 Minuten mit uns – jenseits der Schlagzeilen. In diesem ersten Podcast treffen Sie einen Weltreporter-Gründer, hören, welches amerikanische Geräusch unsere Kollegin in Los Angeles zuweilen von der Arbeit abhält und was Kollegen in Krisenregionen auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten motiviert.
Ganz nebenbei bekommen Sie Antworten auf eine Reihe von Fragen, die Sie sich vielleicht noch nie so gestellt haben 😉 Zum Beispiel:

  • Wie lange dauert es, einen Dänen kennenzulernen?
  • Wer ist die erfolgreichste Immigrantin der Niederlande?
  • Wo treffen sich Karel Gott und Prager Hochkultur?
  • In welcher Region ist ein Plan B überlebenswichtig?
  • Was bedeutet Reporterglück in Tunis?
  • Und wie genau klingt es, wenn ein südafrikanisches Nashorn ins Mikrophon atmet?

Ägypten-Korrespondent Jürgen Stryjak während des Volksaufstandes 2011 auf dem  Tahrir-Platz.

Der erste Weltreporter Podcast widmet sich aber auch ernsteren Themen: Im Interview berichtet Jürgen Stryjak, der seit 17 Jahren in Kairo arbeitet, vom Arbeit und Leben in einem Land, in dem Anschläge und Unterdrückung zum Alltag gehören. Er schildert, welche Spuren es hinterlässt, wenn man tagein tagaus über Menschen berichtet, die Gewalt oder Terror erleben, die desillusioniert oder hoffnungslos sind. Jürgen Stryjak erzählt auch, was ihn motiviert, sich von schwierigen Situationen nicht unterkriegen zu lassen. Er erzählt von einer Begegnung mit Amir Eid und seiner Indie-Band Cairokee, die er bei Proben in Kairo traf. Auch sie lassen sich nicht einschüchtern. Eines ihrer jüngeren Lieder heisst Akhr Oghniyya – zu deutsch: »Das letzte Lied«. Selbst wenn dies mein letztes Lied wäre, singt Amir Eid im Refrain, selbst dann würde ich noch von der Freiheit singen.

Janis Vougioukas nach der WR-Gründung im Jahr 2007 während einer Recherche über Folgen der Umweltverschmutzung in China.

Außerdem lernen Sie Janis Vougioukas kennen. Janis ist heute Stern-Reporter in Shanghai. Er war es, der im Jahr 2000 mit einer Handvoll anderer Journalistenschüler die Idee hatte, das Weltreporter-Netzwerk zu gründen. Im Gespräch erinnert sich Janis daran, wie damals auch die Einsamkeit als Freischaffender mit ein Motiv dafür war, das Abenteuer Weltreporter zu wagen. “Wir waren überrascht, wie viel man über Internet-Abstimmungen und Skype effizient, global und günstig organisieren konnte”, erzählt Janis Vouigoukas als ihn Kerstin Zilm über diverse Zeitzonen hinweg während einer Recherche in Hongkong erreicht. Damals begann die Medienkrise, und er und die 20 ersten Weltreporter waren begeistert, wie rasch sich die Existenz des weltweiten Reporternetzwerks in den Redaktionen herumsprach: “Es war toll zu sehen, wie dankbar die Redaktionen, die nicht mehr selbst schnell jemanden losschicken konnten oder wollten, unser Angebot angenommen haben.” Heute gehören zum Netzwerk 47 freie Korrespondenten in aller Welt und 27 Kollegen, die inzwischen nicht mehr als freie Journalisten arbeiten oder wieder von Deutschland aus berichten.

Leonie March interviewt einen Fährtenleser.

Zusammengestellt haben diese “20 Minuten Weltreporter persönlich” unser Podcast-Team in drei Kontinenten und diversen Zeitzonen. An Mikro und Mischpult agierten Kerstin Zilm in Los Angeles, Leonie March in Durban und Sascha Zastiral in London.

Viel Spaß beim Zuhören, und bis zum nächsten Podcast – in spätestens drei Monaten.

Im Helikopter über Durban

 

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Aarhus – Europäische Kulturhauptstadt schaut aufs Umland

 Gleich am Tag nach dem Donald Trump zum US-Präsidenten gekürt wird, übernimmt das dänische Aarhus die Rolle als Europäische Kulturhauptstadt 2017 (zweite im Bunde ist dieses Jahr Pafos in Zypern). Kurz nachdem einer, der von der EU wenig hält, seine Position an der Spitze der US einnimmt, versucht ebenjene Institution bei Ihren Bürgern einmal mehr ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen.

Dass Aarhus zur europäischen Kulturhauptstadt 2017 in Dänemark ernannt wurde, hat in Norddeutschland viele enttäuscht. Schließlich hatte sich Konkurrent Sonderburg mit Flensburg beworben und hätte so – obwohl noch gar nicht wieder an der Reihe – auch Deutschland zu ein wenig europäische Kulturhauptstadt verholfen.

Theater in der Kulturhauptstadt Aarhus (Foto: Bomsdorf)

Theater in der Kulturhauptstadt Aarhus (Foto: Bomsdorf)

Nun also Aarhus und auch das hat für Norddeutschland seinen Reiz. Schließlich ist es von Hamburg in nur ein paar Stunden zu erreichen. Zudem wird ein großer Teil Dänemarks mit einbezogen.

Zu einer Zeit, wo immer mehr von abgehängten Randgebieten die Rede ist, setzt Dänemark auf die weniger bekannten Ortschaften und versucht Gäste dorthin zu locken und den Einheimischen etwas zu bieten.

Die bildende Kunst nimmt einen ziemlich großen Raum ein. Internationale Zugpferde wie Olafur Eliasson (darf in Dänemark, wo er aufgewachsen ist, eigentlich nie fehlen), Barbara Kruger und Thomas Hirschhorn werden mit weniger bekannten Namen kombiniert.

Gleich zu Anfang, ab 21. Januar, wird Signe Klejs für „Hesitation of lights“ eine zentrale Brücke in Aarhus in wechselndes Licht tauchen. Sie bezieht sich auf den dänischen Astronomen Ole Rømer, der herausfand, das Licht sich bewegt. Viele Besucher werden aber wohl eher an Eliassons bunte begehbare Installation auf dem Dach des nahen Museums Aros denken.

Randers wird mit seinem Gaia Museum für Outsider Art einbezogen und in Silkeborg eröffnet die Osloer Schau, die Asger Jorn und Edvard Munch zusammenbringt.

In Herning, nicht weit von der bei Surfern und Familien aus Deutschland so beliebten dänischen Nordsee wird die diesjährige Ausgabe der „Socle du Monde Biennale“ ins Programm einbezogen.

Auch das Dänemark fernab der Großstadt Aarhus wird mit ins Programm aufgenommen. (Foto: Bomsdorf)

Auch das Dänemark fernab der Großstadt Aarhus wird mit ins Programm aufgenommen. (Foto: Bomsdorf)

Das dortige Kuratorenteam ist ganz anderen Biennalen würdig, so gehört dazu auch Daniel Birnbaum, früherer Venedig Biennale Kurator und jetzt Direktor des Moderna Museet in Stockholm. Die Biennale in Herning ist – der Titel lässt es erahnen – dem italienischen, aber etliche Jahre in Dänemark lebenden Piero Manzoni gewidmet. Der hat einst in Herning einen Sockel aufgestellt auf der die ganze Erdkugel ruhen soll. Im kommenden Jahr wird die Ausstellung sich dem Thema „Scheiße und Körper“ widmen. Das steht zwar so nicht offiziell im Programm, so fasste es im Gespräch in Aarhus aber eine Mitarbeiterin mit der vielen Dänen so üblichen bodenständigen Offenheit zusammen.

Wer die Liste der beteiligte Künstler anschaut, kann sich schon denken, warum sie die Thematik so zusammengefasst wird. Wim Delvoye wird sein künstliches Verdauungssystem „Cloaca“ zeigen und Pierre Manzonis „Merda d’artista“ gehört ohnehin zum örtlichen Museum.

Im Jorn Museum in Silkeborg wird ab Mitte Februar die Schau “Jorn + Munch” aus dem Osloer Munch Museum gastieren (zum Konzept der Ausstellungsserie mehr in meinem Artikel für The Wall Street Journal zur Ausstellung Melgaard + Munch).

Natürlich ist auch der in Dänemark aufgewachsene und in Berlin arbeitende isländische Künstler Olafur Eliasson mit von der Partie in Aarhus (nicht aber in Herning). Er ist durch seine Mitarbeit am Bühnenbild für das aus New York kommende Ballet „Tree of Codes“ vertreten. Tickets dafür versucht Aarhus 2017 seit Wochen wie ein Circus unter die Leute zu bringen, indem behauptet wird, es sei nun aber wirklich bald ausverkauft.

 

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Petry Nordisch oder Völkisch auf Dänisch

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Aktuelle Ausgabe der IP: Die Anti-Internationale (Foto: DGAP)

Ein kurzes Assoziationsspiel in 2 Schritten:

1. völkisch? – Völkischen Beobachter!

2. Völkischen Beobachter? – Nationalsozialismus!

Seit AfD-Chefin Frauke Petry im Interview mit der Welt am Sonntag gesagt hat, sie wolle den Begriff “völkisch” wieder positiver besetzen, gilt womöglich auch ein weiterer Schritt in der Assoziationskette, nämlich “völkisch? – Frauke Petry!”.

Fast jeder, der in Deutschland zur Schule gegangen ist, dürfte das Wort aus dem Namen des “Kampfblattes der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands” (so der Untertitel des “Völkischen Beobachters“) kennen.

“Völkisch” steht im Deutschen üblicherweise “für die Ausgrenzung von jedem, der nicht hier geboren wurde” so Kai Biermann in der Zeit, man könnte auch sagen für eine Ablehnung von allem was als undeutsch angesehen wird, als nicht mit dem angeblich vorhandenen Volkswillen vereinbar.  Was wiederum schnell zur Populismus-Definition von Jan-Werner Müller führt und dem diese innwohnende “Vorstellung eines moralisch reinen Volkskörpers“.

Kurzer Schwenk gen Norden, nach Dänemark. Dort gibt es die Dansk Folkeparti (DF, Dänische Volkspartei), die ähnlich wie die AfD mancherorts, bei der Parlamentswahl im ganzen Land zweitstärkste Partei wurde.

„Völkischen Einfluss gibt es nur in Nationalstaaten, wo das Volk eine natürliche Zusammengehörigkeit fühlt“: So begründet die Dänische Volkspartei ganz offen auf ihrer Homepage ihre kritische Haltung zur EU. Natürlich muss hier angemerkt werden, dass das dänische “folkelig” verständlicherweise nicht die selben Assoziationen erweckt wie in Deutschland “völkisch”, doch ist es hier was Müllers Populismus Definition und Biermanns Worte angeht genauso gemeint, also abgrenzend gegenüber jenen, die nicht im Lande geboren sind und letztlich egal wie lange sie auch in Dänemark sind und ob sie den dänischen Pass haben, nie zum dänischen Volk gehören werden (was Rassismus zumindest sehr nahe kommt).

<a href="https://www.youtube.com/watch?v=Up-yQ5eGBHw" data-mce-href="https://www.youtube.com/watch?v=Up-yQ5eGBHw">Interview zum Dänischtum</a>

Obwohl nicht nur zweitstärkste Fraktion im Parlament, sondern auch größte Partei rechts der Mitte, weigert DF sich, Regierungsverantwortung zu übernehmen und treibt stattdessen die bürgerliche Minderheitsregierung vor sich her. Die Verschärfung des Asylrechts in Dänemark wäre ohne den Druck von rechts wohl kaum so strikt ausgefallen. Auch hätte die liberal-konservative Regierung, allen voran Integrationsministerin Inger Støjberg, wohl kaum so stark gegen Ausländer polemisiert wie zuletzt. Schon warnt Justizminister Søren Pind, selbst gelegentlich ein Scharfmacher, vor Parallelen zu den 1930ern – „auf ganz andere Weise, aber es ist einfach der gleiche Zorn, die gleiche Ohnmacht und es sind die gleichen Reaktionen“, sagte er im März 2016 im Interview mit der Zeitung Politiken. Was wird erst geschehen, wenn die Dänische Volkspartei einmal alleine an die Macht kommen wird?

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Das neue Buch der Weltreporter. (Foto: Random House)

Der Blick gen Dänemark zeigt, welches Potential die Rechte hat, wenn sie bürgerlich auftritt und Dänemark zeigt auch, mit welch Ausgrenzung – rhetorischer und realer – selbst EU-Bürger konfrontiert werden können.

Ein Teil des obigen Textes erschien zuerst im von mir koordinierten Beitrag zum Weltreporter-Buch “Die Flüchtlingsrevolution”, mehr zu lesen gibt es auch in meinem Text in der Internationalen Politik, der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (online steht nur die gekürzte englische Version).

 

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Haschischbuden? Nein Danke!

Bildschirmfoto 2016-09-02 um 14.01.09Der 2. September könnte ein denkwürdiger Tag werden in der Geschichte der Kopenhagener Freistadt Christiania. Denn heute wird abgerissen, was womöglich größter Touristenmagnet und größtes Problem Christianias zugleich ist: die Haschischbuden der Pusher-Street.

In den selbstgezimmerten Holzhäuschen wurde der Verkauf der weichen Droge seit langem toleriert, doch nachdem vor wenigen Tagen Polizisten angeschossen worden waren und ein Dealer auch (er erlag mittlerweile seinen Verletzungen), haben die Bewohner genug. Schließlich war Peace stets eine ihrer wichtigsten Losungen und da passt es absolut nicht ins Bild, dass ein Dealer um sich geschossen hat.

Sollte der heutige Tag der Beginn des Drogen-Banns sein, dann würde tatsächlich Geschichte geschrieben. Wer mehr über die Historie der Freistadt erfahren möchte, dem sei mein Kapitel im Buch Utopien empfohlen. Es trägt den Titel “Alle Macht allen: Die Geschichte von Hasch, Freiheit, Geld und Immobilien” und beginnt so:

“Es ist purer Zufall, doch passender könnte die Begrüßung nicht sein: Beim Betreten von Christiania kommt mir ein Mann schlendernd entgegen, die Zigarette in seiner Hand verströmt jenen süßlichen, an schmorende Kiefernnadeln erinnernden Geruch, der nur von verbrennendem Haschisch stammen kann.

»Alles ist erlaubt in Christiania«, sagt eine der deutschen Touristinnen, die ein paar Schritte vor mir gehen und dem Mann ebenfalls begegnen. »Alles«, wiederholt eine ihrer Begleiterinnen und es klingt bei beiden überhaupt nicht entrüstet, sondern eher so, wie sie wohl im Italienurlaub die dortigen Fahrsitten kommentieren würden: mit Freude in der Stimme sowohl darüber, dass es im Urlaubsland anders, entspannter, zugeht, und gleichzeitig auch darüber, dass es daheim doch geordneter ist.

Die Freistadt Christiania ist für Kopenhagen so etwas wie die Freiheitsstatue für die USA – eine der größten Touristenattraktionen, die zugleich für ein Lebensgefühl steht. Dänemark galt Jahrzehnte als Europas Hochburg der Linken und Liberalen, die auch dem Sinnlichen nicht abgeneigt waren. Hier wurde zuerst – ausgerechnet 1969 – pornografisches Bildmaterial legalisiert und die rote Sonne aus dem »Atomkraft? Nein Danke«-Logo erfunden. Hier wurden, schon lange bevor in Deutschland etwas Ähnliches passierte, Schritte in Arbeitsmarktpolitik und Kinderbetreuung ergriffen, die es Frauen ermöglichen sollten, Karriere und Kinder zu vereinbaren.”

Neugierig? Hier gehts zum Buch bei Amazon.

 

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Weltreporter-Forum 2016 – hier ist das Programm!

Das Programm des Weltreporter-Forums 2016 in Raiding/Burgenland steht:

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Wir freuen uns mit unseren internationalen Gästen auf einen spannenden Sommer-Nachmittag auf dem Land. Und auf Sie!

 

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Diese Dänin wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin

Nein, sie wird es nicht – als Update zu meinem Blogeintrag kürzlich: Lange hat sie hoffen dürfen, aber Helle Thorning-Schmidt wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin. Auch der Deutsche Achim Steiner geht leer aus. Die dänische Ministerpräsdentin und der Bürokrat unterlagen beide gegen den Italiener Filippo Grandi.

 

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Diese Dänin wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin

Nein, sie wird es nicht – als Update zu meinem Blogeintrag kürzlich: Lange hat sie hoffen dürfen, aber Helle Thorning-Schmidt wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin. Auch der Deutsche Achim Steiner geht leer aus. Die dänische Ministerpräsdentin und der Bürokrat unterlagen beide gegen den Italiener Filippo Grandi.

 

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Wird diese strenge Dänin die neue UN-Flüchtlingskommissarin?

Die damalige dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt mit dem damaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karzai in Kopenhagen am 2. Mai 2013 (Foto: Bomsdorf).

Eine internetaffine Überschrift für die dänische Selfie-Queen… Der UNHCR ist seit Monaten wieder einmal eine vielzitierte Institution, schließlich ist es jene UN-Einrichtung, die sich um die Flüchtlinge dieser Welt kümmert. Und die chronisch unterfinanziert ist, was mit zu den vielen syrischen Flüchtlingen beitrug wie Thomas Gutschker vor kurzem in der FAZ schrieb. Demnächst tritt der derzeitige UN Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres ab und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wird hinter den Kulissen bereits ein Nachfolger gesucht.

Offizielle dänische Kandidatin ist die ehemalige dänische Premierministerin Helle Thorning-Schmidt. Wegen ihrer strammen Asylpolitik erscheint die auf den ersten Blick wenig geeignet. Doch gerade das könnte ihr helfen gegen den Deutschen Achim Steiner zu gewinnen, schrieb ich kürzlich in Das Parlament.

„Wir haben die Asylregeln drastisch verschärft, als die ersten in 12 Jahren,“ sagte Helle Thorning-Schmidt im diesjährigen dänischen Wahlkampf. Unter anderem wurde der Familiennachzug erschwert.

Zwar verlor sie die Wahl, wurde aber vor kurzem von ihrem Nachfolger im Amt des Premiers als Chefin des UNHCR nominiert. Aus Deutschland kandidiert Achim Steiner, derzeit Chef des UN-Umweltprogramms.

Die strenge dänische Asylpolitik, die nach Thorning-Schmidts Abwahl im Sommer von ihrem Nachfolger weiter verschärft wurde, passt kaum zum UNHCR. Schließlich will der die Rechte von Flüchtlingen sichern und dafür sorgen, dass diese Asyl beantragen und eine sichere neue Heimat finden können. Dänemark hingegen wird vorgeworfen, Probleme auf die Nachbarländer Deutschland und Schweden abzuwälzen. Es gilt deshalb als „Ungarn des Nordens“.

Doch die strikte Haltung könnte Thorning-Schmidts Vorteil werden. Denn die Politiker vieler Länder stehen der dänischen Position näher als der deutschen. Angesichts der zunehmenden Anzahl von Flüchtlingen, die weltweit Sicherheit und eine neue Heimat suchen, sehen sie sich und ihre Länder überfordert. Eine UNHCR-Chefin, die für eine restriktive Flüchtlingspolitik steht, wäre da – so widersprüchlich das auch klingen mag – womöglich gewünscht.

In ihrer Heimat allerdings regt sich Kritik daran, ausgerechnet Thorning-Schmidt zur Flüchtlingskommissarin zu machen. „Ernennt Steiner!“, überschrieb die linksalternative Zeitung Information einen Kommentar. Der deutsche Kandidat sei fachlich besser qualifiziert, hieß es. Und der Publizist Herbert Pundik kritisiert Thorning-Schmidts Asylpolitik als „kleinlich“. Angesichts dessen sei es jetzt allenfalls „opportunistisch“, wenn sie sich nun plötzlich für Flüchtlinge einsetzen werde.

 

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WR Bomsdorf bei netzwerk recherche Tagung

Skandinavien-Korrespondent Clemens Bomsdorf vertritt auf der netzwerk recherche Jahreskonferenz in Hamburg (3./4. Juli) am Samstag die Weltreporter. Mit Daniel Jahn (Chefredakteur AFP) und Sonja Volkmann-Schluck (Redakteurin n-ost) diskutiert Weltreporter Bomsdorf am 4.7. ab 10.30 Uhr über Auslandsjournalismus:

wr_user_bomsdorf_clemens“Auslandsreporter unter Druck – Wie berichten über Krisen und Kriege wenn an der Ausstattung gespart wird?” Moderiert wird die Veranstaltung beim NDR Fernsehen in Hamburg von der freien Journalistin Gemma Pörzgen.

Die These: Gerade im Ausland machen viele Journalisten die Erfahrung, dass ihre Medien sich zwar gerne mit guten Geschichten aus aller Welt schmücken, aber immer seltener für entstehende Kosten aufkommen. Honorare sinken und Reisekosten werden selten übernommen. Besonders gravierend ist das, wenn in Krisengebieten an Versicherungsschutz, Sicherheitswesten und moderner Ausrüstung gespart wird. In den Redaktionen fehlt es häufig an Ansprechpartnern unter den Redakteuren, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es ist, im Ausland zu arbeiten. Haben fundierte Berichterstattung, eigene Recherche und Qualität dennoch eine Zukunft?

 

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Gefährliche Seilschaften in Dänemark

Es mag nach Dänischer Volkspartei klingen, aber hier gehen die Sozialdemokraten mit strafferen Asylgesetzen auf Wählerjagd

Es mag nach Dänischer Volkspartei klingen, aber hier gehen die Sozialdemokraten mit strafferen Asylgesetzen auf Wählerjagd. (Foto: Bomsdorf)

Nun ist es doch so gekommen wie es kurz vor der Wahl niemand erwartet hatte: die Dänische Volkspartei ist stärkste Kraft im bürgerlichen Lager geworden und Europa stellt sich schon auf neue Grenzkontrollen, zunehmende dänische Sympathie für britische EU-Kritik und noch mehr Einwanderungskritische Töne aus dem Norden ein.

Zu recht, denn die 21.1% der Stimmen dürfte die DF für eine entsprechende Politik nutzen. Und für an die Sozialdemokraten erinnernde Sozialpolitik. Das nämlich wird im Ausland häufig vergessen. Die DF verbindet Anti-Migrations-Politik mit Plänen den Wohlfahrtsstaat weiter auszubauen (zumindest für die, die dann noch im Land sind).

Allerdings ist noch lange nicht ausgemacht, ob DF auch in die Regierung gehen wird. Derzeit sieht es eher nicht danach aus. Denn in Dänemark ist der Wahlverlierer zum Sieger auserkoren worden. Lars Løkke Rasmussen dürfte Regierungschef werden obwohl seine liberale Partei Venstre das schlechteste Ergebnis seit einem Vierteljahrhundert einfuhr und nur drittstärkste Kraft bei der Wahl am 18. Juni wurde.

Trotz des Wahlerfolgs der DF möchte Parteichef Kristian Thulesen Dahl nämlich nicht Premierminister werden, ja womöglich will er seine Partei nicht einmal in der Regierung haben. „Es bringt nicht immer die stärkste Macht mit sich in den Ministerautos zu sitzen. Wir sind dort, wo der politisch Einfluss am Größten ist und das bedeutet nicht automatisch in der Regierung“, so Thulesen Dahl. In jedem Fall wolle er für Rasmussen als Premier stimmen, so der DF-Chef. Koalitionsgespräche sollen Anfang Juli abgeschlossen sein.

In Dänemark sind Minderheitsregierungen üblich und um nicht im Koalitionspoker zu viele Kernanliegen aufzugeben könnte Thulesen Dahl es vorziehen, Venstre lediglich prinzipiell zu unterstützen. Dann könnte seine Partei in bestimmten Punkten die Gefolgschaft verweigern. „Wenn wir an einer Regierung beteiligt sind, dann sind wir von deren Übereinkunft gebunden. Wenn nicht, dann sind wir frei, stets für unsere Hauptpunkte zu kämpfen“, so Thulesen Dahl.

Damit räumt er ein, dass er wenig davon hält Kompromisse zu suchen. Dabei macht das doch eigentlich Politik aus. Lieber möchte der DF-Chef weiterhin die Möglichkeit haben Oppositionspolitik betreiben zu können und nicht beweisen zu müssen, seine Ideen auch wirklich umsetzen zu können. Wenn seine Rechnung aufgeht, dann bringt dass seiner Partei in Zukunft noch mehr Stimmen.

Analysen zum Thema von mir in der heutigen Schweizer Sonntagszeitung (hier gegen Bezahlung), beim Sender SRF (leider nicht online verfügbar) und in Das Parlament.

 

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Zur Wahl: Dänemark will sich von Außen sehen

In den relativ bevölerungsarmen nordeuropäischen Ländern sind die Medien immer wieder ganz begeistert, wenn es darum geht zu berichten, wie sie im Ausland gesehen werden.

Es mag der kleine-Bruder-Komplex sein, vielleicht ist es aber auch einfach Weltoffenheit. Schon häufiger sind meine Text über die fünf Länder in den dortigen Medien zitiert worden und regelmäßig werde ich von Hörfunk- und Fernsehen gebeten, doch einmal zu sagen, wie denn Deutschland nun diese oder jene Entscheidung oder dieses oder jenes Ereignis sieht.

Häufig muss ich mein Statement um ein “so wirklich wahnsinnig groß interessiert das aber keinen” ergänzen.

So auch bei den diesjährigen dänischen Wahlen (über die ich für Das Parlament hier berichtet habe). Zweimal bat mich das öffentlich-rechtliche Radio Dänemarks, DR, ins Studio, um zu hören, wie denn in Deutschland die dänische Debatte verfolgt werde (wenig) und über was man besonders überrascht sei (dass die Einwanderung immer noch ein so großes Thema ist und das selbst die Sozialdemokraten bei diesem Punkt sehr populistisch geworden sind; dass die Wahl sehr spontan ausgerufen wird).

Nachzuhören sind die Beiträge von Mennesker og Medier (Menschen und Medien) hier und von Orientering (Orientierung) hier.

 

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Die Dänin, die gegen Googles gefährliche Machenschaften kämpft

Magrethe Vestager? Nie gehört! Das dürfte bis vor kurzem außerhalb Dänemarks das Standard-Frage-Antwort-Spiel gewesen sein. Doch jetzt macht Vest-äjer (so ungefähr sollte man den Nachnamen aussprechen) Giganten wie Google und Gazprom Konkurrenz. Und bekommt dafür jede Menge Aufmerksamkeit.

Sie ist seit November 2014 EU-Wettbewerbskomissarin und seit ein paar Tagen international in den Schlagzeilen.

Wer wie so viele Briten, Amerikaner, Deutsche etc. die dänische Tv-Serie “Borgen” (in Deutschland gelaufen unter dem Titel “Gefährliche Seilschaften”) gesehen hat, hat mit Vestager schon ein wenig Bekanntschaft geschlossen. Denn die Hauptperson, Spitzenpolitikerin Birgitte Nyborg, ist ihr und Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt nachempfunden.

Mehr zu Vestager in meinem aktuellen Porträt für Zeit Online.

 

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Königinnengeburtstag! – Die dänische Monarchin und die Einwanderer

“Kommst Du nach Dänemark, musst Du dich einfügen” – so in etwa lautet der Appell der dänischen Königin Margrethe II. in einem großen Interview, das sie aus Anlass ihres heutigen 75. Geburtstages der Zeitung Berlingske Tidende gegeben hat. Die Monarchin, verheiratet mit dem in Frankreich geborenen Prins Henrik, fordert nach Dänemark kommende Einwanderer auf,  sich an die dänischen Gegebenheiten anzupassen und nicht ihr „altes Gesellschaftsmodel einfach weiterzuführen“. Von der Rhetorik der Dänischen Volkspartei (DF) ist sie allerdings weit entfernt – es gehe ihr nicht darum, dass nun jeder Frikadellen essen müsse, zitiert die Zeitung Politiken die Königin. Die DF hatte in den vergangenen Jahren immer wieder hervorgehoben, wie wichtig es sei, dass in dänischen Institutionen wie Krankenhaus oder Kindergarten Schweinefleisch serviert werde.

Wahlplakat der dänischen Sozialdemokraten (Gilleleje, 29. März; Foto: Bomsdorf)

Das Interview fällt in den beginnenden Wahlkampf – spätestens im September muss gewählt werden, doch es wird erwartet, dass Regierungchefin Thorning-Schmidt die Bürger schon im Mai stimmen lässt. Die Plakatierung hat jedenfalls schon begonnen. „Kommst Du nach Dänemark, musst Du arbeiten“ (s.o. auf Plakaten in Gilleleje) – mit diesem Slogan werben die regierenden Sozialdemokraten in Dänemark um Stimmen und zwar dort, wo die Dänische Volkspartei DF seit Jahren erfolgreich ist: bei jenen, die in Einwanderern vor allem Gefahr sehen. Die Sozialdemokraten gehen ganz klar weiter als die Königin, alleine durch den rhetorischen Kniff auf den ersten Blick jemanden anzusprechen, der gar nicht wählen darf.

Während DF aktuellen Umfragen zu Folge Chancen hat stärkste Fraktion zu werden, dürfte es für die sozialdemokratische Amtsinhaberin schwer werden, die Regierungsmacht zu halten.

 

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Besessen von der ehemaligen Besatzungsmacht

Deutsche Truppen auf dänischem Boden – am heutigen 9. April ist es 75 Jahre her, dass Dänemark vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt wurde. Die dänischen Medien nehmen das zum Anlass über die historische Bedeutung des Datums, das zu Dänemarks Historie gehört wie 1864 (die Niederlage auf den Düppeler Schanzen) und 1992 (der Sieg über Deutschland im Finale der Fußball-EM), zu diskutieren.

Schon ein paar Tage zuvor verkündete der öffentlich-rechtliche Sender DR, dass die Dänen die Deutschen nun lieben würden. Das war das Ergebnis einer aktuellen Umfrage kurz vor dem 75. Jahrestag. In der Tat ist die Deutschland- oder besser gesagt Berlin-Begeisterung seit einigen Jahren groß.

Viele Dänen haben eine Zweitwohnung in der deutschen Hauptstadt oder reisen dort zumindest ständig hin, in Kopenhagen ist es cool Deutsch zu sprechen und Läden und Bars mit deutschen Namen zu versehen. Darüber habe ich schon vor ein paar Jahren für Die Welt geschrieben und vor kurzem griff auch die dpa das Thema auf.

 

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Die Stille nach den Schüssen

Es ist leider so: wirklich überrascht hat das Attentat in Kopenhagen nur wenige. Lange war bekannt, dass die dänische Hauptstadt Anschlagsziel islamischer Terroristen ist.

Es ist das zweite Mal binnen nicht einmal vier Jahren, dass ich Terror in Nordeuropa hautnah miterleben muss.

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Trauernde vor der Hauptsynagoge von Kopenhagen (Foto: Bomsdorf)

Oslo, 22. Juli 2011 und nun Kopenhagen, 14. Februar 2015.

Die Anschläge in Norwegen haben die dortige Gesellschaft viel stärker getroffen. Das liegt natürlich daran, dass so viel mehr Menschen ermordet wurden, aber sicher auch daran, dass der Attentäter noch mehr aus der so genannten Mitte der Gesellschaft kam.

Anders Behring Breivik war norwegischer Christ und ein Islamhasser. Der Muslim Omar Abdel Hamid El-Hussein (die Polizei hat soeben seine Identität bestätigt) war als Sohn palästinensicher Eltern in Dänemark geboren und aufgewachsen, er war Judenhasser.

Dänemark ist durch den Anschlag kein anderes Land geworden, der 16. Februar, erster Wochentag nach den Anschlägen, war nicht so anders vom Freitag vor dem Terror.

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Unter Polizeischutz auf dem Weg zur Gedenkveranstaltung (Foto: Bomsdorf)

In den vergangenen Tagen habe ich für diverse Medien über die Attentate und die Lage im Lande berichtet. Ich hoffe, dass vor allem die einordnenden Stücke auch später noch lesens- und hörenswert sind.  Die ersten Nachrichten gab es bei Die Welt, wie die Dänen reagiert haben beschrieb ich ebenfalls für Die Welt, ausführlicher dann über die dänische Gelassenheit in einem Beitrag für Zeit Online und einer Kolumne für stern. Schließlich von der Gedenkveranstaltung und den Trauernden vor der Synagoge für FAZ.net.

Dem Künstler Lars Vilks, dem der Anschlag wohl gegolten hatte, habe ich mich in Gesprächen mit SRF aus der Schweiz und BR2 sowie Deutschlandradio Kultur gewidmet.

Bleibt zu hoffen, dass der Terrorismus in Europa nicht zunimmt. Doch zu befürchten ist, dass es weitere Anschläge geben wird.

 

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Schüsse auf Kopenhagen und die Meinungsfreiheit

Kaum radelte ich heute Nachmittag am See entlang gen Westen jagten auf der anderen Seite des Wassers plötzlich Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene über die Straße. Das kommt hier ständig vor, in der Hinsicht hat man in Kopenhagen manchmal den Eindruck in New York zu leben. Etwas später stellte sich heraus: ein Anschlag! Die gen Osten fahrenden Fahrzeuge waren vermutlich auf dem Weg nach Østerbro.

Mit automatischen Waffen hatten dort kurz vor 16 Uhr zwei Attentäter einen Anschlag auf eine Veranstaltung zum Thema “Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit” verübt. Sie schossen auf den Veranstaltungsort, anwesende Polizisten erwiderten das Feuer und konnte so womöglich ein Blutbad verhindern. Ein Mann kam ums Leben, drei Polizisten sind verletzt. Im Jahr zehn nach den Mohammedkarikaturen ist der Terror in Kopenhagen angekommen. Oder soll man sagen nach Kopenhagen zurückgekommen, denn Anschlagversuche gab es hier schon zuvor, bisher aber ohne Tote.

Polizei und Politik sind bisher zurückhaltend Vorverurteilungen vorzunehmen, denn noch sind die Attentäter flüchtig. Doch weil Vilks an der Veranstaltung, auf die das Attentat verübt wurde, teilnahm, geht man vielfach wie in Frankreich vor einem Monat von einem islamistischen Hintergrund aus.

Den Stand der Dinge und erste Reaktionen habe ich hier für Die Welt zusammengefasst, hinweisen möchte ich auch auf dieses Interview, dass ich 2010 mit Lars Vilks für Focus führte.

Sie brauchen aktuelle Berichte aus Kopenhagen? bomsdorf@weltreporter.net

 

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Karikaturisten leben gefährlich – weltweit

Natürlich trifft Dänemark der Anschlag in Paris ganz besonders. Schließlich waren die berühmt-berüchtigten Mohammed-Karikaturen zuerst in einer dänischen Zeitung erschienen: am 30. September 2005 wurde diese in “Jyllands-Posten” veröffentlicht. Seither gab es Debatten, Demonstrationen und Tote – zuletzt in Paris.

Bladtegnere i et globalt minefelt Gyldendal Verlag

Bladtegnere i et globalt minefelt Gyldendal Verlag

Ein Beitrag zur Meinungsfreiheits-Debatte, der ohne die Karikaturen wohl nicht entstanden wäre, ist das Buch “Karikaturisten im globalen Minenfeld” des dänischen Journalisten Anders Jerichow, Redakteur bei “Politiken”, der linksliberalen Zeitung, die im selben Verlag erscheint wie “Jyllands-Posten”.

Das Buch, 2012 auf Dänisch erschienen, gibt weltweite Beispiele von der gefährdeten Meinungsfreiheit der Karikaturisten. Neben der Karikaturen-Krisegeht es ebenso um ältere und aktuellere Fälle aus Südafrika, Dänemark, den USA, Indonesien und diversen anderen Ländern (Deutschland fehlt übrigens). In Frankreich war Jerichow bei Plantu, der für Le Monde zeichnet.

Für “Die Welt” besuchte ich Jerichow nach Erscheinen des Buches in seinem Kopenhagener Büro. Alleine das Sicherheitsniveau, das dort herrschte und immer noch herrscht, zeigt als wie real die Anschlagsgefahr gesehen wurde und wird. Pläne den Verlag anzugreifen hat es gegeben – glücklicherweise hat die Polizei in Dänemark bisher Terror verhindern können. Hier der zugehörige Artikel in der Online-Version.

Über die Zeichnungen sprach ich vor einigen Jahren auch mit der aus dem Iran stammenden Künstlerin Shirin Neshat, die mir erläuterte, warum auch sie, in New York lebende Weltenbürgerin, sich durch die Zeichnungen gekränkt fühlte. Online zu lesen bei art.

 

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Conchita ist es Wurst

Wieder einmal findet der European Song Contest in Nordeuropa statt und wie letztes Jahr kümmere ich mich ein paar Tage nur am Rande um Wirtschaft und Hochkultur, sondern widme mich vor allem Europas größter Fernsehshow und allem, was drumherum so passiert. Besonders telegen ist die Österreichische Teilnehmerin Conchita Wurst. Groß, Wespentaille und Riesenwimpern – da spielt jemand mit dem Klischee des (Barbie-)Püppchens.

Wurst ist die weibliche Rolle von Tom Neuwirth und nicht nur in Kopenhagen, um zu singen, sondern auch, um für Toleranz zu werben – eigentlich seit langem ESC-Tradition. Einigen Osteuropäern missfällt das und womöglich auch einigen Westeuropäern. Es kam zu Boykottaufrufen, weil die sexuelle Orientierung als nicht telegen angesehen wurde.

Conchita Wurst lässt sich davon nicht allzu sehr berühren. Morgen tritt sie im zweiten Halbfinale auf. Ich habe Conchita Wurst schon einmal in Kopenhagen getroffen und für The Wall Street Journal interviewt. Den Text und sogar ein Video gibt es hier. In dem Film erklärt sie übrigens, was es mit ihrem Namen auf sich hat und was ihr Wurst ist.

 

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Lars von Triers Nymphomaniac, Henrik Ibsens Nora oder im Körper von Charlotte Gainsbourg, Stacy Martin, Joe und Elvira Friis

Im Kino gewesen. Auf der Leinwand gesehen wie Charlotte Gainsbourg sich auspeitschen lässt. In einer anderen Szene hat sie Sex mit Shia LaBeouf, der später mit Mia Goth schlafen wird – aber erst nachdem sie mit Gainsbourg im Bett war.

„Nymphomaniac“, der neue Film von Lars von Trier, hat jede Menge Sex-Szenen. Kaum ein Charakter, gespielt von oben genannten Schauspielern und anderen wie Stellan Skarsgård und Sophie Kennedy Clark, der mehr als ein paar Minuten auftaucht, hat nicht irgendwann in dem Vierstundenfilm Sex.

Eine ersten Blick habe ich für The Wall Street Journal‘s Speakeasy schon im Dezember auf „Nymphomaniac“ geworfen, der Kurztext (auf Englisch) steht hier, unten eine ausführlichere deutsche Fassung. In den vielen mehr oder weniger expliziten Szenen sind die Körper der internationalen Stars durch Double ersetzt, die ähnlich Stuntmen dort einspringen, wo die Berühmtheit nicht mag. Über Elvira Friis, das dänische Körperdouble von Stacy Martin und Charlotte Gainsbourg, gibt es hier meinen Text bei The Wall Street Journal (ebenfalls auf Englisch).

Monate-, wenn nicht jahrelang haben die Medien verrückt gespielt wenn es um den „Filmporno“, das „Sex-Epos“, den „Sexfilm“ oder das „Porno-Drama“ ging.

Allerdings, nach Besuch einer der ersten vorab Filmvorführungen in Kopenhagen, weiß man: „Nymphomaniac“ wegen der Sex-Szenen zum Porno zu küren wäre wie „On the road“ der Kategorie Action zu zuordnen, nur weil Autofahren ein essentieller Part ist.

Natürlich geht es in dem Film um Sex; unter anderem. Sex ist Teil der Handlung, aber nicht alles.

In einem klassischen Pornofilm gibt es die Handlung, die alle Szenen verbindet, vermutlich nur, um dem Zuschauer auch einmal eine Pause zu gönnen.

„Nymphomaniac“ dagegen zeigt, wie die Hauptperson Joe (in ihren jungen Jahren gespielt von Stacy Martin, im Alter von Charlotte Gainsbourg) versucht, zwischen dem ganzen Sex nicht zu lange Pausen zu haben.

Anfangs streunt die junge Joe zusammen mit ihrer Freundin B. (Sophie Kennedy Clark) in einem Zug umher und jagt die Männer in den Abteilen mit ihren Blicken. Die zwei Mädchen haben einen recht ausgefallenen Wettbewerb: Diejenige, die während der Zugfahrt am meisten Männer erlegt, gewinnt eine Tüte Schokoladenbonbons.

Es wird nur angedeutet oder in Soft-Porn-Versionen gezeigt, wie Joe ihre Männer niederstreckt, wie sie durch ein Fellatio gewinnt, ist hingegen komplett zu sehen. Allerdings recht kurz.

Den Zuschauer zu erregen ist die Kernidee eines traditionellen Pornofilmes, aber wie von Trier in „Nymphomaniac“ den Geschlechtsakt zeigt und in welcher Kürze, deutet darauf hin, dass er dem Zuschauer nicht einmal die Möglichkeit geben möchte, erregt zu werden.

Statt langsam und gefühlvoll oder zumindest mit erotischen Bildern sich dem Höhepunkt zu nähern, zeigt von Trier Sex als einen mechanischen Akt. In manchen Szenen sind Nummern eingeblendet, die zählen, wie oft der Mann auf der Leinwand Joe stößt – das unterstreicht wie wenige Emotionen involviert sind.

B. entdeckt kurz nach der Zugfahrt für sich, dass Liebe Sex noch genussreicher machte – und taucht dann nicht mehr in dem Film auf. Joe jagt weiter.

Sie kommt nie zur Ruhe. Während in einem klassischen Porno Sex zumindest dem Anschein nach, die Menschen glücklich macht, ist dies für die Nymphomanin nicht der Fall.

Joe wirkt nie glücklich, sondern stets einsam und auf beinahe romantische Art auf der Suche. Sex scheint sie nicht länger als für die Dauer des Aktes zu befriedigen.

Dreimal ist sie nah dran, ihren Wunsch erfüllt zu bekommen, aber jedes Mal entfaltet der Sex-Drang zerstörerische Kraft. In „Nymphomaniac“ sind Menschen nur glücklich und friedlich, wenn sie keine sexuellen Begierden haben – wie der Buch-Liebhaber Seligman, dem Joe ihre Geschichte erzählt, und vielleicht auch zeitweilig ihre Partner Jerome und Mia.

Von Trier zeigt, dass Sex-Lust menschlich ist, aber auch, dass sie dazu führen kann, dass die Menschen sich unmenschlich verhalten, ihr Kind verlassen und dessen Tod riskieren oder den einzigen wirklichen Freund verletzen. Traditionelle Porno-Filme klammern so etwas aus und fokussieren darauf, wie erfüllend Sex sein kann. Dunkle Seiten haben dann keine wirklichen negativen Auswirkungen, sondern sind nur luststeigernd.

Trotz allem, ist „Nymphomaniac“ einer der leichteren, unterhaltsameren, phasenweise lustigen Filme von Triers. So sollte das Ende auch nicht allzu düster gesehen werden, auch wenn wie in anderen Filmen des dänischen Regisseurs, „Antichrist“, „Dogville“ oder „The Kingdom“ etwa, alles gegen Ende hin immer schlimmer wird.

Die letzte „Nymphomaniac“-Szene ist eine radikale Version von Ibsens Schauspiel „Nora“.

Während Nora sich selbst befreit und mit dem Stigma ihre Ehe zerstört zu haben, gehen kann, ist der Preis den Joe zahlt, erheblich höher.

Nachdem die Lust sie jahrelang verfolgt hat, trägt sie eine andere Bürde und der Film endet mit einer Ambiguität, wie sie dem klassischen Porno-Genre unbekannt ist.

Bild: Elvira Friis – Foto: Lasse Egeberg

 

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Das zweitbeste Bier der Welt?

Das Timeing ist nicht ganz optimal, aber wenn es um Alkohol geht, ist das vielleicht gar nicht so wichtig. Jedenfalls ist es gerade ein Woche her, dass das Kopenhagener Restaurant Noma von der Position 1 der vielzitierten Liste der besten Restaurants der Welt verschwunden (und auf Nummer 2 geworden) ist, da wird publik, dass das von Noma Chefkoch Rene Redzepi initiierte Nordic Food Lab Carlsberg helfen will, Bier zu brauen. Die Zutaten sollen aus der nordischen Natur stammen – Seetang zum Beispiel. Aber vielleicht sogar Bienenlarven? Immerhin hat das Nordic Food Lab mit diesen schon Granola hergestellt. Klingt nicht nach dem besten Bier der Welt, aber vielleicht wird es ja wie das Noma das zweitbeste. Nur um die Medienaufmerksamkeit hingegen geht es Carlsberg wohl nicht, dagegen spricht, dass das Bier nur in der Heimat lanciert wird und der Markt ist mit 5.5 Millionen Einwohnern doch arg klein.

Details zu Carlsberg und Nordic Food Lab habe ich hier bei The Wall Street Journal beschrieben.

 

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Den Maori kommen die Dänen

Was war das schön, als Neuseeland die Homo-Ehe absegnete. Das gesamte Parlament erhob sich spontan und sang „Pokarekare Ana“, ein Liebeslied der Maori. Ob braun, weiß oder regenbogenfarben: Noch nie saßen so viele Kiwis gerührt vor dem Fernseher, ohne dass es um Rugby ging. Das Ständchen ging um die Welt und dürfte einer Dame im Norden so richtig den Pölser versalzen haben.

Marie Krarup ist Abgeordnete der Dänischen Volkspartei, Prädikat Ausländerfeindlichkeit. Die stramm nationalistisch gesinnte Politikerin war Teil einer Delegation des dänischen Verteidigungsausschusses. Auf der Marine-Basis in Auckland wurde die Truppe offiziell von staatlicher Seite begrüßt. Wie es sich für hohen Besuch gehört, fand der traditionelle Festakt namens ‚powhiri‘ im zur Marine gehörenden Versammlungshaus der Maori statt, dem Te Taua Moana Marae. (Für alle, die bisher nichts über Neuseeland wussten, so wie es vielleicht bei Marie Krarup der Fall war: Aotearoa, wie der Name schon sagt, ist ein zweisprachiges, bikulturelles Land. Es liegt nicht in Europa, sondern südöstlich von Australien. 15 Prozent der Bewohner sind indigener Abstammung und das Grundgesetz sieht vor, dass deren Kultur lebendig bleibt. Okay, weiter!)

Die Redner, Tänzer und Offiziere warfen sich ins Zeug, um den Nachfahren der Wikinger zu zeigen, was „Haere Mai“ heißt: Herzlich willkommen! Es wurde gesungen, gestampft und getanzt, dass es eine martialische Pracht war. Marie Krarup jedoch war anderes gewohnt, zum Beispiel zackige Paraden und Stechschritt. Ziemlich maorisch kam ihr die Begrüßung des Kriegervolkes vor. Anstatt daheim in Kopenhagen endlich einen Reiseführer zur Hand zu nehmen, um sich in Sitten und Gebräuche des Gastlandes einzulesen, schrieb sie sich lieber in der Zeitung „Berlingske Tidende“ ihre Eindrücke von der Seele. Getreu nach Karl Valentin („Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“) war sie geschockt. Wie viel Exotik kann einer xenophoben Militaristin mit eurozentristischem Weltbild zugemutet werden?

„Grotesk“ fand sie den Erstkontakt mit den Fremdlingen. „Wir wurden nicht per Handschlag oder einem Salut von Uniformierten empfangen“, entrüstete sie sich. „Nein, wir wurden mit einem Tanz begrüßt, von einem halbnackten Mann im Grasrock, der auf Maori brüllte.“ Weitere „seltsame Rituale“ musste sie über sich ergehen lassen: Der Mann streckte die Zunge heraus. Wie „ein Idiot“ habe sie sich gefühlt, als einer dieser Barbaren ihr auch noch einen Nasenkuss aufdrücken wollte. Die Maori-Lieder, die die Marinetruppen zu Gitarrenklängen vortrugen, klangen für sie wie „Darbietungen im Kindergarten“.

Damit war der Kulturschock noch lange nicht vorüber. Krarup schaute sich kritisch prüfend im „Maori-Tempel“ um, wie sie den Marae bezeichnete, und erblickte Furchtbares: Holzschnitzereien von „Gottheiten mit wütenden Gesichtern und großen erigierten Penissen.“ Da hilft nur eins: Starkes Nisseöl (Elfenbier – für die, die Dänemark noch nicht so gut kennen).

 

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Neujahrsansprachentheater

Ganz Dänemark schaut zu, wenn am 31.12. um 18 Uhr die Neujahrsansprache der Königin gesendet wird. Die meisten Sylvesterfeiern beginnen mit dem kollektiven Sehen ihrer Rede.

Am Tag drauf spricht dann die Premierministerin – der Eventcharakter ist da nicht gegeben, das mag am Kater liegen. In den Medien jedenfalls werden beide Reden en detail analysiert. Und vorab wird spekuliert, was denn wohl gesagt werden könnte und Journalisten, andere Politiker sowie “der gewöhnliche Bürger” sagen, was sie meinen, was genau gesagt werden sollte. Ein Riesenvergnügen also. Und moralischer Anspruch. Denn natürlich muss die Regierungschefin genau die richtigen Probleme genau richtig ansprechen. So gab es vorab jede Menge gute Ratschläge.

Vorab? Ganz so vorab war das, was Politiker und Journalisten da von sich gaben, gar nicht. Denn die hatten die Rede, die gehalten wurde schon gelesen, da war sie noch gar nicht gesendet. Staatstragend sagten also Politiker und Journalisten, was sie sich von der Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt an Aussagen wünschen würden – und wußten doch schon, was sie sagen würde. Jeder Oppositionspolitiker, der sie dumm aussehen lassen wollte, hatte also die Möglichkeit, einfach nur Dinge zu fordern, die sie ohnehin nicht erwähnen würde. Dänische Mediendemokratie 2013? Hoffen wir lieber, dass das eine Ausnahme war.

Zum weiterlesen dazu hier ein Artikel von Jyllands-Posten (auf Dänisch natürlich).

 

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Das große Fressen – abgespeckt

Aus irgendeinem Grunde ist Weihnachten zur Zeit des Überflusses geworden, es wird geschenkt, was das Zeug hält und gegessen bis es nicht mehr geht – nicht überall im so genannten Westen, doch auffallend häufig. Das große Fressen nicht nur zur Weihnachtszeit führt dazu, dass die Menschen immer dicker werden, wie internationale Statistiken über den BMI (Body Mass Index, aber das weiß mittlerweile wohl jeder). Zwar ist es da um Dänemark noch nicht so schlimm bestellt, aber es geht aufwärts. Vor allem aber haben die Dänen eine vergleichsweise niedrige Lebenserwartung – in Europa ist diese nur im Osten noch geringer.

Also, so dachte man sich in guter sozialdemokratischer Manier (auch wenn der Vorschlag von der eigentlich liberalen Partei Venstre kam), lasst und über Steuern steuern und fettes = ungesundes Essen teurer machen.

Im Herbst 2011 wurde deshalb eine Fettsteuer eingeführt (hier ein Text, den ich darüber mit Selina Marx für Die Gesundheitswirtschaft schrieb). Die aber war inskonsequent und nicht hoch genug, um wirklich das Konsumverhalten zu ändern und erfüllte letztlich nur einen Zweck: Haushaltslächer zu stopfen. Das widerum passte nach einigen Monaten und einer Wahl niemanden mehr. Auch nicht den Unternehmen, die meinten es sei zu viel Aufwand, die Steuer zu berechnen und außerdem würden die Kunden nun vermehrt in Schweden oder Deutschland einkaufen. Also beschloss die nunmehr sozialdemokratisch gelenkte Regierung vor kurzem die Steuer wieder abzuschaffen. Ein paar mehr Informationen dazu auch in meinem Artikel für das Wall Street Journal, den es hier im Original gibt und hier in deutscher Übersetzung.

 

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Dänemark wird weiblich

Selbst ohne Frauenquote ist Dänemark auf dem Weg zu Frauen dominierten Regierungsparteien. Vergangenes Jahr wurde mit der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt erstmals eine Frau an die Spitze der Regierung gewählt (als Dänemark zum 1.1.2012 die EU-Ratspräsdentschaft übernahm, erschien von mir ein Porträt in Die Welt). Sie ist außerdem Parteichefin. Der sozial-liberale Koalitionspartner RV hat schon lange eine Frau als Vorsitzende. Nun hat Außenminister Villy Sovndal seinen Rückzug als Chef der Linkspartei angekündigt. Nachfolgen wird ihm am 13.10. in jedem Fall eine Frau: es kandidiert die erst 29-jährige Sozialministerin Astrid Krag und die einfache Abgeordnete Annette Vilhelmsen, 52.
Im Vergleich zu Norwegen und Schweden hinkt Dänemark beim Anteil von Frauen in der Spitze von Wirtschaft und Politik bisher hinterher. Zumindest in der Politik wird das ab Mitte Oktober anders aussehen.
Die rechtspopulistische DF allerdings hat gerade die weibliche Vorsitzende durch einen Mann ersetzt.

 

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Der Besuch der alten Dame mit dem Hirst

Während in der Londoner Tate die Damien Hirst Ausstellung anläuft, schlummert eines seiner Werke in Dänemark. Im vergangenen Jahr hat die Mäzenin Jytte Dresing dem Museum Arken vor den Toren Kopenhagens das bis dahin größte Spot-Painting der Erde vermacht. Die verhoffte Aufmerksamkeit blieb bislang aus. Nicht ganz zu unrecht, denn außer einem Superlativ in Quadratmeter hat das Bild so viel m.E. nicht zu bieten , die Formaldehyd-Hirsts davor sind da schon etwas anderes. (Gerechterweise sei aber gesagt, dass die Vorstellung der Werke so viel über den Kunstmarkt offenbarten, dass es ein Kapitel für Michel Houellebecqs “Karte und Gebiet” abgegeben hätte).

Statt das Erlebnis literarisch zu verwerten, schrieb ich eine Notiz dazu in The Art Newspaper und einen etwas längeren Beitrag für art, weiterlesen bitte hier.

 

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Der dänische Meister der Interieurs – bald auch in München

Er gilt als Meister der stillen Interieurs, der dönische Maler Vilhelm Hammershøj (1864-1916). Internationale Ausstellungen und Rekordresultate bei Auktionen haben seinen Werken in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nun werden seine Arbeiten in der Nationalgalerie in Kopenhagen gezeigt. Die Schau „Hammershøj und Europa“ eröffnet in der Nationalgalerie und reist danach in die Hypo-Kulturstiftung nach München weiter.

Gezeigt wird auch die (angenommene) gegenseitige Inspiration durch Munch, Gauguin und andere Größen seiner Zeit. Viel interessanter ist aber, sich den Sujets von Hammershøj zu widmen und seine Art der Portrait- und Interieurmalerei zu studieren. Details zur Ausstellung auf der Website der dänischen Nationalgalerie www.smk.dk

 

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Zu viel Weiblichkeit in der Lego-Kiste?

Noch vor zwei Jahren warfen schwedische Journalisten dem dänischen Spielzeughersteller Lego vor, eine Männerdomäne zu sein. Jetzt gerät das Unternehmen mit seiner neusten Serie „Lego Friends“ abermals geschlechtsspezifisch in die Kritik. Als zu konservativ gelten die neuen weiblichen Lego-Männchen, die in Designerläden arbeiten oder langhaarig im Pool plantschen.

In den USA, wo die Figuren bereits lanciert worden sind, ist es zu ersten Protestbewegungen von Seiten besorgter Eltern gekommen. Der Lego-Konzern halte zu stark an den klassischen Rollenbildern fest, kritisieren sie und fordern mit einer Petition Gleichberechtigung. In Dänemark, wo die Serie im Februar erscheinen wird, hatte der Gleichstellungsminister Manu Sareen mit Lego geschimpft, seine Aussage jedoch später abgeschwächt. Irgendwie war das dann wohl doch nicht ganz sein Zuständigkeitsbereich. Er halte die Debatte für sinnvoll, wolle aber nicht den Konzern direkt angreifen, hieß es dann. Dieser weist sowieso jegliche Schuld von sich: Er reagiere bloß auf Wünsche der Kinder. Für die neue ‘rosa’ Marketingstrategie hat Lego rund 38 Mio. Euro ausgegeben.

 

 

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Kaltes, klares Wasser

Sparen, sparen, sparen – wohl selten sind diese Worte so häufig gehört worden wie derzeit. Die Euro-Krise soll bewältigt werden und Ausgabenkürzungen scheinen da vielen unabdingbar. Ähnlich sieht das auch die dänische EU-Ratspräsidentschaft. Nur 35 Mio. Euro sind für die kommenden sechs Monate veranschlagt – weniger als ein Drittel des Budgets von Vorgängerland Polen. Symbolisch für die dänische Sparwut steht kaltes klares Wasser. Statt Mineralwasser aus teuren Minifläschchen gibt es “postevand” (Leitungswasser) aus der Karaffe. Dazu heute aktuell ein Artikel in Die Welt und natürlich auch online.

 

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Spieglein, Spieglein…

Selbstbespiegelung ist in den nordischen Ländern recht ausgeprägt, zumindest auf kollektivem Niveau. Wenn im Ausland über das eigene Land berichtet wird, ist das fast immer eine Schlagzeile wert. Schwedische Medien berichteten sogar in eigenen Artikeln, dass der Selbstmordattentäter vom Dezember in Stockholm international auf Interesse stieß – es schien als sei man stolz darauf.

Es muss wohl an einem gewissen Minderwertigkeitskomplex liegen, wenn jedes bisschen Aufmerksamkeit gleich zu einem Jauchzen führt. Aus einem großen Land mit (glücklicherweise) wenig Nationalstolz kommend, ist mir das ziemlich suspekt. Noch suspekter muss das wohl Chinesen sein. So wie Chinesen über Berlin oder München als Großstadt nur lächeln können, beschäftigen sie sich vermutlich auch nicht damit, dass ihr Land mal wieder irgendwo im Ausland in einer Zeitung steht.

Dänemark hat es mal wieder geschafft: ‘Anerkendt britisk avis laver hyldestguide til Danmark’ (etwa: ‘Anerkannte britische Zeitung bringt lobpreisenden Dänemark-Führer’) titelt die online Ausgabe der linksliberalen Tageszeitung Politiken und schreibt voller Selbstzufriedenheit, wie toll die britischen Reisejournalisten Dänemark fänden (wenngleich sie über Rassismus klagen, auch das bleibt nicht unerwähnt). The Guardian hatte die entsprechenden Texte veröffentlicht. Letztlich handelt es sich um nichts Weiteres als die klassische typische recht unkritische Reisetippberichterstattung. Aber so wie sich viele Schauspieler, die den Zenit überschritten haben oder jene, die nie die Spitzenliga erreicht haben, über jeden oberflächlichen positiven Artikel über sie freuen, mag er auch noch so substanzlos sein, so ist es wohl mit manch kleinen Ländern – Hauptsache man kann den Eindruck erwecken, wahrgenommen zu werden.

Manchmal ist so etwas – bei Staaten wie bei Schauspielern – tragisch zu nennen. Dabei haben die Länder hier oben wie viele andere auch doch so interessantes zu bieten, warum also jedes bisschen Aufmerksamkeit aufbauschen wie ein Profilneurotiker? Vor drei Jahren präsentierte das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen und Dragset auf der U-Turn Quadriennale (die dann doch ein Einmalereignis blieb) das Werk ‘When a country falls in Love with itself’ – sie stellten einen Spiegel vor dem dänischen Wahrzeichen Kleine Meerjungfrau auf.

Dies nicht aus Eitelkeit, sondern für diejenigen, die mehr lesen möchten:
Für die online Ausgabe von art schrieb ich damals einen Artikel über U-Turn – zu lesen hier, im Interview, das ich im Herbst 2010 mit Elmgreen und Dragset für The Art Newspaper führte, sprechen sie auch über die Selbstbezogenheit Nordeuropas (wobei, was Michael Elmgreen hier sagt auch für Deutschland gelten dürfte – weniger für die seriöse Presse, aber die Bevölkerung als solche, dazu ein aktueller Text von Claudius Seidl aus der FAZ am Sonntag) – komplett nur in der gedruckten Ausgabe, ein Ausschnitt deshalb direkt im Blog:

TAN: Your works When a Country Falls in Love with Itself and Han clearly refer to the Little Mermaid. Ai Weiwei has also been influenced by Copenhagen’s famous sculpture. Why is it so appealing to tourists and artists?

ME: National symbols are always fun to investigate and work with. They tell us about national identity.

TAN: In Sweden, the new right-wing political party in parliament—the Sweden Democrats—argues against supporting non-figurative art. How do you feel, as Scandinavians, hearing that?

ME: It is totally out of touch with reality—the most conservative non-progressive art may be abstract art. But I’m not part of that society anymore: I am an emigrant, I moved somewhere else. I don’t lose sleep about tendencies in Scandinavia. It worries me more that three million people are homeless because of the flooding in Pakistan.

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