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Der Wahlkampf der Vorurteile

Irgendwie ist die Geschichte in ihrer Tragik beinahe entlarvend.

Endlich, dachte ich, kommt es in der Slowakei zu einem Aufstand der Anständigen, wie ich ihn in meinen Jahren in dieser Gegend noch nicht erlebt habe.

 

 

Hintergrund: Auf einem Wahlplakat sitzt ein beleibter junger Mann, der erkennbar zur Roma-Minderheit gehört. Den Oberkörper tätowiert, um den Hals eine dicke Goldkette. „Damit wir nicht die füttern, die nicht arbeiten wollen“, steht in großer Schrift darunter, dazu das Logo der berüchtigten Slowakischen Nationalpartei. Diese Rechts-Außen-Kraft, muss man wissen, sitzt seit vier Jahren mit einem linkspopulisten Premierminister in einer bizarren Regierungskoalition und profiliert sich vor allem mit Kampagnen gegen Minderheiten.

Es dauerte einen halben Tag, bis die Wellen der Empörung schwappten. Menschenrechtler protestierten, Politiker verwahrten sich gegen den Rassismus, Journalisten bombardierten die Parteizentrale mit kritischen Anfragen und die Plakat-Firma überklebte auf eigene Kosten sämtliche der aufgehängten Fotos.

Der einzige, der sich nicht aufregt, ist der Mann auf dem Bild. Rasch machten die slowakischen Kollegen ihn ausfindig. Er habe Geld gebraucht, also habe er dem Fotoshooting zugestimmt, erzählt er ihnen. Einen tätowierten Rom habe die Partei gesucht. Die Goldkette und ein paar zusätzliche Tatoos hat schließlich der Grafiker noch am PC mit auf das Bild montiert, fertig war die Kampagne.

Sein Kommentar zu dem Vorfall: Er habe nur 75 Euro Honorar bekommen für das Bild, und jetzt werde es überall groß plakatiert. Wenn die Nationalpartei noch einmal nachzahle, wolle er allerdings gerne über alles andere hinwegsehen.

 

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Unschuldige Sprengstoffkuriere

 Das muss erstmal jemand der slowakischen Polizei nachmachen: Bei einer Sicherheitskontrolle am Flughafen schmuggelten Beamte den nichts ahnenden Passagieren kleine Sprengstoffpakete ins Gepäck, um mit ihren Spürhunden zu üben. Sieben von den acht Paketen fanden die Hunde. Nummer acht reiste unentdeckt im Linienflugzeug nach Irland. Als die Slowaken ihre Panne kurz darauf meldeten, sperrte die irische Polizei den ganzen Wohnblock um das Appartment des vermeintlichen Sprengstoff-Kuriers, riegelte Straßen ab und nahm sich den Verdächtigen drei Stunden lang in einem Verhör vor.

Es ist zum ersten Mal seit längerer Zeit, dass die Slowaken international in die Schlagzeilen geraten sind. Dass es ausgerechnet eine solche Tragikomödie ist, verwundert ebenso wenig wie die Hauptrolle der Polizei: Seit Jahren gibt es einen Skandal nach dem anderen in den Reihen der Polizei – vom örtlichen Polizeichef, der nach einem Streit angeblich den Ehemann seiner Geliebten von einem Sondereinsatzkommando abführen ließ bis zu den Streifenbeamten, die Romakinder zwangen, sich gegenseitig zu schlagen und auszuziehen. Ans Licht gekommen ist der Skandal nur wegen eines Videos, das die Beamten dabei zu ihrer eigenen Belustigung drehten.

Die Politik zieht aus der Häufung solcher Fälle keine Konsequenzen. Der Innenminister verkündet, es handele sich um menschliches Versagen, für das er keine Verantwortung trage. Seine Partei, die linkspopulistische Gruppierung Smer (die in einer bizarren Koalition mit der slowakischen Rechtsaußen-Partei regiert), dürfte bei den Wahlen im Sommer mit großem Abstand gewinnen.

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