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14. Geschenk: Fair-Trade Wein aus Südafrika

advent_thumb_2Wer die Augen schließt, schmeckt in der dunklen Adventszeit vielleicht die südafrikanische Sonne heraus. Weine vom Kap gehören seit Jahren auch zum Sortiment in Deutschland. Doch ein Blick hinter die Kulissen der prächtigen Weingüter rund um Kapstadt hinterlässt leider teilweise einen bitteren Geschmack: Nicht immer erhalten Arbeiter den Mindestlohn, viele leben mit ihren Familien trotz 12-Stunden-Schichten in Armut und erhalten oft keine Schutzkleidung gegen Pestizide.

Wer sichergehen möchte, dass der Wein zu Weihnachten nicht nur gut schmeckt sondern auch unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde, sollte auf das Fair Trade Label achten.

 

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Adventston 4. 12. –  ein schnurrender Gepard in … ?

March_Interview mit Gepard KopieHier schnurrt keine Hauskatze, sondern die Gepardin Thandi. Gemütlich auf der Seite liegend ließ sie sich von Leonie March streicheln. Leonie: “Ich hatte dabei eher ein flaues Gefühl im Magen. Die zahme Raubkatze ist die Attraktion des „Tenikwa Wildlife Awareness Centre“ an Südafrikas Garden Route. Durch die Tuchfühlung mit den Geparden sollen Touristen für den Schutz der bedrohten Raubtiere sensibilisiert werden.” Über das Centre hat Leonie u. a. in einer Reportage für Deutschlandradio Kultur berichtet.

Leonie lebt und arbeitet seit 2009 in Durban, Südafrika. Reportagen, Features und Analysen aus den Ländern des Südlichen Afrika sind ihre Spezialität. Dabei stellt sie bewusst die Klischees und Vorurteile gegenüber dem „schwarzen Kontinent“ auf die Probe. Als Radio-Korrespondentin berichtet sie aus Kultur, Politik und Gesellschaft, unter anderem für Deutschlandradio Kultur, Deutschlandfunk, SRF und Monocle24. Den Gepard können Sie hier hören.

 

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Mandelas Erbe

Es ist beeindruckend, wie die Südafrikaner in ihrer Trauer um Nelson Mandela zusammenstehen. Hautfarbe oder Herkunft spielen in diesen Tagen keine Rolle. Das Land ist sich selten einig in seiner Dankbarkeit und Würdigung des Lebenswerks ihres „Vaters der Nation“.

Menschen, die sich sonst keines Blickes würdigen, umarmen sich spontan. Sie kommen in den langen Schlangen vor den vielen improvisierten Gedenkstätten und vor öffentlichen Gebäuden, in denen Kondolenzbücher ausliegen, ins Gespräch. Sie bekennen sich zu ihrer Verantwortung, indem sie auf Plakate schreiben „Jetzt liegt es an uns, den langen Weg zur Freiheit weiterzugehen.“.

Es sind diese vielen kleinen, berührenden Szenen und Gesten, die Nelson Mandela wahrscheinlich mehr freuen würden, als all die salbungsvollen Worte von Politikern und Würdenträgern. Südafrika demonstriert wieder einmal, dass es das Potenzial zur Regenbogennation hat. Auch wenn es im Alltag noch längst nicht ausgeschöpft wird.

Die gemeinsame Trauer, so scheint es momentan, könnte den Südafrikanern Kraft geben, sich wieder darauf zu besinnen, was sie eint, statt darauf, was sie trennt. Viele sind sich dessen bewusst, dass nun eine neue Ära beginnt. Sie haben die Symbolfigur des Freiheitskampfes verloren und damit in gewisser Weise auch den moralischen Kompass.

Das kann verunsichern und verängstigen. Aber es kann auch motivieren, engagiert für eine bessere Zukunft einzutreten, untereinander mehr Menschlichkeit zu zeigen und die mühsam errungenen demokratischen Werte zu verteidigen; auch gegen die ehemalige Befreiungsbewegung und heutige Regierungspartei ANC.

Zwar scheinen die Probleme des Landes manchmal unüberwindbar – die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, die weiterhin bestehenden rassistischen Stereotype, die Verrohung der Gesellschaft, Gewaltkriminalität, Arbeitslosigkeit, Aids und die ausufernde Korruption – doch Südafrika ist das scheinbar Unmögliche schon einmal gelungen; der friedliche Übergang von der Apartheid zur Demokratie.

Wenn nur ein wenig von Mandelas Geist, der momentan überall im Land spürbar ist, auch nach der Trauerzeit erhalten bleibt, dann gibt es am Kap weiterhin Grund zur Hoffnung.

 

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Etappensieg für die Pressefreiheit

Er hat nicht unterschrieben. Bravo! Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat ein Gesetz zurück ans Parlament geschickt, gegen das Journalisten und Bürgerrechtler hier am Kap jetzt schon seit Jahren kämpfen. Das „Gesetz zum Schutz staatlicher Information“, in Südafrika besser bekannt als „Secrecy Bill“, frei übersetzt Geheimhaltungsgesetz. Denn mit diesem Gesetz hätten investigativen Journalisten und Whistleblowern drakonische Strafen gedroht, das Recht der Bürger auf Information hätte drastisch und willkürlich beschnitten werden können, Behörden hätten korrupte Machenschaften spielend vertuschen können – um nur einige der Einwände zu umreißen. Die Liste ist noch viel, viel länger. All das ist so gar nicht im Sinne der südafrikanischen Verfassung, die als eine der liberalsten der Welt gilt und Presse- und Meinungsfreiheit groß schreibt. Doch was gelten heute die Ideale des Freiheitskampfes, das Vermächtnis Nelson Mandelas. Der ANC blieb stur.

Trotz aller Kritik hatte die Regierungspartei den Gesetzentwurf mit überwältigender Mehrheit vom Parlament verabschieden lassen. Daher ist es jetzt umso köstlicher, dass ausgerechnet Jacob Zuma die Reißleine zieht. Teile des Gesetzentwurfs entbehrten jeden Inhalts, seien unstimmig, ja irrational und seien daher verfassungswidrig, sagte er gestern vor Journalisten. Da zergeht jedes einzelne Wort auf der Zunge. Zwar konnte Zuma nicht begründen, was genau er ändern lassen möchte. Schwamm drüber. Die Entscheidung hat er wohl nicht selbst gefällt, sondern seine juristischen Berater. Denn das Gesetz hätte in dieser Form niemals einer Verfassungsklage standgehalten und genau damit hatten die Gegner gedroht. Damit ist der Kampf für alle, die in Südafrika noch an Pressefreiheit und Bürgerrechte glauben noch nicht vorbei. Es ist unklar, ob die Abgeordneten jetzt zum x-ten Mal einzelne Passagen ändern, oder das Gesetz ganz in die Tonne treten. Aber erstmal ist es ein wichtiger Etappensieg. Glückwunsch!

 

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Südafrikanischer (not so) Small Talk

„Glauben Sie auch, dass Jesus bald zurückkehrt?“ Vollkommen entgeistert schaue ich von dem Formular auf, in das ich gerade meine Adresse und Telefonnummer eintrage. Wie bitte? Doch die Frau auf der anderen Seite des Verkaufstresens lächelt nur freundlich zurück. Für sie scheint es ganz normal, eine Kundin, die gerade einmal vor 5 Minuten den Laden betreten hat, nach ihrer religiösen Überzeugung zu fragen. Meine Sprachlosigkeit nutzt sie aus, um mir lang und breit zu erklären, warum alles für die Rückkehr ihres Erlösers spricht.

Auch mein Automechaniker verwickelt mich nach der kurzen Unterhaltung über die Ergebnisse der Inspektion in ein langes Gespräch über Glaubensfragen. Ein auffälliger Blick auf die Uhr, alle Versuche seinen Monolog höflich zu beenden und wieder auf mein Auto zu sprechen zu kommen, ignoriert er einfach. Sein Thema ist nicht Jesus’ Rückkehr, sondern die heilende Wirkung der Meditation. Zum Abschied, nach einer gefühlten Ewigkeit, bekomme ich nicht nur die Rechnung mit auf den Heimweg, sondern auch ein Bild seines Gurus.

Südafrikaner reden gern über Religion. Auch mit Wildfremden. Dabei zeigen sie häufig einen, für mich immer wieder überraschend direkten, missionarischen Eifer. Was in Deutschland als Eindringen in die Privatsphäre empfunden würde, gehört am Kap zum erweiterten Small Talk. Und so kann man nie wissen, wie ein Gespräch nach dem ebenso obligatorischen wie harmlosen „How are you?“ endet.

 

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Vier First Ladies

„Verwitwet, geschieden, verheiratet und verlobt – unser Präsident ist all das gleichzeitig!“ twittert ein Südafrikaner. Selbst Hugh Hefner würde da vor Neid erblassen, schreibt ein Kolumnist. Jacob Zuma sei die Elisabeth Taylor unter den Staatspräsidenten. Doch angesichts der präsidialen Hochzeit Nr.6 an diesem Wochenende sind nicht alle am Kap der guten Hoffnung zum Scherzen aufgelegt. Polygamie ist in Südafrika zwar legal, doch langsam stößt die Nation an ihre Toleranzgrenze. Präsident Zuma heiratet zum dritten Mal in vier Jahren. Das Land hat nun also vier First Ladies. Getreu nach seinem Motto: „Viele Politiker haben Geliebte und tun nur so als seien sie monogam. Ich bin lieber offen. Ich liebe alle meine Frauen und Kinder.“

Es ist ein protokollarischer Alptraum: Zuma nimmt mal die eine, mal die andere mit zu Staatsbesuchen ins Ausland, zu offiziellen Veranstaltungen in seiner Heimat gern auch alle seine Ehefrauen. Viele Südafrikaner finden das einfach nur peinlich oder unmoralisch. Andere fragen sich, wer die ständig wachsende Präsidentenfamilie, denn zu den vier Frauen kommen noch mindestens 20 Kinder, finanzieren soll. Da hilft auch die Beschwichtigung des Präsidialamtes nicht, Zuma würde seine Hochzeit natürlich aus eigener Tasche bezahlen und seine Frauen wohnten allesamt in Privathäusern. Denn alle wissen: Der Steuerzahler muss trotzdem für Sekretariate, Sicherheitsleute und Reisen der First Ladies aufkommen.

Jacob Zuma selbst kratzt das alles nicht. Auf die Frage, ob dies denn nun seine letzte Hochzeit sei, antwortete er schmunzelnd: „Ja, wahrscheinlich.“ Skepsis ist angebracht, schließlich bleibt der polygame Präsident noch bis 2014 im Amt, Zeit für mindestens zwei weitere Hochzeiten wäre also noch. Verlobt ist er bereits, First Lady Nr.5 steht schon in den Startlöchern.

 

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Die Fußball-WM – Business as usual?

Vor genau einem Jahr saß ich mit Kai Schächtele im La Siesta Resort am Roten Meer im Cafe »Cute«. Zusammen mit Dutzenden Ägyptern guckten wir das Confed-Cup-Fußballspiel Ägypten–Italien auf einem Großbildschirm. Ein denkwürdiger Abend. Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ich mir ein Fußballspiel anschaute, Kai zuliebe, ich wollte ein guter Gastgeber sein. Die Stimmung war hervorragend, Ägypten gewann 1:0.

Jetzt beschäftigt mich Fußball wieder, und wieder ist Kai schuld. Gemeinsam mit Christian Frey präsentiert er täglich Reportagen in Text, Ton & Bild aus Südafrika, die ich einzigartig nennen möchte. Das müssen sie sein, wenn sogar einer wie ich jeden Tag guckt, was es Neues gibt. Unbedingt selbst anschauen: Die WM – ein Wintermärchen.

Während für den Fußball eigentlich verlorene Seelen wie meine vielleicht doch gerettet werden können, haben viele wirkliche Fans in Ägypten das Nachsehen. Der World-Cup-Song, von Nancy Ajram auf Arabisch produziert (bei Youtube hier), stimmt sie auf die WM ein, aber sie können sich die Fußballübertragungen nicht leisten. Bis heute ist mir ein Rätsel, wie ein globales Gesellschaftsereignis, das von der Leidenschaft von Millionen von Menschen lebt, in die Hände solch einer raffgierigen, mitleidslosen Clique wie der FIFA fallen konnte. Auch diese WM ist in Ägypten weitestgehend nur im Pay-TV zu sehen. Detailliert beschreibt das Karim El-Gawhary in seinem Blog.

Vor vier Jahren war es ähnlich. In den Wochen vor der WM 2006 in Deutschland stieg das Fußballfieber in Kairo mit jedem Tag. Dann plötzlich stand fest: Dem staatlichen ägyptischen Fernsehen waren die Übertragungsrechte zu teuer. Während die Welt Fußball guckte, hingen in Kairo die Deutschlandfahnen stumm an den Fenstern. Die WM fand – gewissermaßen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – auf dem arabischen Bezahlsender A.R.T. statt. Ein entsprechendes Abo hatten damals nur eine Million Leute in dem 80-Millionen-Land. Wie weh das tun musste, kann nur ermessen, wer einmal Ägypter beim Fußballgucken beobachtet hat. »Jetzt hat uns der Kapitalismus«, sagte damals ein Taxifahrer in Kairo zu mir, »auch noch den Fußball weggenommen.«

Manch ein Ägypter schaffte es, den Code zu knacken, andere konnten sich den überteuerten Tee in jenen Kaffeehäusern leisten, die die Spiele übertrugen. Dass das allerdings eine Minderheit war, konnte ich HÖREN. Als die WM 1994 in den USA stattfand, wurde noch frei übertragen. Ich wohnte damals in der Kairoer Altstadt, in einem Viertel von Ahmed Normalverbraucher. Wegen der Zeitverschiebung erklang der Jubel bis nachts um vier bei jedem Tor aus den Wohnungen der Nachbarschaft. Eine Stadt voller Fußballnarren vier Wochen lang im Ausnahmezustand. Während der WM 2006 in Deutschland war es anders. Kairo blieb still, kein Jubel, kaum irgendwo. Die deutschen Zeitungen verkündeten stolz, wie sehr die deutschen Gastgeber das Ausland begeisterten. In Ägypten durften viele das nicht erleben, weil sie nicht genug Geld haben.

Es wurde sogar extra die Ausstrahlung von ARD und ZDF über den Hotbird-Satelliten eingestellt. Einen ganzen Monat lang zeigte die ARD das Programm ARD Extra mit aufgewärmten Wiederholungen von irgendwas, und auf ZDF lief der Kanal ZDF Doku mit spannenden Themensendungen über Makramee u. ä. Wenn ich in Kairo auf einem dritten Programm um 20 Uhr die Tagesschau guckte, passierte folgendes. Sobald ein aktueller Kurzbericht von den Spielen vom Tage begann, wurde der Bildschirm schwarz und es erschien der Satz: »Aus lizenzrechtlichen Gründen etc.« Und das alles nur, damit die Schmuddelkinder an den Katzentischen der Welt nicht doch noch kostenlos was von der WM sehen, und sei es nur ein Fünf-Minuten-Beitrag in einer Sprache, die sie nicht verstehen.

In diesem Jahr hat sich der verschlüsselte Sportkanal von Al-Dschasira die Übertragungsrechte für die arabische Welt gesichert. Man will, heißt es, einige Spiele unverschlüsselt bringen. Das Trauerspiel hat damit kein Ende. Am ersten Tag kam das Signal über NILESAT nur verkrüppelt in die Haushalte. Al-Dschasira vermutet Sabotage, wie hauseigene Kanäle berichten. Der Satellit wird von der ägyptischen Regierung betrieben, und der ist Al-Dschasira ein Dorn im Auge.

 

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Ist ein Arzt an Bord?

Das ist jetzt kein Scherz: Hat jemand da draußen irgendwo einen Arzt übrig? In meiner geschätzten Tageszeitung, dem Sydney Morning Herald, hat heute die westaustralische Ärztekammer Kopfgeld auf GPs (General Practitioners = Allgemeinmediziner) ausgesetzt. Das ganze geht so: Ich finde den Arzt, der Arzt arbeitet für mindestens 12 Monate in Westaustralien, und ich bekomme 3000 Dollar, könnte ich grade gut gebrauchen. Und WA ist eine wirklich klasse Gegend!

 

Natürlich bin ich bereit zu teilen, logisch. Denn wir sind hier unten im doktorlosen Kontinent auf jede Hilfe angewiesen, koste es was es wolle. Also, Tipps aus folgenden Ländern immer gern an mich, (faires 50-50 ist Eherensache): Gefragt sind Weißkittel aus Kanada, USA, South Africa, von den Neuseeländischen Inseln ;-), aus Singapur, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Irland und dem UK. Warum deutsche Ärtze nicht oben auf der ‘Wanted’ Liste stehen, ist mir nicht ganz klar, die müssen evtl. noch extra Beweise ihres Könnens einbringen. Aber wer Mediziner aus genannten Regionen kennt: Get them over here! Aber lasst  es mich vorher wissen, danke. 

 

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Schwarz auf weiß: Südafrikas tägliche Dosis Fremdenhass

In Südafrika machen die Ärmsten der Armen Hetzjagd auf Ausländer vom Rest des Kontinents. Häuser brennen, somalische Geschäfte werden geplündert, Millionen von Mosambikanern, Simbabwern, Malawiern, Kongolesen fürchten um ihr Leben.

Außerhalb der Townships ist die Überraschung groß. Der Geheimdienstchef ergeht sich in wilden Mutmaßungen über eine Verschwörung weißer Rassisten, ansonsten herrscht Sprachlosigkeit. Gewiss, man weiß, dass die Armen sich vom Staat ignoriert fühlen. Aber woher der plötzliche Gewaltausbruch?

Vielleicht hätten die Damen und Herren in Südafrikas „Erster Welt“, die Politker, Intellektuellen und Geheimdienstler, sich hin und wieder dazu herablassen sollen, die größte Tageszeitung des Landes zu lesen, die fast 10 Prozent der Bevölkerung erreicht. Die fasst ein gebildeter Mensch zwar nur mit Gummihandschuhen an, dafür verkauft sich die „Daily Sun“ blendend unter Südafrikas Armen. Das Boulevardblatt hetzt seit jeher gegen Einwanderer und macht sie für so ziemlich alles verantwortlich, was den Lesern nicht passt. Ob Flüchtling, Gastarbeiter oder illegaler Einwanderer: Für die Daily Sun sind sie alle „aliens“. Am Weltflüchtlingstag 2007 lautete der Titel „Du bist geschnappt! Polizist mit GROSSER KNARRE weckt Ausländer, die illegale Ausweise verkaufen“.

„Bildung ist nicht unsere Aufgabe“, sagte mir der Herausgeber Deon Du Plessis zu diesem Thema vor zwei Jahren seelenruhig ins Mikrofon. Seit 2002 macht die „Daily Sun“ Geld damit, dem Volk nach dem Mund zu reden und hat die weit verbreitete Ausländerfeindlichkeit gegenüber Schwarzafrikanern seit Jahren genutzt – um nicht zu sagen gefördert – , um die Auflage hochzutreiben. Das soll nicht heißen, dass die Zeitung verantwortlich ist für die Pogrome. Aber überrascht sollte wirklich niemand sein.

 

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Südafrika zum Nikolaustag

“Elvis, komm!” keift die Frauenstimme hinter unserem Zaun. “Aber sofort!” Elvis lässt die Hacke fallen, schnappt sich seine Jacke und rennt lost. Stolpert fast. “Yes, Madam!” Rüber zur Terrasse, greift sich den Spaten, stellt ihn an die Hauswand, rennt zum Tor. Ein Auto springt an, fährt davon.

Ruhe.

Mein Blick streift über den Garten. Der Rasen auf Rasengardemaß, die Blumenbeete frisch geputzt. Unsere südafrikanische Vermieterin besteht darauf, dass alles seine Ordnung hat hinterm Haus. Und weil ich ein Herz für grünen Wildwuchs habe, hat sie den “Jungen” vorbeigeschickt, den Garden Boy.

Elvis arbeitet seit mehreren Jahren für sie und hat irgendwie keinen Nachnamen. Elvis sorgt für eine elfjährige Tochter. Elvis gibt keine Widerworte, wenn er auf Englisch angeschrien wird, in einer Sprache, die er kaum versteht.

Elvis kann sich glücklich schätzen. Er hat einen Job (für 7 Euro am Tag). Er darf seine Regierung wählen (seit 1994). Er lebt in einem Land, dessen Verfassung die Würde des Menschen schützt und so ziemlich jede denkbare Diskriminierung unter Strafe stellt (Bill of Rights, § 9 und 10).

Am nächsten Tag eine Email der Vermieterin an mich: Ich hätte Elvis unerlaubt einen Rasenmäher gegeben. Ich solle ihn doch bitte nicht behandeln, als sei er ein Gärtner. “Das ist inkorrekt. Sein Gehirn kann so etwas nicht leisten. Ich bezahle ihn dafür, dass er jeden Morgen zur Arbeit kommt. Die meisten [lies: Schwarzen] schaffen nichtmal das.”

For the record: Kapstadt, 6. Dezember 2007, achtzehn Jahre minus zwei Monate nach Mandelas Freilassung – oder wie hieß nochmal der großväterliche Afrikaner mit den putzigen politischen Ideen…

 

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Politiker vs. Journalisten: Schmutziger Kampf mit legalen Mitteln

Politiker haben es nicht leicht. Schon gar nicht, wenn es im Gefüge der Regierungspartei kracht in allen Fugen, so wie gerade im südafrikanischen ANC. Da spielt sich ein formidables Hauen und Stechen um den Parteivorsitz (und damit den künftigen Präsidenten des Landes) ab. Es kocht und brodelt – nach allen Regeln der Parteidisziplin (angeblich – oder so). Es ist die Saison der Wadenbeißer und Schönredner, der Giftpfeilschützen und Aufs-Protokoll-Pocher. Und der Pressesprecher, PR-Berater und Spindoctors.

Schon nervig, wenn weniger auf ANC-Etikette bedachte einheimische Journalisten da plötzlich einen politischen Skandal nach dem anderen ans Licht zerren. Wessen politische Zukunft auf dem Spiel steht, der lässt sich halt ungern von ein paar dahergelaufenen Schreiberlingen der Lächerlichkeit preisgeben.

Was also tun, fragt sich da die arg gebeutelte Regierung in Pretoria. Redaktionsräume durchsuchen wie in Kenia? Kurzen Prozess machen wie in Simbabwe? Zeitungen verbieten wie zu Apartheidzeiten? God forbid! – wie unappetitlich.

Und um fair zu sein: undenkbar im heutigen Südafrika. Um noch fairer zu sein: Was sich Journalisten am Kap an schonungsloser Kritik leisten können, ist in vielen westlichen Demokratien alles andere als selbstverständlich. “Manto – ein Säuferin und Diebin” titelte kürzlich die Sunday Times über die durch ihre Aids-Politik diskreditierte Gesundheitsministerin. Bisher hat dieser Aussage noch niemand widersprochen. Aber die wütenden Rufe nach Maulkörben für Journalisten mehren sich stetig.

Zunächst drohte die Regierung, künftig keine Anzeigen mehr im Blatt zu schalten. Jetzt gibt es ein Angebot, die Muttergesellschaft der Sunday Times zu kaufen. Für 7 Milliarden Rand, obwohl das Unternehmen nach Angaben von Analysten weit weniger wert ist. Und wer steckt dahinter? U.a. ein Berater Thabo Mbekis und der Sprecher des Außenministeriums.

Tada! Sauber, clever, legal. So einfach ist das.

 

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Von Lolli lutschenden Polizisten oder: Geduld ist eine Tugend

Es gibt Tage in Südafrika, da beiße ich mir auf die Zunge, zähle lautlos bis zehn und zwinge mich, tief einzuatmen. Und wieder aus. Wenn ich etwa zum fünften Mal im Außenministerium anrufen muss, weil ich jedesmal intern falsch verbunden oder direkt aus der Leitung gekickt werde. (Kein böser Wille, nein. “Skills shortage” heißt das hier.)

Wenn meine Wohnung über Nacht von Einbrechern ausgeräumt wird und am nächsten Tag zwei Polizisten auftauchen – beide mit einem rosa Lollipop im Mundwinkel – und wissen wollen, was mir fehlt. “Ein IBM-Laptop.” – “Ein was…? IBM? Können Sie das buchstabieren??”

Oder wenn ich (mit schlechtem Gewissen, jaja) den Drive-Through von McDonald's ansteuere, weil ich vor Hunger umfalle, aber gerade überhaupt keine Zeit habe. Fünf Autos stehen vor mir. Fünfzehn Minuten später habe ich mich zum Bestellfenster vorgearbeitet. Die Sonne brennt, in mir brodelt die Ungeduld: Fastfood heißt das Zeug! Oder nicht?!

Da streckt sich mir, bevor ich auch nur meine Pommes ordern kann, eine Hand zum Gruß entgegen, dahinter ein breites Grinsen und die Frage “Hallo, wie geht's? Kommen Sie gerade von der Arbeit? Was für ein wunderschöner Tag!” Ohne zu wissen, warum, schlage ich ein, sage irgendwas Nettes und – lächle zurück! Danach frage ich mich, ob ich noch normal bin (oder langsam meinen Biss verliere) und fahre trällernd nach Hause.

Stimmt schon, in Amerika hätte ich meinen Fishburger in zwei Minuten gehabt, hastig in die Hand gedrückt von einer gestressten Highschool-Schülerin. Und in Deutschland wäre mein Laptop wahrscheinlich gar nicht erst verschwunden. (Immerhin haben die Polizisten mit schuldbewusstem Blick gefragt, ob Lollilutschen okay sei. “Aber ja”, habe ich schulterzuckend gesagt.) Manchmal könnte ich in diesem Land vor Ungeduld an die Decke gehen und den Südafrikanern erklären, wie man… aber irgendwie habe ich direkt danach immer ein schlechtes Gewissen. Und außerdem und mal ganz ehrlich: Entspannt lebt es sich am Kap einfach besser.

 

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Südafrikas multiple Persönlichkeit oder: Auf der Suche nach der verlorenen Identität

Als in Südafrika vor wenigen Monate die Ausstellung "Picasso in Africa" eröffnete, trat ein bis dato unbekannter (und damit offensichtlich unzufriedener) Politiker eine groteske Kulturdebatte los. Sein Vorwurf: Der große Meister habe sich ungefragt von afrikanischer Kunst inspirieren lassen. Dem Kontinent quasi die Identität gestohlen. Mit afrikanischer Kreativität Weltkarriere gemacht, ohne die Afrikaner dafür um Erlaubnis zu bitten.

Wie absurd!, raunte es das Land hinauf und hinunter, bevor man sich wieder wichtigeren Dingen zuwandte. Ausrutscher können schon mal passieren – schließlich ist Südafrika schwer damit beschäftigt, stellvertretend für den gesamten Kontinent das Joch des Kolonialismus abzuschütteln, Afrika in die Zukunft zu führen und zu Hause die Regenbogennation zusammenzuhalten. Vielleicht braucht man dafür auch eine gesunde Portion schwarzen Nationalismus oder, wie Präsident Thabo Mbeki es zu nennen pflegt, eine "afrikanische Renaissance". Mit nicht tot zu kriegender Betonung auf der zweiten Silbe. Steckt in dieser Formel eine Ungereimtheit?

Kein Grund zur Sorge, sowas kommt öfter vor: Als ich neulich sonntags durch die Company Gardens in Kapstadt spazierte, stolperte ich in meiner verträumten Sorglosigkeit fast über das Maschinengewehr eines wichtig aussehenden Soldaten. Der bewachte einen Militärgottesdienst, in dem viele Orden, Krawatten, Anzüge und Uniformen Spalier standen. Und dann stand da diese Militärkapelle im britischen Bobbie-Outfit: rote Uniform mit schwarzer Riesenbommel auf dem Kopf. Die VIP's durften Kränze niederlegen, und die erste, die es damit erwischte, war Kapstadts neue Bürgermeisterin Helen Zille. Stoisch tat Zille ihre Pflicht, während ein schottisch bestrumpfter Dudelsackspieler der südafrikanischen (!) Highlands-Ehrengarde in Zeitlupe um sie herumstolzierte. Der Nation zur Ehre und dem Kontinent zur Renaissance – vielleicht haben die Südafrikaner ihn ja doch im Blut, den Multikulti-Nationalismus.

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