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Iraks zerplatzte Hoffnungen

Und wieder ist eine Hoffnung zerplatzt. Nach fast sechs Jahren Bomben und Terror, glaubte ich, mal über etwas anderes als nur Zerstörung und Tod aus dem Irak berichten zu dürfen. Die Anschläge haben sich seit Anfang des Jahres merklich reduziert, die Einwohner Bagdads schöpften Zuversicht. Die Provinzwahlen im Januar waren als Meilenstein für die weitere Entwicklung Iraks betrachtet worden. Sie verliefen weitgehend friedlich und unproblematisch. Anders als in Afghanistan, scheint die Wahlkommission im Irak gute Arbeit zu leisten. Zwar gab es einige Beschwerden und Betrugsvorwürfe. Denen ist aber akribisch nachgegangen worden unter Oberaufsicht der Uno. Der Leiter der Wahlkommission musste sich vor dem Parlament verantworten. Die Parlamentarier haben ihn reichlich „gegrillt“. Das scheint eine wirksame Methode gegen einen ungehemmten Auswuchs von Korruption und Betrügereien. Gleichwohl steht auch der Irak auf der Liste von Transparency International als einer der korruptesten Staaten auf diesem Erdball.

 

Mit dem Argument der Verbesserung der Sicherheitslage zogen sich die Amerikaner Ende Juni aus den Städten zurück. Die Iraker jubelten und Premierminister Nuri al-Maliki ließ sich im allgemeinen Freudentaumel zu dem Satz hinreißen, man werde die Amerikaner nicht von ihren Stützpunkten zurückholen. „Das mit der Sicherheit schaffen wir alleine!“ Nun haben sich die Iraker seit dem Einmarsch der Amerikaner und Briten 2003 an Explosionen gewöhnt und reagierten teilweise gelassen, wenn nur wenige Meter vor ihnen wieder ein Sprengsatz gezündet wurde. Doch wenn man Hoffnungen schürt und diese enttäuscht, ist es etwas anderes. Die koordiniert gezündeten Autobomben vor den Ministerien Mitte August und jetzt am 25. Oktober wiegen schwerer als alle anderen vordem. Jetzt ist bei vielen auch noch die letzte Hoffnung gestorben.

 

Was die Berichterstattung dieser Ereignisse betrifft, so kann man in den westlichen Medien ebenfalls nur von zerplatzten Hoffnungen sprechen. Der Krieg im Irak ist erklärtermaßen nicht Obamas Krieg. Die Medienkarawane ist längst nach Afghanistan und Pakistan weitergezogen. Irak schaffte es in den letzten drei Monaten kaum über die Randspalten der Zeitungen hinaus. Von durchaus positiven Ansätzen der Entwicklung einer Zivilgesellschaft, von der Neuorientierung der Parteinlandschaft, von der Demokratisierung der Provinzen wollte kein Redakteur etwas wissen. Erst die Bomben, die interessieren wieder. Fast kommt es mir vor, als sei der Irak zum Terrorland abgestempelt und verdammt worden – so wie Afrika der ewige Hungerkontinent ist.

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