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Auf Pferde wetten oder Beten?

 

Angeblich ist fast jeder vierte Australier Katholik, und diese Gruppe damit Down Unders zahlenstärkste Glaubensgemeinschaft. Soweit die Statistik. Die gefühlte Katholikendichte scheint deutlich geringer. Käme das nur mir so vor, würde ich tippen, dass das an meiner Jugend in Münster liegt. (Das ist eine sehr katholische Stadt, von der es heißt “Entweder es regnet, oder es läuten die Glocken; passiert beides, ist Sonntag”). Also, nicht nur habe ich in sieben Jahren Sydney noch nie Sonntags Glockenläuten gehört, hier ist auch nicht mal Pfingsten frei. Aber egal. Zahlen sind Zahlen, und mit denen werden wir gut einen Monat vor Papstbesuch und World Youth Day (WYD) geradezu überschüttet (fühlt sich fast an wie Sonntag in Münster): Das größte religiöse Großereignis in der Geschichte Australiens! 125 .000 Gläubige und internationale Besucher! 8.000 Helfer werden helfen. 2.000 Priester beten. 700 Kardinäle und Bischöfe zelebrieren. 3.000 bis 5.000 Medienvertreter die Medien vertreten. 3,5 Millionen Mahlzeiten werden all diese Leute essen… Ah, es ist herrlich, ich könnte endlos weiter zählen.

Mit den meisten dieser Nummern kommen die meist toleranten Einwohner Sydneys auch gut klar. Selbst darüber, dass die Stadt im Juli gut eine Woche dank einer Art Lock-Down voller Straßenblockaden (300 Straßensperren = 263 000 $ an Parkuhr-Einnahmen-Verluste) unbefahrbar wird, murren wenige.

Nur die WYD-Dollar-Zahlen, die stimmen viele, insbesondere die 75 Prozent Nicht-Katholiken, eher unfröhlich. Mindestens 150 Mio Australische $ (90 Mio Euro) wird die Glaubenswoche die Steuerzahler kosten. Nicht inbegriffen: die 40 Millionen, die der Australische Jockey-Club, Besitzer der Rennbahn Randwick, für den WYD bekommt. Diese Zahl muss ich vielleicht erklären: Australier sind Pferde(- und Wett)besessen. Viele glauben fest, dass das Glück der Erde eher auf dem Rücken der Pferde als sonstwo liegt. Melbourne Cup Day, ein Pferderennen im November, etwa ist Feiertag. Pfingsten nicht. Und Papst Benedikt zelebriert die WYD-Riesenmesse ausgerechnet auf einer Rennbahn im Stadtteil Randwick. Na und? Nix na und. Das kommt einer Katastrophe gleich. Mindestens aber einem finanziellen Desaster der Pferdeindustrie: Wochenlang wird der Platz unbenutzbar, Wetteinnahmen in schwindelnder Höhe werden schwinden, Pferde träge und Rasenflächen häßlich werden. Doch die 40 Millionen $ werden es schon richten. Dass die Jockeys entschädigt werden müssen, sieht in Sydney auch jeder ein. Gemurrt wird, dass nicht anderswo gebetet wird – etwa im Olympia-Stadium, das war doch teuer genug. Ach ja, seufzen verstohlen jene der 25% katholischen Sydneysider, denen Pferdewetten weniger heilig sind: “Fronleichnam ist Fremdwort, Heiligabend Haupt-Einkaufstag – vermutlich höchste Zeit, dass der Papst nach Australien kommt.”

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