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Fahrradfahren in Rom – kann man so blöd sein?

In Rom mit dem Fahrrad zu fahren macht ungefähr so viel Spaß wie im Zirkus in die Hände eines Messerwerfers zu gelangen. Manchmal, wenn ich mit meinem Motorino durch Rom brause, sehe ich trotzdem erstaunlicherweise solche todesmutigen Menschen. Während ich an ihnen vorbeidüse und sie mit meinen Abgasen einneble, fällt mir auf, wie lange ich keinen Fahrradfahrer gesehen habe. Man tut es einfach nicht: Wer in Rom mit dem Fahrrad fährt, gilt entweder als lebensmüde, als verstockter Umweltaktivist oder als armer Schlucker, der sich kein Auto und kein Motorrad leisten kann. Und außerdem: Man könnte ja schwitzen.

Nun will die italienische Regierung mich oder noch viel mehr die eigenen Landsleute zwischen Bozen und Palermo dazu überreden, es doch mal zu versuchen und vom Auto oder Moped auf das Fahrrad umzusteigen. Wer ein Fahrrad kauft, so hat es die italienische Umweltministerin jetzt versprochen, bekommt vom Staat 30 Prozent des Preises bezahlt, bis zu 200 Euro. Die Fahrradhändler freuen sich über diese staatliche Förderungswelle, die schon die zweite ist in diesem Jahr: Im Mai und Juni kauften die Italiener dank der staatlichen Mittel in kurzer Zeit 50.000 Räder, mit der Folge dass die Internetseiten des Umweltministeriums vor der Antragsflut zusammenbrachen.

Aber wer sind die Käufer der Räder? Wer sich jetzt dank der staatlichen Förderung in Norditalien ein Fahrrad kauft, den kann ich ja noch verstehen. Hier gibt es mancherorts ja sogar sogenannte Fahrradwege, ich selbst bin im Studium fröhlich durch Padua geradelt. In Süditalien dagegen ist Fahrradfahren ein Extremsport und kein Vergnügen: Der dichte Verkehr, die höheren Temperaturen und die oft am Hang gelegenen Städte haben dort bisher nicht für einen Fahrradboom gesorgt.

Deshalb hat Umweltministerin Stefania Prestigiacomo ein Einsehen und will langsam aber sicher alle zu einer umweltfreundlicheren Fortbewegung bringen – und wenn`s schon ein umweltfreundlicheres Motorino ist. Deshalb hat sie 5,1 Millionen Euro für eine Abwrackprämie für Roller freigeschaufelt. Nun soll die staatliche Förderung dazu überreden, vom blauen Rauch spuckenden Uralt-Moped auf einen schnurrenden Viertakter umzusteigen. (Mein Motorino verströmt auch nicht den Duft eines Wunderbaums)

Ich bin ja mal gespannt, ob jetzt ausgerechnet im beginnenden Herbst der große Fahrrad-Boom in Rom ausbricht, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Heute habe ich bislang noch kein Fahrrad gesehen, obwohl ich eine Viertelstunde zur Arbeit gedüst bin. Aber ob mit oder ohne staatliche Förderung: Vielleicht kauf ich mir jetzt auch ein Fahrrad, dann kann ich mich „Extremsportler“ nennen und mir von Eiskletterern und Fallschirmspringern auf die Schultern klopfen lassen.

 

 

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