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Fluch und Segen des schwarzen Goldes

Svolvaer, die winzige Inselhauptstadt der Lofoten: Im Konferenzsaal des neuen Thon-Hotels preist Umweltminister Erik Solheim die Schönheit der Landschaft. Die archaische Inselwelt mit ihren gewaltig aufragenden Granitfelsen sei das Schönste, was das Land zu bieten habe. „Ein modernes Land“ im Übrigen, mit zivilisierten Umgangsformen, strengen Gesetzen und dem „weltbesten Verwaltungsplan“ für seine Naturschätze, so der Minister. Die Deepwater Horizon-Havarie gibt dem fortschrittlichen Norweger dennoch zu denken: „Das ist nicht in irgendeinem korrupten Entwicklungsland passiert und betroffen war einer der weltgrößten Energiekonzerne.“ Die Katastrophe hat die Norweger aufgeschreckt, die auf öffentlichen Hearings wie gestern in Svolvaer über die jüngste Konzessionsrunde für die Petrokonzerne beraten. Die Hälfte der zur Erkundung beantragten Fördergebiete liegt in sensiblen Küstengewässern sowie in den arktischen Gewässern der Barentssee.

 

Aus dem fernen Oslo ist reichlich Politprominenz angereist: „Eine gedeihliche Koexistenz von Fischereiwesen und Petroindustrie ist möglich“, sagt Fischereiministerin Lisbeth Berg-Hansen. Sie vertritt die Interessen der zweitwichtigsten Branche des Landes. Um das weltbekannte Gütesiegel „Fisch aus Norwegen“ sorgt sie sich nicht.

Dabei warnt das Meeresforschungsinstitut in Bergen in alarmierendem Tonfall vor dem Vorstoß der Petrokonzerne in die sensiblen Gewässer der Lofoten und Västerålen. Der Kontinentalsockel ist schmal, das Gebiet über viele Monate in Dunkelheit gehüllt und von Stürmen geplagt, mächtige Meeresströmungen würden eine Ölpest weit verbreiten, die Strände wären kaum zu reinigen: Auch aus fast jeder der über 300 Seiten des wissenschaftlichen Berichts von 26 Forschungsinstitutionen zum Verwaltungsplan ließe sich die Botschaft herauslesen: Lasst es bleiben!

Dann geht es hoch her, im Saal wie auf dem Podium: Studien zu den Auswirkungen der seismischen Erkundungen seien manipuliert worden, ruft ein Fischer. Dass die Industrie viel zu großen Einfluss auf die Studien nimmt, kritisieren auch Umweltschützer – und fordern dringend mehr unabhängige Forschung. Einigen der rund 200 Teilnehmer des Hearings drängt sich der Eindruck auf, über die neuen Konzessionen für die Inselgewässer sei bereits entschieden.

„Wir nehmen die Katastrophe im Golf von Mexiko sehr ernst“, entgegnet  Ölminister Terje Riis-Johansen. Konzessionen in der Tiefsee und in sensiblen Küstengewässern würden erst vergeben, wenn die Ursachen für das Desaster restlos aufgeklärt sind.

 

Frederic Hauge meint, diese schon zu kennen: „Alle großen Spieler der Branche versuchen, die Kosten zu senken, Arbeiter werden unter Druck gesetzt, Risiken ignoriert, Leckagen in Kauf genommen“, sagt der streitbare Gründer der Umweltorganisation Bellona.  Auch der Staatskonzern Statoil sei da keine Ausnahme. Mit einer Dokumentation der jüngsten Unfälle und Beinahe-Katastrophen will Bellona verdeutlichen: Eine verheerende Ölpest wäre auch in Nordsee, Norwegischer See und Barentssee jederzeit möglich. Und ihre Folgen würden alles bislang Gesehene in den Schatten stellen.

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