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Kinder kicken fürs örtliche Bordell

Vor einem Monat sorgte eine Reihe Fotos aus den Arkaden von Barcelonas berühmtem Altstadt-Markt Boquería für einiges Aufsehen. Da hatte sich ein Tageszeitungsfotograf am Wochenende sehr früh morgens auf die Lauer gelegt und ein paar Prostituierte beim ambulanten Sex mit nachtschwärmenden Touristen abgelichtet. Das war zwar nicht wirklich auf offener Straße, aber doch weit genug im öffentlichen Raum, um erneut eine Diskussion über die Grenzen des guten Willen und der Toleranz zu entfachen. Wenn die Huren – hieß es fast überall – ihrem Geschäft wenigstens in Bordellen etc. nachgehen würden! Allerdings hatte die Stadt, die periodisch von einem Ordnungswahn befallen wird, der sich immer als civisme (in etwa: Bürgersinn) ausgibt, erst vor wenigen Jahren verfügt, keine Bordelle mehr zu erlauben, die näher als 200 Meter an Wohnhäusern oder Schulen lägen. Das bedeutete im Radius der engen Altstadt ganz einfach: keine Bordelle mehr – was logischerweise gewisse Engpässe provozierte. Jetzt ist Barcelonas (damals wie heute sozialistischer) Bürgermeister entschlossen, die Bedingungen für neue Konzessionen zügig zu vereinfachen. Das Thema soll sogar Eingang in den nächsten Wahlkampf finden. Allerdings nicht unter der Leitlinie: Wir machen den Weg frei für neue Bordelle!, sondern eher als: Wir schaffen die Huren von der Straße! Denn wer möchte schon für Bordelle werben …

Andererseits kann ein Bordell in Katalonien durchaus ein „Modellbetrieb“ sein. Der (bürgerlich-nationalistische) Bürgermeister des 2000-Seelen-Ortes Bellveí jedenfalls lässt auf den Club Estel in seiner Gemeinde nichts kommen. Gleich zwei Mal betonte er auf der jüngsten Gemeinderatsversammlung, besagter Club sei „das beste Unternehmen unseres Industriegebiets“ (eine sozialistische Abgeordnete forderte aus Gründen „strenger demokratischer Hygiene“ einen sofortigen Widerruf, jedoch vergeblich). Anders als andere Unternehmer hilft der Clubbetreiber nämlich kräftig bei der Finanzierung der örtlichen Stadtfeste mit. Und er kümmert sich sogar um die Jugendarbeit: Dem Fußballnachwuchs von Bellveí (zwischen 4 und 14 Jahre alt) hat er Sweatshirts und Trainingsanzüge mit Clublogo und -Schriftzug gestiftet. Manche Kinder wissen kaum, für welche Firma sie werben, während sie kicken, aber die Eltern spüren offenbar wenig Erklärungsbedarf und freuen sich stattdessen über die milde Gabe.

Bisher hat Barcelonas Bürgermeister das Beispiel Bellveí noch nicht aufgegriffen und etwaigen Start-up-Bordellen attraktive Werbeflächen oder Sponsorendeals angeboten. Womöglich muss sich erst noch mal ein Fotograf auf die Lauer legen.

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