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Klein, aber riesig! Das Geheimnis römischer Trattorien

“Schön, dass es noch solche Trattorien gibt”, seufzte ich zufrieden und stellte mein Glas Rotwein ab. Ich war einfach begeistert. Und in diesem Moment noch ahnungslos.

Es ist nur wenige Tage her, ich war mit Freunden in einem kleinen Lokal im altrömischen Stadtteil Trastevere zum Essen.  Als ich den Laden betrat war ich noch angetan. Gerade einmal acht Tische! Hier, so mutmaßte ich, muss das Essen gut sein! Hier wird noch mit Liebe gekocht! Hier bestimmt noch die Leidenschaft, nicht das Geld! Hier, so war ich überzeugt, gilt das Motto: “Wirtschaftlich lohnt es sich zwar nicht, aber es ist uns ein Bedürfnis, auch für wenige Gäste gut zu kochen.”

Tatsächlich, die Nudeln waren spitze und ich bester Laune. “Wie habt ihr dieses Mini-Lokal nur gefunden?”, fragte ich meine Freunde anerkennend. Sie schauten, als hätten sie mich nicht recht verstanden.

Nach dem Essen wurde mir klar, warum.  Ich fragte nach der Toilette, der Kellner sagte “sotto!” und ich stieg die Treppe hinab. Je tiefer ich stieg, desto laute wurde es: Gemurmel und Gebrummel von Menschen. Vielen Menschen! Und tatsächlich: Unten stand ich nicht, wie gedacht, im geheimnisvollen Weinkeller einer vermeintlich schnuckeligen Trattoria, sondern in einem ziemlich großen, neonbeleuchteten und mit Marmor verkleideten Essenssaal. Gut 40 Gäste saßen da, Pizza essend und Bier trinkend, weitere Türen zu weiteren Räumen. Verdattert blieb ich auf der untersten Stufe stehen. Erst ein forsches “Avanti!” des von oben nachdrängenden Kellners weckte mich auf: Die vermeintlich kleine, gemütliche, Trattoria, war in Wirklichkeit ein Freßtempel wie jeder andere! 

 So geht es einem ständig in Rom: Man besucht ein Lokal, glaubt, man habe den Geheimtipp des Jahrhunderts entdeckt – um dann zu merken, dass im Untergeschoss noch drei Touristengruppen aus Wuppertal und zwei Dutzend Pilger aus Polen sitzen und auch noch Platz wäre für weitere drei Busladungen. Wie oft schon ist es mir so gegangen! Von der Gasse aus linst man in ein kleines Lokal hinein und dann lotst einen der Kellner die Kellertreppe hinunter. Da sitzt man dann zwischen Leuten, denen es genauso geht wie einem selbst: Enttäuscht, dass der Geheimtipp eine Fata Morgana war. 

 Doch halt! Ausnahmsweise können da die Römer nichts dafür und es steckt keine Schlitzohrigkeit dahinter. Es geht eben nicht anders. Die mittelalterlichen Häuser sind eben so kleinteilig gebaut.

Da ein Räumlein! Da ein Zimmerchen! Da eins! Und da noch eins! So ist es übrigends auch bei einem Elektroladen in meinem Stadtviertel. “Kyndes” heißt der und alle empfehlen ihn als besten Elektro-.”Großmarkt” in Rom. Und dann fährt man hin und es ist wie bei den Restaurants: Ein winziger Eingang – doch innen zieht sich der Laden im Paterre und Keller auf hunderten Quadratmeter dahin: Hier ein Räumlein für die Kühlschränke, da ein Kämmerchen für die Toaster, da ein Zimmerchen für die DVD-Player…und so weiter und so fort. Kein Konsumtempel. Schlimmer noch: Ein Konsumlabyrinth.

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