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Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrums! – Martin Zöller über seine Angst vor den Balkonen der Nachbarn

Träumen darf man ja, nur bringt’s halt manchmal nichts. Zum Beispiel in Rom. Jeder der nach Rom geht, träumt von einer Dachterrassenwohnung. Nur sind diese Wohnungen so teuer, dass man sie sich eh nicht leisten kann. Deshalb wohne ich zum Beispiel im ersten Stock und schaue neidisch von meiner schattigen Terrasse hinauf zu den sonnigen Höhen der Nachbarn.

 

                       

Doch Vorsicht: Da meine Terrasse größer ist, als die Balkone darüber, sind schon zwei Mal Blumentöpfe von oben hinuntergekracht. Sie verfehlten mich knapp, anders übrigens als jener schwarze Socke, der mitten auf meinen Pasta-Teller segelte.

Doch jetzt geht’s den Oben-Wohnern an den Kragen. Die Polizei hat sich angekündigt und will alle Balkone des Hauses überprüfen. Der Grund: Kürzlich hatte ein Nachbar die Feuerwehr gerufen, weil es im ganzen Haus nach Gas stank – die Feuerwehr spürte das Gas-Leck auf: Auf dem Balkon des Nachbarn. Dieser hatte frecherweise seinen Balkon zur Küche ausgebaut und offenbar die Gas-Anschlüsse versemmelt. Hmm, dachte sich so die Baupolizei. Wie werden wohl die anderen Balkone genutzt? Zum Frische-Luft-Schnappen und Geranien-Gießen? Oder für was? 

 

Deshalb ist mein Freund und Nachbar Andrea jetzt in Panik.

                   

Denn auch Andrea hat kürzlich seinen Balkon ausgebaut und zwar zur Superküche: Man rührt in der Spaghettisoße und schaut auf die Kuppel des Petersdoms. Er hatte sogar wilden Wein und Jasmin angepflanzt, um den Schwarzbau zu tarnen. Und jetzt? “Eeeeeeeeeeh”, macht Andrea. Er weiß es nicht.Er tut mir leid. Er hat die Küche nicht aus Spaß auf den Balkon gebaut, sondern weil seine Frau ein drittes Kind erwartet. Und eine größere Wohnung können sie sich nicht leisten. Was für Andrea schlimm wäre, wäre für andere höchstens ärgerlich: Frau Lovello müsste ihr Esszimmer und den Fernseher wieder nach innen verlegen, und Frau Prosperi müsste anderswo Platz für Waschmaschine, Trockner und Gefriertruhe finden.

Doch vielleicht passiert auch gar nichts: Trotzig sagen im Haus nun alle, sie würden einfach in Zukunft nicht mehr aufmachen, wenn es an der Tür klingelt – könnte ja die Polizei sein. Aber was, wenn draußen an der Tür eine energische Stimme sagt “Polizia!” – und plötzlich fängt Andreas jüngster Sohn, der einjähige Alessandro, zu schreien an? “Dann wären wir verraten”, sagt Andrea mit ernstem Gesicht.

So leid es mir täte für Andrea: ich kann der Balkon-Prüfung auch etwas Gutes abgewinnen. Denn von Balkonen stürzende Socken und Topfpflanzen kann ich vielleicht noch schwerverletzt überleben. Wenn aber alle sechs Balkone über mir mitsamt Küchen, Kühlschränken., Waschmaschinen und Fernsehern auf meine Terrasse stürzen während ich dort Spaghetti esse, was dann? Dann hätte ich viel zu schnell doch noch meine Dachterrasse. Eine flauschige Wolke im Himmel mit Panoramablick.

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