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Audio #2: Weltfremd oder inspirierend?

Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.

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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert


Viele Zeitungen berichten von den Lesungen, zu denen auch Philip Hedemann von Buchläden, Bücherein auber auch von vielen Schulen eingeladen wird. Auch viele Radiostationen rezensierten das Buch bereits, zum Beispiel Bayern 2

Autorinnen und Autoren haben auf Dutzenden von Lesungen in ganz Deutschland (hier ein Bericht aus dem oberpfälzischen Pressath) diskutiert, sich Kritik gestellt und Fragen beantwortet.

Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weitergegangen ist und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philipp erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.

Im Audio hören Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl  ins Audio, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.

Birgit Kaspar in Toulouse spricht  mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach Jahren in Paris, bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.

Zu weit weg?

Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Engelhard hat außer vielen positiven Rückmeldungen natürlich auch kritische bekommen. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderem Land 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”

Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.

In Lesbos bleiben die Tische leer

Im Audio #2 hören Sie von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sein Leben auf der Insel Lesbos sich komplett verändert hat. In Skala Sikamineas gleich am idyllischen Hafen bleiben die Tische leer. Zwar kommen dort keine Flüchtlinge mehr an wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr, sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.

Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aussitzen. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste nicht nur von Menschenrechtsorganisationen noch immer unklar ist.

Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.

Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast noch einiges Neues.Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.

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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert

Viele Zeitungen berichten von den Lesungen, zu denen auch Philip Hedemann von Buchläden, Bücherein auber auch von vielen Schulen eingeladen wird. Auch viele Radiostationen rezensierten das Buch bereits, zum Beispiel Bayern 2

Autorinnen und Autoren haben auf Dutzenden von Lesungen in ganz Deutschland (hier ein Bericht aus dem oberpfälzischen Pressath) diskutiert, sich Kritik gestellt und Fragen beantwortet.

Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weitergegangen ist und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philipp erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.

Im Audio hören Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl  ins Audio, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.

Birgit Kaspar in Toulouse spricht  mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach Jahren in Paris, bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.

Zu weit weg?

Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Engelhard hat außer vielen positiven Rückmeldungen natürlich auch kritische bekommen. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderem Land 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”

Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.

In Lesbos bleiben die Tische leer

Im Audio #2 hören Sie von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sein Leben auf der Insel Lesbos sich komplett verändert hat. In Skala Sikamineas gleich am idyllischen Hafen bleiben die Tische leer. Zwar kommen dort keine Flüchtlinge mehr an wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr, sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.

Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aussitzen. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste nicht nur von Menschenrechtsorganisationen noch immer unklar ist.

Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.

Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast noch einiges Neues.Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.

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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert

 

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Mandelas Erbe

Es ist beeindruckend, wie die Südafrikaner in ihrer Trauer um Nelson Mandela zusammenstehen. Hautfarbe oder Herkunft spielen in diesen Tagen keine Rolle. Das Land ist sich selten einig in seiner Dankbarkeit und Würdigung des Lebenswerks ihres „Vaters der Nation“.

Menschen, die sich sonst keines Blickes würdigen, umarmen sich spontan. Sie kommen in den langen Schlangen vor den vielen improvisierten Gedenkstätten und vor öffentlichen Gebäuden, in denen Kondolenzbücher ausliegen, ins Gespräch. Sie bekennen sich zu ihrer Verantwortung, indem sie auf Plakate schreiben „Jetzt liegt es an uns, den langen Weg zur Freiheit weiterzugehen.“.

Es sind diese vielen kleinen, berührenden Szenen und Gesten, die Nelson Mandela wahrscheinlich mehr freuen würden, als all die salbungsvollen Worte von Politikern und Würdenträgern. Südafrika demonstriert wieder einmal, dass es das Potenzial zur Regenbogennation hat. Auch wenn es im Alltag noch längst nicht ausgeschöpft wird.

Die gemeinsame Trauer, so scheint es momentan, könnte den Südafrikanern Kraft geben, sich wieder darauf zu besinnen, was sie eint, statt darauf, was sie trennt. Viele sind sich dessen bewusst, dass nun eine neue Ära beginnt. Sie haben die Symbolfigur des Freiheitskampfes verloren und damit in gewisser Weise auch den moralischen Kompass.

Das kann verunsichern und verängstigen. Aber es kann auch motivieren, engagiert für eine bessere Zukunft einzutreten, untereinander mehr Menschlichkeit zu zeigen und die mühsam errungenen demokratischen Werte zu verteidigen; auch gegen die ehemalige Befreiungsbewegung und heutige Regierungspartei ANC.

Zwar scheinen die Probleme des Landes manchmal unüberwindbar – die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, die weiterhin bestehenden rassistischen Stereotype, die Verrohung der Gesellschaft, Gewaltkriminalität, Arbeitslosigkeit, Aids und die ausufernde Korruption – doch Südafrika ist das scheinbar Unmögliche schon einmal gelungen; der friedliche Übergang von der Apartheid zur Demokratie.

Wenn nur ein wenig von Mandelas Geist, der momentan überall im Land spürbar ist, auch nach der Trauerzeit erhalten bleibt, dann gibt es am Kap weiterhin Grund zur Hoffnung.

 

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Etappensieg für die Pressefreiheit

Er hat nicht unterschrieben. Bravo! Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat ein Gesetz zurück ans Parlament geschickt, gegen das Journalisten und Bürgerrechtler hier am Kap jetzt schon seit Jahren kämpfen. Das „Gesetz zum Schutz staatlicher Information“, in Südafrika besser bekannt als „Secrecy Bill“, frei übersetzt Geheimhaltungsgesetz. Denn mit diesem Gesetz hätten investigativen Journalisten und Whistleblowern drakonische Strafen gedroht, das Recht der Bürger auf Information hätte drastisch und willkürlich beschnitten werden können, Behörden hätten korrupte Machenschaften spielend vertuschen können – um nur einige der Einwände zu umreißen. Die Liste ist noch viel, viel länger. All das ist so gar nicht im Sinne der südafrikanischen Verfassung, die als eine der liberalsten der Welt gilt und Presse- und Meinungsfreiheit groß schreibt. Doch was gelten heute die Ideale des Freiheitskampfes, das Vermächtnis Nelson Mandelas. Der ANC blieb stur.

Trotz aller Kritik hatte die Regierungspartei den Gesetzentwurf mit überwältigender Mehrheit vom Parlament verabschieden lassen. Daher ist es jetzt umso köstlicher, dass ausgerechnet Jacob Zuma die Reißleine zieht. Teile des Gesetzentwurfs entbehrten jeden Inhalts, seien unstimmig, ja irrational und seien daher verfassungswidrig, sagte er gestern vor Journalisten. Da zergeht jedes einzelne Wort auf der Zunge. Zwar konnte Zuma nicht begründen, was genau er ändern lassen möchte. Schwamm drüber. Die Entscheidung hat er wohl nicht selbst gefällt, sondern seine juristischen Berater. Denn das Gesetz hätte in dieser Form niemals einer Verfassungsklage standgehalten und genau damit hatten die Gegner gedroht. Damit ist der Kampf für alle, die in Südafrika noch an Pressefreiheit und Bürgerrechte glauben noch nicht vorbei. Es ist unklar, ob die Abgeordneten jetzt zum x-ten Mal einzelne Passagen ändern, oder das Gesetz ganz in die Tonne treten. Aber erstmal ist es ein wichtiger Etappensieg. Glückwunsch!

 

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Die gelbe Gefahr!

 

Aus aktuellem Anlass ein paar Worte zur »gelben Gefahr«, weil mir vorhin auf Facebook jemand Folgendes schrieb:

 

»Ich frage mich, warum der gelbe Hintergrund in Ihrem Facebook-Profilfoto, der aktuell als Kennzeichen der Muslimbrüder-Sympathisanten angesehen wird? Ich erwarte Neutralität von Journalistinnen und Journalisten!«

Nun, ähemm, das Foto steht so, wie es aussieht, seit April 2011 auf meiner Facebook-Seite, weil ich damals dachte, dass rot und gelb zusammen so’ne schöne Signalwirkung entfalten. Hat mir einfach gut gefallen. Dass es die Farbe der Muslimbrüder sein soll, ist mir unbekannt (seit GESTERN verwenden sie allerdings einen gelben Hintergrund in einem ihrer Protestlogos). Man könnte über den Vorwurf an mich lachen, wenn er nicht ein Beispiel dafür wäre, wie so manchem Ägypter (und Deutschen in Ägypten und Deutschen in Deutschland, der sich für Ägypten interessiert) in dieser Atmosphäre der Hysterie die Nerven durchgehen.

 

 

Ich richte ja nie meine Berichterstattung an den Stimmungswogen der Leute aus. Eine der Hauptfragen, die ich mir beim Recherchieren und Schreiben selber stelle, lautet: »Ist das, was ich sehe, jetzt wirklich das, was ich denke, was es ist…?« Will sagen: Es gibt ziemlich viele Gründe dafür, immer und überall kritisch unter die Oberfläche zu gucken. Was Ägypten betrifft, gilt das nicht nur für die Islamisten, auch für Militär, Sicherheitskräfte, Opposition usw. usf. Alles andere wäre journalistisch falsch (und außerdem sterbenslangweilig).

 

 

Ich weiß, dass das schwierig für jene ist, die nach einfachen ›Wahrheiten‹ dürsten, nach solchen, die am besten auch noch ihren Stimmungen und Erwartungen entsprechen. Ich verstehe das ja, aber es ist journalistisch nicht machbar. Ich erhalte auch Post, in denen Unterstellungen stehen wie: »Sie haben doch die Muslimbruderschaft immer geschont und die Gefahr verharmlost!« — Wahlweise steht statt Sie auch gern Ihr für »Ihr Journalisten«…

 

 

Wen es interessiert, ich verlinke hier mal ein paar meiner Beiträge, die ich eben auf die Schnelle rausgesucht habe. Das soll keine Rechtfertigungsein (dazu gibt es keinen Grund), sondern eine Ermunterung dazu, mal ein bisschen genauer in die deutschen Medien hineinzugucken oder hineinzuhören. Da gibt es bei meinen Kollegen (auch von WELTREPORTER.NET) ne ganze Menge zu entdecken, zum Beispiel in den Tageszeitungen und auf den öffentlich-rechtlichen Radiosendern (sehr empfehlenswert!) und zum Beispiel besonders auch bei Karim El-Gawhary.

 

 

Hier Links zu ARD-Hörfunkbeiträgen von mir aus dem Frühjahr und Winter:

 

 

Das folgende Stück hier wurde knapp drei Monate vor der Entmachtung Mursis gesendet, ich lasse einen ägyptischen Gesprächspartner erklären, warum er die Ideologie der Muslimbruderschaft für gefährlich & faschistisch hält :

 

 

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/04/12/drk_20130412_2248_aeceaafc.mp3

 

 

Hier zu Menschenrechtsverletzungen unter Mursi (April 2013):

 

 

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/02/11/drk_20130211_1214_7d7da371.mp3

 

 

Hier genau zur Hälfte der Amtszeit Mursis (Januar 2013), ebenfalls über Menschenrechtsverletzungen und repressive Politik:

 

 

http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten1410.html

 

 

Hier die ersten Massenproteste gegen Mursi & Muslimbruderschaft im Dezember 2012:

 

 

http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-proteste110.html

 

 

Das sind einige von vielen Beispielen. Auf den Text-Webseiten gibt es jeweils immer auch ein Audio-Logo, auf das man klicken kann, um sich das jeweilige Stück anzuhören.

 

 

Mal auch ganz spannend für mich, in der Rückschau zu gucken, wie die eigene Berichterstattung damals aussah. ■

 

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Ägypten – das Reich der Phantasie

Dass die Wahrheit in Konflikten auf der Strecke bleibt, ist eine Binsenweisheit, ebenso wie die Tatsache, dass mit Informationen Politik gemacht wird. Geschenkt. Es gibt nichts, das ein Journalist nicht kritisch abklopfen muss.

 

Am 26. Januar 2011, dem zweiten Tag des ägyptischen Volksaufstandes gegen Mubarak, bin ich tagsüber zu drei Orten in der Nähe des ARD-Studios gegangen, für die Regimegegner Demos mit mehreren Tausend Menschen über Twitter und auf Facebook vermeldet hatten. An nicht einem der drei Orte traf ich auch nur einen einzigen Demonstranten an.

 

Bei Opferzahlen sieht’s nicht anders aus. Wem hohe Zahlen nutzen, der vermeldet hohe Zahlen, wem nicht, der nicht. Fotos von Kindern, die das ägyptische Militär angeblich bei ihren brutalen Angriffen gegen Mursi-Anhänger in Kairo tötete, erwiesen sich später als Bilder von Kinderleichen aus Syrien.

 

Diese Bilder waren auf Webseiten aufgetaucht, die der Muslimbruderschaft nahestehen. Andere Webseiten fanden die Quelle und stellten die Screenshots der ägyptischen sowie der syrischen Webseite nebeneinander –beide zeigen dasselbe Massakerfoto, nur mit einer anderen Bildunterschrift.

 

Ich habe aber auch schon Webseiten mit solchen Gegenüberstellungen gesehen, bei denen der »Beweis«, also der Screenshot von der Webseite mit dem angeblichen Originalfoto, eine Fälschung war – und das angeblich »entlarvte« Foto aber echt. Alles ziemlich verworren.

 

Gestern tauchten in Ägypten Fotos von Männern in Zivil auf, die mit Maschinengewehren bewaffnet am Rande von Demonstrationen durch Kairos Straßen liefen. Angeblich soll es sich um bewaffnete Mursi-Anhänger gehandelt haben. Das kann stimmen, ich habe selber in den letzten Wochen Mursi-Anhänger mit Waffen gesehen. Die Behauptung kann aber auch falsch sein. Andere Fotos von gestern zeigen Männer in Zivil und mit Maschinengewehren, die mit Polizisten in der Sonne stehen, plaudern und ganz offensichtlich zu ihnen gehören.

 

Zu welcher ‘Seite’ gehören Männer in Zivil, die in der Nähe von Protesten mit Waffen rumlaufen? Das Publikum entscheidet sich für die Antwort, die es hören will. Das ist der Hauptpunkt. Nur wenige der vielen Falschinformationen und Behauptungen dienen noch dazu, einen Beweis zu suggerieren. Sie sollen einfach nur Stimmungen beeinflussen, bei Leuten, die ohnehin schon in einer bestimmten Weise gestimmt sind.

 

Es ist inzwischen völlig egal, wie plausibel diese Behauptungen sind. Sie tauchen auf, sie putschen auf. Sie sind ein paar Stunden später schon wieder aus der Wahrnehmung verschwunden und haben ihren Zweck erfüllt. Im Zeitalter von Social Media und von Fernsehbildschirmen, die rund um die Uhr flimmern, erwartet niemand mehr, das irgendwas von dieser Informationsflut später dementiert oder entlarvt wird. Es guckt sich alles einfach so weg.

 

Seit Mittwoch wurden in Ägypten landesweit mehrere Dutzend Kirchen gestürmt, verwüstet und/oder in Brand gesteckt. Ich habe in Videoaufnahmen Täter gesehen, bei denen es sich mit ziemlicher Sicherheit um Sympathisanten von Mursi und der Muslimbruderschaft handelte – zur ‘Rache’ womöglich angefeuert durch die Reden, die wochenlang von der Protestcamp-Bühne an der Rabaa-al-Adawiyya-Moschee hallten und in denen aufs Übelste immer wieder auch gegen Christen gehetzt wurde.

 

Auf Aufnahmen von anderen der attackierten Kirchen sah ich Angreifer, die mit Pick-up-Trucks kamen und bei denen es sich unverkennbar um Baltagiyya-Schlägertrupps handelte, um jene meist jungen, verrohten Männer aus Armenvierteln, die seit Jahrzehnten für Funktionäre der Mubarak-Nomenklatura die Drecksarbeit machen, nicht selten vollgepumpt mit Bango (Marihuana), und die ein paar ägyptische Pfund für ihren Einsatz erhalten.

 

Eine ägyptische Koptin aus Beni Suef (die ich nicht kenne und für deren Äußerungen ich nicht bürgen kann) schrieb auf ihrer Facebook-Seite (mehrere Tausend Abonnenten): »Glaubt mir! Die, die bei uns im Ort die Kirchen anzündeten, waren Geheimdienstleute in Zivil und Männer von der NDP (Mubaraks 2011 aufgelöster Regierungspartei).« In einem Fernsehinterview an jenem Mittwoch erzählt ein koptischer Kirchenfunktionär aus Al-Minya, dass die Angriffe auf alle Kirchen im Ort exakt zur selben Zeit nach demselben Muster abliefen und vor allem in jenem Moment im Morgengrauen stattfanden, als in Kairo die brutale Räumung der Protestcamps der Mursi-Anhänger gerade begonnen hatte. Die Kopten riefen die Polizei an und baten um Schutz und Hilfe, aber bei keiner der überfallenen Kirchen habe sich die Polizei blicken lassen, bis zum Schluss nicht.

 

Es bleibt einem nichts weiter übrig, als sich auf all das irgendwie selber einen Reim zu machen – indem man so aufwändig und so kritisch wie möglich recherchiert und indem man die eigenen, Jahre langen Erfahrungen bei der Beurteilung hinzuzieht. Nach dem, was ich von den Überfällen auf die Kirchen gesehen habe, würde ich sagen: sowohl radikale, aufgehetzte Mursi-Sympathisanten als auch koordiniert agierende Angreifer, die Überfälle orchestrierten, die den Islamisten in die Schuhe geschoben werden können.

 

Vorfälle dieser und ähnlicher Art müssten von offizieller Seite untersucht werden. Nach jedem Blutbad der letzten zweieinhalb Jahre wurde schonungslose Aufklärung versprochen, aber ich kann mich an keinen einzigen Untersuchungsbericht erinnern. Und wenn es Pressekonferenzen gab, auf denen »Untersuchungsergebnisse« präsentiert wurden, waren sie keine einzige der Minuten wert, die man für sie opferte.

 

Im Oktober 2011 habe ich sechs Stunden lang aus nächster Nähe mit ansehen müssen (ich konnte den Ort nicht verlassen), wie das ägyptische Militär vor dem TV-Gebäude Maspero ein Massaker unter Teilnehmern einer Christendemonstration verübte. Ich sah Soldaten, die auf Menschen schossen (die dann getroffen zusammensackten), ich sah, wie gepanzerte Militärfahrzeuge über Demonstranten fuhren. Am Ende waren mindestens 27 Menschen tot.

 

Ein paar Tage später gaben Armeeoffiziere auf einer Pressekonferenz die offizielle Version der Militärs bekannt. Fast alles, was sie sagten, war praktisch das Gegenteil von dem, was ich selber gesehen hatte. Ähnliche Erfahrungen macht man immer wieder auch mit Erklärungen anderer Behörden. Es ist leider so, dass die Informationen offizieller Stellen in Ägypten keinen Wert haben. Sie können stimmen (und tun das womöglich hin und wieder auch), aber sie können ebenso gut auch komplett dem Reich der Phantasie entstammen. Man könnte sie eigentlich ignorieren. Sie helfen einem bei der Suche nach dem Hergang der Ereignisse keinen einzigen Millimeter weiter. ■

 

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Vier First Ladies

„Verwitwet, geschieden, verheiratet und verlobt – unser Präsident ist all das gleichzeitig!“ twittert ein Südafrikaner. Selbst Hugh Hefner würde da vor Neid erblassen, schreibt ein Kolumnist. Jacob Zuma sei die Elisabeth Taylor unter den Staatspräsidenten. Doch angesichts der präsidialen Hochzeit Nr.6 an diesem Wochenende sind nicht alle am Kap der guten Hoffnung zum Scherzen aufgelegt. Polygamie ist in Südafrika zwar legal, doch langsam stößt die Nation an ihre Toleranzgrenze. Präsident Zuma heiratet zum dritten Mal in vier Jahren. Das Land hat nun also vier First Ladies. Getreu nach seinem Motto: „Viele Politiker haben Geliebte und tun nur so als seien sie monogam. Ich bin lieber offen. Ich liebe alle meine Frauen und Kinder.“

Es ist ein protokollarischer Alptraum: Zuma nimmt mal die eine, mal die andere mit zu Staatsbesuchen ins Ausland, zu offiziellen Veranstaltungen in seiner Heimat gern auch alle seine Ehefrauen. Viele Südafrikaner finden das einfach nur peinlich oder unmoralisch. Andere fragen sich, wer die ständig wachsende Präsidentenfamilie, denn zu den vier Frauen kommen noch mindestens 20 Kinder, finanzieren soll. Da hilft auch die Beschwichtigung des Präsidialamtes nicht, Zuma würde seine Hochzeit natürlich aus eigener Tasche bezahlen und seine Frauen wohnten allesamt in Privathäusern. Denn alle wissen: Der Steuerzahler muss trotzdem für Sekretariate, Sicherheitsleute und Reisen der First Ladies aufkommen.

Jacob Zuma selbst kratzt das alles nicht. Auf die Frage, ob dies denn nun seine letzte Hochzeit sei, antwortete er schmunzelnd: „Ja, wahrscheinlich.“ Skepsis ist angebracht, schließlich bleibt der polygame Präsident noch bis 2014 im Amt, Zeit für mindestens zwei weitere Hochzeiten wäre also noch. Verlobt ist er bereits, First Lady Nr.5 steht schon in den Startlöchern.

 

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Flensburger Verkehrssünder-Datei auf äthiopisch

Als ich noch in Deutschland wohnte, hatte die Flensburger Verkehrssünder-Datei für mich keinen guten Klang. Mittlerweile lebe ich in Äthiopien und die Verkehrssünder-Datei in Flensburg ist für mich der Inbegriff von Rechtsstaatlichkeit, Effizienz und Bürgerservice. Denn man kann Verkehrsdelikte – oder vermeintliche – auch anders ahnden. Nämlich so.

 

Vor ein paar Tagen fiel mir auf, dass an meinem Auto das hintere Kennzeichen abgeschraubt wurde. Zuerst dachte ich, jemand, der nichts Gutes im Schilde führe (was für ein billiges und dennoch hinweisbedürftiges Wortspiel) wolle meine autofahrerische Identität annehmen, aber das vordere Kennzeichen war dort, wo es hingehörte, und mit nur einem gestohlenen Kennzeichen wird wohl kaum jemand sein Fluchtfahrzeug bestücken.

 

Ein äthiopischer Freund sagte mir, dass das entwendete Kennzeichen wohl eher der Ahndung, denn der Vertuschung eines Vergehens dienen solle. Vermutlich hätte ich mir etwas zu Schulden kommen lassen, und die Polizei, mein Freund und Helfer, habe das Kennzeichen abgeschraubt, um mich zu maßregeln. Plötzlich machten all die Polizisten, die auf den Kreuzungen Addis Abebas lässig mit Nummernschildern unterm Arm herumstehen, Sinn. Der Polizist mit den meisten Blechen schien immer der wichtigste zu sein. Allerdings nicht der beliebteste.

 

 

Schon oft habe ich gesehen, wie Wachmänner sich – bewaffnet mit Schraubenzieher und Schraubenschlüssel – einem Wagen näherten. Meist versuchten die Autofahrer das irgendwie zu verhindern, meist zogen sie den Kürzeren. Aber immerhin konnten sie die schraubenden Polizisten fragen, wie sie wieder an ihr Schild kommen könnten.

 

Ich wusste es nicht. Also rief ich die Polizei an und schilderte mein Problem. Da ich nicht angehalten worden war, musste das Kennzeichen abmontiert worden sein, während das Auto stand. „Wo haben Sie in letzter Zeit geparkt“, fragte der Beamte. Da ich möglicherweise schon ein paar Tage ohne Nummerschild rumgefahren war ohne es zu bemerken, kamen viele Orte in der Millionen-Metropole Addis Abeba in Frage. Und somit sehr viele Wachen, bei denen die Polizisten abends ihre Tagesbeute abliefern.

 

Ich sagte für den nächsten Tag alle Termine ab, und wurde um 8 Uhr bei einer Polizeiwache in meiner Nachbarschaft vorstellig. Auf der Suche nach meinem Nummerschild schaute der Beamte einen dicken Folianten durch, in dem handschriftlich  die sicherstellte Nummernschilder vermerkt worden waren. Der Wälzer erinnerte mich an das Haushaltsbuch eines Klosters aus dem Museum. Doch weder in dem dicken Buch noch in einem mit Nummerschildern gefüllten Schrank tauchte mein Kennzeichen auf. „Wir haben es nicht. Eine zentrale Registrierung abgeschraubter Nummerschilder haben wir auch nicht. Versuchen Sie es mal in einem anderen Revier“, sagte der Beamte und wünschte mir viel Glück.

 

Ich hatte viel Glück. Ich weiß nicht, wie viele Polizeiwachen es in der äthiopischen Hauptstadt gibt. Dutzende? Mehr als Hundert? Eine Polizistin fand mein Schild in der zweiten Wache, die ich aufsuchte. Angeblich hatte ich im Halteverbot geparkt. 80 Birr, umrechnet 3,47 Euro, sollte mich das kosten. Allerdings konnte ich meine Schuld nicht an Ort und Stelle begleichen, um das Nummerschild auszulösen. Die Polizistin schickte mich zu einem Postamt, in der ich eine Bareinzahlung leisten und mit der Quittung zu ihr zurückkehren sollte. „Wir machen das nicht mehr“, sagte der Postbeamte als ich die 80 Birr entrichten wollte – und schickte mich zu einer anderen Filiale. Dort reichte die Schlange bis auf den Bürgersteig – und bewegte sich nicht. Das erste Mal in meinem Leben heuerte ich einen professionellen Schlangesteher an. Ich zahlte ihm mehr als ich dem äthiopischen Staat schuldig war. Für den Schlangesteher ein super Lohn und für mich bestens investiertes Geld, denn der gute Mann stand im kafaesken Postamt mehrere Stunden an, bevor er die 3,47 Euro zahlen durfte.

 

Mit der Quittung löste ich am nächsten Tag problemlos Kennzeichen und Führerschein aus. De facto erhöhte mein Bußgeld sich dabei noch auf 3,56 Cent, da der Polizist, der mein Nummerschild abgeschraubt hatte, leider auch die Muttern einkassiert hatte, ich deshalb zwei neue kaufen musste.

 

Auf dem Rückweg bin ich noch mal an der Stelle vorbeigefahren, an der mir das Nummernschild laut Polizei abgeschraubt wurde. Ein Parkverbotsschild ist dort weit und breit nicht zu sehen.

 

 

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Training mit dem Lachweltmeister. Ein Selbstversuch

Vor mir kugelt sich ein Mann in weißem Kittel auf dem Boden und lacht hysterisch. Seine Augen treten hervor, Schweiß und Tränen rinnen über sein erhitztes Gesicht, aus den Mundwinkeln quillt Spucke. Er zuckt mit den Beinen, rudert mit den Armen, dann zerrt er an seiner eng gebundenen Krawatte, um Luft zu bekommen. Ist der Mann verrückt geworden? Hat er Drogen genommen? Muss ich einen Arzt rufen? Nein, muss ich nicht, denn ich bin gekommen, um von diesem Mann etwas zu lernen. Lachen. Belachew Girma ist Lachweltmeister. In Dachau lachte er 2008 drei Stunden und sechs Minuten. Am Stück. So viel Zeit habe ich nicht. Und so wie der Typ auf dem Fußboden möchte ich eigentlich auch nicht werden. Aber ein bisschen mehr zu lachen zu haben – warum nicht?

Als Belachew sich Schweiß, Speichel und Tränen aus dem Gesicht gewischt hat, stellt er sich vor mich, zeigt mit dem Finger auf mich, und sagt etwas, das ich nicht verstehe. Er und die 22 Äthiopier, die sich zum Lachseminar angemeldet haben, finden es sehr lustig und fangen an zu lachen. Ich habe eher das Gefühl, sie lachen über mich. Nach ein paar endlosen Sekunden, fange ich auch an, zu lachen. Nicht, weil ich die Situation so komisch finde, sondern weil es mir lieber ist, wenn die Leute mit mir anstatt über mich lachen. Es wirkt. Ich werde erlöst. Belachew zieht weiter, lacht zunächst scheinbar wieder über, dann mit dem nächsten Kursteilnehmer.

Wie kommt jemand darauf, ausgerechnet in Äthiopien, einem Land, in dem es oft nicht viel zu lachen gibt, die erste Lachschule Afrikas zu gründen? Und warum gehe ich zum Training?

„Wir geben Training, wie man über Hunger und Zerstörung lacht“, heißt es auf der Homepage des Lachinstituts. Ich würde eigentlich lieber über heiterere Dinge lachen, aber zumindest hat dieses seltsame Lernziel meine Neugier auf den komischen Vogel, der über Hunger und Zerstörung lachen kann, geweckt.

Die Teilnahme an vier Sitzungen der Lachschule kostet 450 Birr. Etwa so viel wie ein ungelernter Arbeiter im Monat verdient. Neben den lautstarken praktischen Übungen kriege ich dafür per Powerpoint auch Kalenderspruch-Weisheiten wie „Wenn das Leben Dir eine Zitrone gibt, quetsche sie aus, und mache eine Limonade daraus“ oder „Niemand ist arm, solange er noch lachen kann“ verabreicht. Ich finde die Sprüche nicht soooo witzig, aber
die Streber im Kurs quittieren alles mit schallendem Gelächter, versuchen gar, das Gegluckse des großen Meister zu übertönen.

„Ich war mal HIV-positiv. Jetzt bin ich gesund. Gott halt mich geheilt, und Lachen ist die beste Medizin“, sagt Belachew mir nach dem Training mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.

Während ich dies schreibe, habe ich tierische Kopfschmerzen. Ich habe gerade versucht, sie wegzulachen. Sie sind noch immer da. Allerdings habe ich bislang auch nur eine Trainingssession besucht.

 

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Kai Schächtele mit “WM – ein Wintermärchen” für Grimme Online Award nominiert

Sie wollten mal zeigen, wie Journalismus auch gehen kann – auf eigene Faust losfahren, alles mit eigenen Augen sehen und hören und dann täglich und stündlich und multimedial für einen Leser-Kreis berichten. Unser Weltreporter-Kollege Kai Schächtele und der Fotograf und Designer Christian Frey waren im vergangenen Jahr zwischen Kapstadt und Johannesburg unterwegs, um von hinter den Kulissen der Fußball-Weltmeisterschaft zu berichten – für eine ständig wachsende Zahl von Fans.

Jetzt ist ihr “Die WM – ein Wintermärchen” unter fast 2.100 Einsendungen für einen Grimme-Online-Award nominiert worden, zusammen mit 5 anderen in der Kategorie “Wissen und Bildung”. Wir sind ganz schön stolz auf Kai!

So, und wer ihm und Christian beim Grimme Online Award noch Rückenwind geben will – Stimme abgeben für “Die WM – ein Wintermärchen” beim Grimme Online Publikumspreis!

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Wer hat Angst vorm schwarzen Facebook-Mann?

Am 7. Juni wurde in Alexandria der 28jährige Khaled Said von Polizisten aus einem Internetcafé gezerrt und zu Tode misshandelt. Brutale Polizeiwillkür ist in Ägypten keine Seltenheit. Wie bei anderen Anlässen zuvor, zeigt auch diese Tragödie, dass das Land zu jenen auf der Welt gehört, in denen Facebook als zentrales Protestmedium kaum noch wegzudenken ist. Die Gruppe »Wir alle sind Khaled Said« hat jetzt – nicht mal zwei Wochen nach dem tragischen Tod – 112.000 Mitglieder. Die Gruppe »Ich heiße Khaled Muhammad Said« bringt es auf fast 200.000.

Das Web 2.0 als Plattform des Widerstandes ist kein Novum in Ägypten. Über die Facebook-Gruppe »Mohamed ElBaradei« werden 252.000 Mitglieder in Echtzeit über die Aktionen der Reformkampagne des früheren Chefs der Atomenergiebehörde informiert. Im Fall Khaled Saids konnte der öffentliche Druck übers Web 2.0 bereits einen ersten Erfolg erzielen. Schwierig bleibt es trotzdem, in einem Polizeistaat wie Ägypten den Protest aus dem Internet ins wirkliche Leben zu tragen.

Die Sicherheitsdienste lesen ebenfalls Facebook. Wann immer ein Straßenprotest angekündigt wird, sind sie zur Stelle und ersticken die Aktion im Keim. Wie auch am Freitag um 17 Uhr. Die Facebook-Gruppe »Wir alle sind Khaled Said« hatte zu einem Schweigespaziergang an die Uferpromenaden gerufen – in Kairo an die Corniche am Nil, in Alexandria an jene am Mittelmeer. Aus Protest und Trauer sollten die Leute in in schwarzer Kleidung kommen.

Pünktlich um fünf stand in Kairo auch die Bereitschaftspolizei am Nilufer. Beamte in Uniform oder in Zivil und mit Sprechfunkgeräten schlenderten die Promenade hoch und runter. Viel Resonanz erzeugte der Aufruf nicht, schätzungsweise einhundert junge Leute liefen, schwarz gekleidet, das Ufer entlang oder standen an Brückengeländern und lasen im Koran.

Für die Polizisten eine absurde Situation. Wer protestierte, wer spazierte hier ganz normal an seinem arbeitsfreien Freitag? Immerhin sind schwarze T-Shirts, Jacken oder Abayas in Kairo nicht unüblich. Das Spektakel war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wie auf einem Kegelklubausflug zogen Gruppen ziviler Beamte in Bundfaltenhosen und vollgeschwitzten Herrenoberhemden die Promenade entlang und versuchten nervös, alle schwarzgekleideten Menschen wegzuschicken. Wie viel Zeit bleibt einem Regime noch, das solche lächerlichen Szenen produziert? Vieles in Ägypten erinnert mich derzeit an die späte DDR.

 

 

 

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Die Fußball-WM – Business as usual?

Vor genau einem Jahr saß ich mit Kai Schächtele im La Siesta Resort am Roten Meer im Cafe »Cute«. Zusammen mit Dutzenden Ägyptern guckten wir das Confed-Cup-Fußballspiel Ägypten–Italien auf einem Großbildschirm. Ein denkwürdiger Abend. Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ich mir ein Fußballspiel anschaute, Kai zuliebe, ich wollte ein guter Gastgeber sein. Die Stimmung war hervorragend, Ägypten gewann 1:0.

Jetzt beschäftigt mich Fußball wieder, und wieder ist Kai schuld. Gemeinsam mit Christian Frey präsentiert er täglich Reportagen in Text, Ton & Bild aus Südafrika, die ich einzigartig nennen möchte. Das müssen sie sein, wenn sogar einer wie ich jeden Tag guckt, was es Neues gibt. Unbedingt selbst anschauen: Die WM – ein Wintermärchen.

Während für den Fußball eigentlich verlorene Seelen wie meine vielleicht doch gerettet werden können, haben viele wirkliche Fans in Ägypten das Nachsehen. Der World-Cup-Song, von Nancy Ajram auf Arabisch produziert (bei Youtube hier), stimmt sie auf die WM ein, aber sie können sich die Fußballübertragungen nicht leisten. Bis heute ist mir ein Rätsel, wie ein globales Gesellschaftsereignis, das von der Leidenschaft von Millionen von Menschen lebt, in die Hände solch einer raffgierigen, mitleidslosen Clique wie der FIFA fallen konnte. Auch diese WM ist in Ägypten weitestgehend nur im Pay-TV zu sehen. Detailliert beschreibt das Karim El-Gawhary in seinem Blog.

Vor vier Jahren war es ähnlich. In den Wochen vor der WM 2006 in Deutschland stieg das Fußballfieber in Kairo mit jedem Tag. Dann plötzlich stand fest: Dem staatlichen ägyptischen Fernsehen waren die Übertragungsrechte zu teuer. Während die Welt Fußball guckte, hingen in Kairo die Deutschlandfahnen stumm an den Fenstern. Die WM fand – gewissermaßen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – auf dem arabischen Bezahlsender A.R.T. statt. Ein entsprechendes Abo hatten damals nur eine Million Leute in dem 80-Millionen-Land. Wie weh das tun musste, kann nur ermessen, wer einmal Ägypter beim Fußballgucken beobachtet hat. »Jetzt hat uns der Kapitalismus«, sagte damals ein Taxifahrer in Kairo zu mir, »auch noch den Fußball weggenommen.«

Manch ein Ägypter schaffte es, den Code zu knacken, andere konnten sich den überteuerten Tee in jenen Kaffeehäusern leisten, die die Spiele übertrugen. Dass das allerdings eine Minderheit war, konnte ich HÖREN. Als die WM 1994 in den USA stattfand, wurde noch frei übertragen. Ich wohnte damals in der Kairoer Altstadt, in einem Viertel von Ahmed Normalverbraucher. Wegen der Zeitverschiebung erklang der Jubel bis nachts um vier bei jedem Tor aus den Wohnungen der Nachbarschaft. Eine Stadt voller Fußballnarren vier Wochen lang im Ausnahmezustand. Während der WM 2006 in Deutschland war es anders. Kairo blieb still, kein Jubel, kaum irgendwo. Die deutschen Zeitungen verkündeten stolz, wie sehr die deutschen Gastgeber das Ausland begeisterten. In Ägypten durften viele das nicht erleben, weil sie nicht genug Geld haben.

Es wurde sogar extra die Ausstrahlung von ARD und ZDF über den Hotbird-Satelliten eingestellt. Einen ganzen Monat lang zeigte die ARD das Programm ARD Extra mit aufgewärmten Wiederholungen von irgendwas, und auf ZDF lief der Kanal ZDF Doku mit spannenden Themensendungen über Makramee u. ä. Wenn ich in Kairo auf einem dritten Programm um 20 Uhr die Tagesschau guckte, passierte folgendes. Sobald ein aktueller Kurzbericht von den Spielen vom Tage begann, wurde der Bildschirm schwarz und es erschien der Satz: »Aus lizenzrechtlichen Gründen etc.« Und das alles nur, damit die Schmuddelkinder an den Katzentischen der Welt nicht doch noch kostenlos was von der WM sehen, und sei es nur ein Fünf-Minuten-Beitrag in einer Sprache, die sie nicht verstehen.

In diesem Jahr hat sich der verschlüsselte Sportkanal von Al-Dschasira die Übertragungsrechte für die arabische Welt gesichert. Man will, heißt es, einige Spiele unverschlüsselt bringen. Das Trauerspiel hat damit kein Ende. Am ersten Tag kam das Signal über NILESAT nur verkrüppelt in die Haushalte. Al-Dschasira vermutet Sabotage, wie hauseigene Kanäle berichten. Der Satellit wird von der ägyptischen Regierung betrieben, und der ist Al-Dschasira ein Dorn im Auge.

 

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Papa, was ist eigentlich Globalisation?

Nun, mein Junge, es heisst Globalisierung, und Globalisierung ist, wenn in Island ein Vulkan ausbricht, und ich hier in Afrika kein Hotelzimmer finde, weil massenweise Urlauber nicht in ihre Heimatlaender reisen koennen. Deren Rueckfluege wurden naemlich gestrichen.

Die Hotelbetreiber in Hurghada, wo ich heute zwangsweise eintraf, weil ich was recherchieren muss, also diese Hotelbetreiber in dieser Pauschaltouristenhoelle sagen ihren Gaesten, sie sollten nun selber sehen, wo sie bleiben, weil man den Touristen, die aus Russland jetzt ankommen, ihre gebuchten Zimmer nicht verweigern koenne. Deren Fluege wurden ja nicht gestrichen.

So fuehrt der Vulkanausbruch auf Island zu einem Touristenstau in Afrika. Und zu einer Preisexplosion bei den Zimmerpreisen, denn dieselben Hotelbetreiber haben angesichts der zwangsgestiegenen Nachfrage flugs die Raten um schaetzungsweise 30 Prozent erhoeht, gepriesen seien die Naturgewalten. Man kann also sagen, dass mein Geldbeutel in Afrika duenner wird, wenn auf Island ein Vulkan ausbricht. Das ist Globalisierung – oder besser die noch etwas unausgereifte Beta-Version davon.

Ganz zu schweigen davon, dass ich diesen Blogeintrag hier im Internetcafe nahezu blind auf einem kyrillischen Keyboard schreibe.

 

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Lowtech aus dem Osternest

Während der Rest der Welt über den Launch des neuen iPad gestaunt hat, habe ich mir in Nairobi ein Stück vermeintliches Low Tech ins Osternest gelegt: einen Blackberry. Old school, höre ich die Leute schon sagen, zumindest ein iPhone hätte es an diesem denkwürdigen Wochenende doch sein müssen. Aber: in Afrika gehen die Uhren anders – und der Blackberry ist immer noch State of the Art. Zeit, ihn einzurichten, hatte ich freilich noch nicht, weil ein anderes Stück Low Tech meinen Ostersonntag ins Wanken brachte: Kenias antiquiertes Stromnetz. Das brach – wieder einmal ohne ersichtlichen Grund – zusammen, als ich gerade mit Stolz den Osterbraten in die Röhre geschoben hatte. Wer schon einmal versucht hat, einen Zwei-Kilo-Rinderbraten auf einer kleinen Gasflamme zu garen, weiß, was ich danach durchgemacht habe – und die Gäste, die am Abend bei Kerzenschein gute Miene zum gekochten Braten machten. Vorteil: ich musste nicht neidisch im Internet verfolgen, wie die Welt über den iPad schwärmte, der Kenia vermutlich erst in wenigen Jahren erreichen wird. Nachteil: mein Blackberry wartet noch auf seine Einrichtung. Sobald er läuft, werde ich versuchen, Abenteuerliches zu unternehmen: twitter-Feeds vom Handy (check it out: http://twitter.com/marcengelhardt). Höre ich jemanden ‘Low Tech’ stöhnen? See you in Africa.

 

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Badische Backstub im Bom Bom Gym

Der lieben Bewegung wegen gehe ich seit kurzem manchmal in ein Sportstudio mit dem schrägen Namen Bom Bom Gym. Ich verlasse mein Bürogebäude durch den Hinterausgang und laufe zehn Minuten durch ein Armenviertel. An der Stelle, wo das Viertel langsam ins alte Kairoer Arbeiterviertel Boulaq Abul-Eila übergeht, befindet sich das Bom Bom Gym, nicht größer als zwei Wohnzimmer, mit ein paar einfachen Sportgeräten, die vielleicht in den dunklen Werkstätten des Armenviertels hergestellt wurden.

Natürlich gibt es keine Klimaanlage. Die Dusche ist auch nicht gerade ein Spa, und in der Toilette brennt kein Licht. Durch die Fenster zieht von der Straße der Dunst einer nahen Falafelbraterei. Alles sieht ein bisschen so aus, als würden im Bom Bom Gym die Kleinkriminellen der Nachbarschaft trainieren, für einen unschlagbaren Monatsbeitrag von umgerechnet acht Euro. Neulich hatte einer von ihnen ein gelbes T-Shirt mit dem deutschsprachigen Aufdruck »Badische Backstub – einfach besser…« an.

Er hatte es auf der Straße um die Ecke gekauft. In Boulaq gibt es Hunderte Straßenstände mit Billigklamotten á la Adidos und Wrengler und offensichtlich auch mit günstigen Werbe-T-Shirts. Vielleicht werden sie ja hier hergestellt. In dem Armenviertel gibt es Werkstätten aller Art, Druckereien, Bäckereien, Manufakturen für Plastikramsch etc. Neulich sah ich in solch einem Viertel, wie Halbwüchsige im Hinterhof eine selbstgebrühte braune Flüssigkeit in kleine Coca-Cola-Flaschen aus Glas abfüllten, die sie dann fachmännisch mit einem Kronkorken verschlossen. Seitdem bin ich vorsichtig, wenn ich beim Straßenhändler rasch eine Markenerfrischung kaufen möchte.

Diese Viertel sind ein Kosmos der Imitate und Täuschungen, in dem die Leute erfinderisch versuchen, ihre Welt mit jener in Übereinstimmung zu bringen, die ihnen das Satellitenfernsehen zeigt. Sie kriegen das ganz gut hin, wer will es ihnen verübeln.  Auf meinem Weg zurück vom Bom Bom Gym sehe ich, wie scharfkantig die Welten aufeinandertreffen. In der letzten langen Gasse des Armenviertels laufe ich auf mein Bürogebäude zu. Es ist Teil einer Hochhauszeile, hinter bzw. vor der das funkelnde Kairo beginnt. Auf der Vorderseite an der Nil-Promenade gibt es einen Radio-Shack-Laden mit modernster Heimelektronik, gleich südlich daneben das Hilton Ramses Cairo, 36 Stockwerke Luxus. In einem Kino kann man »Avatar« in 3D gucken. Das Ticket kostet so viel, wie ein Arbeiter in drei Tagen nicht verdient.

Ich laufe also – meistens nach Einbruch der Dunkelheit – direkt auf diese Hochhauszeile zu, zwischen den geduckten Katen des Armenviertels hindurch. Die Bürofenster in den Hochhäusern sind um diese Zeit alle dunkel. Die Gebäudezeile sieht aus wie eine riesige, trennende Kulissenwand. Nur am Lichtschein rund um die Rückseite der Neonreklametafeln auf den Dächern kann man erkennen, dass da vorn eine andere Welt existiert. Von hier hinten aus betrachtet erscheint einem die funkelnde Welt vorn wie eine künstliche Theaterdekoration, wie eine Täuschung, auch wenn es dort echte Produktoriginale gibt und keine Markenimitate, auch wenn die Welt dort einem vertraut vorkommt und nicht fremd, wie das Armenviertel hinter der Hochhauskulisse.

Denn drei von vier der 18 Millionen Kairoer, also die meisten, leben in einem jener ärmlichen Viertel – und nicht in dieser funkelnden Täuschung, die Kairo ja auch ist. Es kommt – wie immer – nur drauf an, von wo man guckt.

  VORN

 

HINTEN

 

 

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Malaria

Das schönste an unserem Beruf ist es ja, immer wieder Neues kennen zu lernen. Nicht ganz so schön sind die Dinge, die man kennen lernt. Seit anderthalb Wochen lerne ich beispielsweise eine Krankheit kennen, die ich in den sechs Jahren seit meiner Ankunft in Afrika erfolgreich vermieden habe: Malaria. Allen Besuchern habe ich immer im Brustton der Überzeugung versichert, dass eine Prophylaxe Quatsch ist, weil sie im Fall der Erkrankung die Entdeckungs- und Behandlungschancen herabsetzt. Stattdessen reise ich stets mit einer Packung Doxycyclin im Gepäck, dem von der WHO empfohlenen Stand-by-Medikament. Vorvergangene Woche habe ich sie erstmals geöffnet.

Um kaum eine andere Krankheit ranken sich bei Expats in Afrika so viele Mythen wie um Malaria: wer sie einmal hat, bekommt immer sie immer wieder (stimmt nicht, jedenfalls nicht in unseren kenianischen Breiten), die Leber wird im Nullkommanichts zerstört (stimmt auch nicht, wenn man rechtzeitig behandelt) und man ist wochenlang geschwächt und kommt zu nix mehr (das stimmt, auch wenn dieser Blog eine rühmliche Ausnahme darstellt). Fast schon zynisch die Tatsache, dass ich mir den entscheidenden Mückenstich vermutlich bei der Recherche zu einer Geschichte über eine anstehende Malaria-Impfung geholt habe – die Mücken am Viktoriasee sind für ihre Aggressivität besonders berüchtigt.

Können Sie sich vorstellen, nach so wenig Zeilen schon wieder müde zu sein? Ich auch nicht. Ist aber so. Noch ein paar Tage, sagt der Doktor, dann ist auch das vorbei. Dann lesen wir wieder mehr voneinander. Bis dahin: lassen Sie sich nicht stechen!

 

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Rummelplatz mit Verkehrsinfarkt

Für ein Buchprojekt über die informellen Wohnviertel von Kairo ließ ich mir vor einer Weile im ägyptischen Ministerium für Stadtentwicklung Kairos Zukunft erklären. Man rechnet dort damit, dass in zehn Jahren rund 24 Millionen Menschen in der Megacity wohnen, im Jahr 2050 dann zwischen 32 und 34 Millionen. Das wird ein ziemliches Chaos werden, zumal der interne Kairo-Masterplan, den man mir netterweise kopierte, deutlich mehr Mubarak-Fotos enthielt als konzeptionelle Ansätze gegen die Apokalypse.

Zum Schlamassel, der den schleichenden Tod der Stadt herbeiführt, zählt die Tageszeitung Al-Masry al-Youm den allgegenwärtigen Verkehrskollaps sowie die einzigartige Untätigkeit der Behörden. Ach, wenn sie doch nur untätig wären. Als wir vor ein paar Jahren in unser Viertel zogen, war an der großen Kreuzung unweit unseres Hauses die ägyptische Welt noch in Ordnung. Die Ampeln leuchteten. Niemand schenkte ihnen Beachtung.

Der Verkehr floss zäh, aber stetig. Die Autofahrer einer Richtung fuhren dann los, wenn sie fanden, dass sie lang genug auf den Verkehrstrom aus den anderen Richtungen gewartet hatten. Dieser Pragmatismus ist auf Kairos Straßen üblich, aber den Behörden offensichtlich peinlich. Das ‘unzivilisierte Bild’, wie es gern genannt wird, sollte ein Ende haben. Verkehrspolizisten begannen, den Verkehr manuell zu regeln, während die Ampeln gleichzeitig fröhlich weiter leuchteten, beide meistens asynchron zueinander.

Die Ampeln als Errungenschaft der Moderne wollte man so schnell allerdings nicht aufgeben. Die Behörden installierten große Leuchtanzeigen, auf denen zu sehen ist, wie viele Sekunden es noch dauert, bis die Ampel auf grün bzw. rot schaltet. Die Autofahrer beeindruckte das wenig. Welchen Sinn sollte es auch machen, gebannt den Ampelcountdown zu verfolgen, wenn der Verkehrspolizist dann doch die Fahrbahn sperrt, obwohl endlich Grün kommt.

Was dann geschah, erinnerte mich an die Rechtschreibreform. Jahrelang wurden Regeln aufgestellt und wieder zurückgenommen, bis sich die Leute dachten: Dann schreib ich halt einfach, wie ich es für richtig halte. An meiner Kreuzung bedeutet das: Lethargisch wird losgefahren, wenn sich die Stoßstange des Vordermannes bewegt, den Prinzipien einer unbekannten Macht folgend, deren Ratsschlüsse dem gemeinen Autofahrer verborgen bleiben.

Bald war die Kreuzung nur noch dauerverstopft, und die unbekannte Macht hängte einen riesigen Screen über die Straße, auf dem sie den Autofahrern heilige Verse offenbart. Sie lauten: ‘Geschätzter Verkehrsteilnehmer, der Gurt dient Deiner Sicherheit und der Deiner Mitfahrer.’ Oder: ‘Überfahre nicht die Fahrbahnmarkierung!’ Oder: ‘Die Signalanlage wird mit Kameras elektronisch überwacht.’ Die unbekannte Macht guckt also zu, wenigstens das.

Was die Autofahrer mit diesen Versen anfangen, ist mir ein Rätsel, vielleicht sprechen sie sie laut nach. Zeit genug haben sie im Dauerstau ja. Zwischendurch werden auf dem Screen Werbeclips gezeigt, für Coca-Cola oder für einen der neuen Luxuscompounds am Stadtrand, wo es keinen Verkehrskollaps gibt. Die Kreuzung ähnelt einem Rummelplatz mit Verkehrsinfarkt. Alles blinkt und flimmert: Ampeln, Leuchtanzeigen mit Sekundencountdown, ein Riesenbildschirm.

 

Literaturtipp: Carsten Otte. Goodbye Auto. Ein Leben ohne Führerschein. München, 2009.

 

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Frauensache

Langweilig ist es in Kenia auch anderthalb Jahre nach Ende der schwersten Krise, die das Land je erlebt hat, nicht. Präsident Mwai Kibaki und Premierminister Raila Odinga, Garanten des Burgfriedens, der die Gewalt beendete, reden vor allem durch die Zeitungen miteinander. 10 Millionen Kenianer hungern, auch deshalb, weil ein Minister die Nahrungsmittelreserven für Notfälle – tausende Tonnen Maismehl – ins Ausland verschachert haben soll, um sich zu bereichern. Der Staat selbst ist unterdessen nahezu pleite. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs droht seinen Besuch an, doch im Kopf haben die Politiker dennoch nur das eine: Sex.

Davon jedenfalls sind die Aktivistinnen überzeugt, die kürzlich zum Sex-Boykott aufgerufen haben. Große Entscheidungen, so ihr Argument, werden immer auch im Bett diskutiert. Vor allem Politikergattinnen sollen sich verweigern und stattdessen fragen: ‘Honey, was kannst Du für Kenia tun?’ Eine tolle Idee findet das Ida Odinga, die Frau des Premiers, und verspricht, dabei zu sein. Auf die Frage, ob auch die Frau des Präsidenten mitmacht, wollte Odinga hingegen nicht antworten.

Kein Wunder, denn Lucy Kibaki genießt den Ruf eines Racheengels. So stürmte sie Kenias führendes Medienhaus, nachdem sie – aus ihrer Sicht – in einer der Zeitungen verunglimpft worden war und kündigte einen Sitzstreik an. Als der scheidende Weltbankchef (Kibakis Nachbar) eine Abschiedsparty gab, stürmte sie im Nachthemd sein Haus und drehte ihm die laute Musik ab.

Wer weiß, ob sich ähnliche Szenen nicht auch im Schlafzimmer des Präsidenten abspielen. Der 77-jährige (äußerst pressescheu) sah sich jedenfalls vor nicht langer Zeit genötigt, eine Pressekonferenz abzuhalten, die mit den Worten begann: “Ich habe nur eine Frau.” Und auch nur die vier Kinder, die Lucy ihm geschenkt habe, fuhr Kibaki fort. Die ‘First Lady’ stand währenddessen nur eine Armlänge entfernt. Da hatten Zeitungen geschrieben, dass es da doch eine zweite Frau gibt, was innerhalb von Kibakis Kikuyu-Ethnie nichts ungewöhnliches ist. Aber Kibaki ist auch Katholik, vielleicht deshalb die deutlichen Worte. 

In den Straßen wunderte man sich über den Aufstand. Aufsehenerregend, so sagt ein Zeitungsverkäufer, sei doch allenfalls, wenn Lucy einen zweiten Mann habe – das ist auch bei den Kikuyu nicht üblich. Kibakis Pressekonferenz könnte unterdessen einmalig bleiben. derzeit wird das Eherecht reformiert, die neue Fassung genehmigt die Vielehe. Glaubt man den Frauen, dann wird zumindest dieses Gesetz das Parlament schnell passieren.

 

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Leben auf Raten

Der Tag begann außergewöhnlich: schlaftrunken legte ich beim Betreten des Badezimmers den Lichtschalter um und – das Licht ging an. Das ist dieser Tage bei weitem nicht normal in Kenia. Ein zweiseitiger, eng bedruckter Plan der kenianischen Elektrizitätswerke legt derzeit dar, wann wer mit Strom rechnen darf. Mindestens drei Mal pro Woche bleibt die Steckdose kalt: so will es die Stromrationierung.

Damit umzugehen will gelernt sein. Frische Milch kaufen wir jetzt nur noch am Vorabend eines Stromtags, wenn die Kühlregalkälte (große Supermärkte genießen dank eigener Generatoren Strom rund um die Uhr) noch bis zum nächsten Morgen vorhält. Das gleiche gilt für andere verderbliche Waren. Das Eisfach ist sowieso längst leergeräumt, und im Regal daneben sind Pakete mit Kerzen gestapelt, die so eifrig gehamstert werden, dass sie oft schon ausverkauft sind. Denn eigentlich soll zumindest nachts der Strom wieder angehen – doch das klappt bei weitem nicht immer. 

Wäsche machen wir nur noch Mittwochs, denn von Freitag bis Montag gibt es kein Wasser: auch das ist wegen ausgebliebener Regenfälle rationiert. Weil die Waschmaschine Strom, aber eben auch Wasser braucht, läuft sie Mittwochs von früh morgens bis spät abends. Das Telefon schließlich ist schon lange rationiert, wenn auch leider nicht so vorhersehbar: im Schnitt funktioniert es fünf Tage im Monat, was daran liegt, dass es in Nairobi zuviele Nummern für zu wenige Anschlüsse gibt. Wer sich beschwert, bekommt seiner Nummer einen neuen Anschluss zugewiesen, der wiederum einer anderen Nummer abgezogen wird. Der Besitzer dieser Nummer beschwert sich wieder, und so geht es munter weiter wie bei der Reise nach Jerusalem.

Das ist nicht alles: der bei Kenianern so beliebte Zucker ist rationiert, weil die Zuckermühlen keinen Strom haben. Das gleiche gilt für Mineralwasserabfüller, deren Geschäft andernfalls derzeit boomen würde. Immer mehr Generatoren schließlich bleiben ausgeschaltet, weil Diesel knapp ist, denn die einzige Raffinerie des Landes klagt ebenfalls über Blackouts. Wann es besser wird? Wenn es regnet, glauben alle. Doch die Meteorologen haben für den Fall, dass es regnet, bereits Überschwemmungen vorhergesagt. Die Folgen dürften ähnliche sein.

 

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Schwarz auf weiß: Südafrikas tägliche Dosis Fremdenhass

In Südafrika machen die Ärmsten der Armen Hetzjagd auf Ausländer vom Rest des Kontinents. Häuser brennen, somalische Geschäfte werden geplündert, Millionen von Mosambikanern, Simbabwern, Malawiern, Kongolesen fürchten um ihr Leben.

Außerhalb der Townships ist die Überraschung groß. Der Geheimdienstchef ergeht sich in wilden Mutmaßungen über eine Verschwörung weißer Rassisten, ansonsten herrscht Sprachlosigkeit. Gewiss, man weiß, dass die Armen sich vom Staat ignoriert fühlen. Aber woher der plötzliche Gewaltausbruch?

Vielleicht hätten die Damen und Herren in Südafrikas „Erster Welt“, die Politker, Intellektuellen und Geheimdienstler, sich hin und wieder dazu herablassen sollen, die größte Tageszeitung des Landes zu lesen, die fast 10 Prozent der Bevölkerung erreicht. Die fasst ein gebildeter Mensch zwar nur mit Gummihandschuhen an, dafür verkauft sich die „Daily Sun“ blendend unter Südafrikas Armen. Das Boulevardblatt hetzt seit jeher gegen Einwanderer und macht sie für so ziemlich alles verantwortlich, was den Lesern nicht passt. Ob Flüchtling, Gastarbeiter oder illegaler Einwanderer: Für die Daily Sun sind sie alle „aliens“. Am Weltflüchtlingstag 2007 lautete der Titel „Du bist geschnappt! Polizist mit GROSSER KNARRE weckt Ausländer, die illegale Ausweise verkaufen“.

„Bildung ist nicht unsere Aufgabe“, sagte mir der Herausgeber Deon Du Plessis zu diesem Thema vor zwei Jahren seelenruhig ins Mikrofon. Seit 2002 macht die „Daily Sun“ Geld damit, dem Volk nach dem Mund zu reden und hat die weit verbreitete Ausländerfeindlichkeit gegenüber Schwarzafrikanern seit Jahren genutzt – um nicht zu sagen gefördert – , um die Auflage hochzutreiben. Das soll nicht heißen, dass die Zeitung verantwortlich ist für die Pogrome. Aber überrascht sollte wirklich niemand sein.

 

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Simbabwe und der „Völkermord“ – Kurze Frage zwischen den Deadlines

Ich habe gerade das Vergnügen, statt Reportagen Nachrichten machen zu dürfen. Für jemanden, der sich im Radio erst ab 5 Minuten Sendezeit so richtig wohl fühlt, ist das immer ein kleiner Kulturschock. Zwischendrin stellt man sich dabei manchmal eher philosophische Fragen. Die werden zwar meist unter der nächsten Deadline begraben, aber es sind Fragen wie: Warum laufen wir Journalisten wie eine Herde Schafe dem nach, was die internationalen Agenturen als „die Wirklichkeit“ verkaufen? Warum schreiben wir Journalisten fast schon routinemäßig voneinander ab? Und sehen wir eigentlich genau genug hin, was wir da als „neutrale Chronisten“ berichten?

Beispiel. Am 23. April warnte eine Reihe simbabwischer Kirchenführer davor, dass die Gewalt in Simbabwe sich zum Völkermord („genocide“) auswachsen könnte – „ähnlich wie in Kenia, Ruanda oder Burundi“ -, sollte das Ausland Robert Mugabe nicht das Handwerk legen.

Das ist ein Statement von solchem Gewicht, dass kaum ein Nachrichtenredakteur daran vorbei kann. Allerdings ist es nicht nur faktisch falsch (in Kenia gab es bisher keinen Völkermord, sondern ethnisch motivierte Ausschreitungen, bei denen zwar mehr als tausend Menschen starben – in Ruanda waren es allerdings mindestens 800.000), sondern hat auch wenig mit der Realität in Simbabwe zu tun. Dort gibt es drei Wochen nach den Wahlen 10 Tote. Die Situation ist ernst, ja. Es wird gefoltert, entführt, geprügelt und gemordet. Doch anders als in Kenia, Ruanda oder Burundi spielt Tribalismus in Simbabwe eine geringe Rolle, Oppositionswähler finden sich vermehrt allenfalls in städtischen Gebieten, unter Arbeitern und in der Mittelklasse. Und selbst das ändert sich. Mit anderen Worten: Es gibt wenig, was Nicht-Mugabe-Wähler gemeinsam haben außer der Tatsache, dass sie den alten Despoten leid sind. Und auch wenn der sicher gern alle Regimegegner loswäre, gibt es keinen Grund anzunehmen, er würde sein halbes Land ausrotten wollen.

Was tut man als Journalist mit einem solchen Statement? Ein Blick auf die Internet-Portale von BBC, NZZ, TAZ, Tagesschau Online und diversen anderen Zeitungen zeigt: Die Genozid-Warnung hat es praktisch unkommentiert in die deutsche Medienlandschaft geschafft. Die Botschaft der Kirchen erhält international Aufmerksamkeit – und wer kann es den Priestern verdenken, dass sie angesichts der Lage verzweifelt sind und vielleicht in solchen Momenten keine rhetorische Krümelkackerei betreiben wollen. Und es ist auch nicht unbedingt Aufgabe der Nachrichtenagenturen, das zu korrigieren, Zusammenhänge darzustellen und Dinge ins Verhältnis zu setzen. Aber Aufgabe der Journalisten und Redakteure ist das schon, oder?

 

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Nur für Journalisten: Mugabe-Wahlparty zum Spottpreis

Robert Mugabe, Simbabwes alternder Präsident, plant mal wieder seine Wiederwahl. Da der Urnengang selbstverständlich wie gewohnt “frei” und “fair” ablaufen wird, sind ausländische Journalisten willkommen. Sollen sich die Schmierfinken des Westens doch selbst davon überzeugen, wie prächtig die Demokratie in Mugabes Reich blüht.

Für eine moderate Gebühr von 1700 US-Dollar dürfen sie diesmal über die Wahlen berichten. Das hört sich nach Abzocke an? Nicht doch. Runtergebrochen sieht die Summe schonmal weniger furchterregend aus. Dann kostet die Akkreditierung nämlich nur noch 1000 Dollar, dazu kommt lediglich eine “Verwaltungsgebühr” von 500 Dollar und eine “Wahlgebühr” von schlappen 200 Dollar. Gewiss, vor kurzem waren es insgesamt nur 600 Dollar, aber wenn Sie bedenken, wo die Wirtschaft Simbabwes gerade hintrudelt, dann entspricht die Erhöhung ja noch nichtmal dem Inflationsausgleich. Und wer aus Europa kommt darf sich gleich nochmal freuen: So günstig, wie momentan der Dollarkurs ist, bekommt man die Mugabe-Wahl ja praktisch geschenkt. Na denn: Frohes Schaffen allerseits.

 

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Südafrika zum Nikolaustag

“Elvis, komm!” keift die Frauenstimme hinter unserem Zaun. “Aber sofort!” Elvis lässt die Hacke fallen, schnappt sich seine Jacke und rennt lost. Stolpert fast. “Yes, Madam!” Rüber zur Terrasse, greift sich den Spaten, stellt ihn an die Hauswand, rennt zum Tor. Ein Auto springt an, fährt davon.

Ruhe.

Mein Blick streift über den Garten. Der Rasen auf Rasengardemaß, die Blumenbeete frisch geputzt. Unsere südafrikanische Vermieterin besteht darauf, dass alles seine Ordnung hat hinterm Haus. Und weil ich ein Herz für grünen Wildwuchs habe, hat sie den “Jungen” vorbeigeschickt, den Garden Boy.

Elvis arbeitet seit mehreren Jahren für sie und hat irgendwie keinen Nachnamen. Elvis sorgt für eine elfjährige Tochter. Elvis gibt keine Widerworte, wenn er auf Englisch angeschrien wird, in einer Sprache, die er kaum versteht.

Elvis kann sich glücklich schätzen. Er hat einen Job (für 7 Euro am Tag). Er darf seine Regierung wählen (seit 1994). Er lebt in einem Land, dessen Verfassung die Würde des Menschen schützt und so ziemlich jede denkbare Diskriminierung unter Strafe stellt (Bill of Rights, § 9 und 10).

Am nächsten Tag eine Email der Vermieterin an mich: Ich hätte Elvis unerlaubt einen Rasenmäher gegeben. Ich solle ihn doch bitte nicht behandeln, als sei er ein Gärtner. “Das ist inkorrekt. Sein Gehirn kann so etwas nicht leisten. Ich bezahle ihn dafür, dass er jeden Morgen zur Arbeit kommt. Die meisten [lies: Schwarzen] schaffen nichtmal das.”

For the record: Kapstadt, 6. Dezember 2007, achtzehn Jahre minus zwei Monate nach Mandelas Freilassung – oder wie hieß nochmal der großväterliche Afrikaner mit den putzigen politischen Ideen…

 

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Politiker vs. Journalisten: Schmutziger Kampf mit legalen Mitteln

Politiker haben es nicht leicht. Schon gar nicht, wenn es im Gefüge der Regierungspartei kracht in allen Fugen, so wie gerade im südafrikanischen ANC. Da spielt sich ein formidables Hauen und Stechen um den Parteivorsitz (und damit den künftigen Präsidenten des Landes) ab. Es kocht und brodelt – nach allen Regeln der Parteidisziplin (angeblich – oder so). Es ist die Saison der Wadenbeißer und Schönredner, der Giftpfeilschützen und Aufs-Protokoll-Pocher. Und der Pressesprecher, PR-Berater und Spindoctors.

Schon nervig, wenn weniger auf ANC-Etikette bedachte einheimische Journalisten da plötzlich einen politischen Skandal nach dem anderen ans Licht zerren. Wessen politische Zukunft auf dem Spiel steht, der lässt sich halt ungern von ein paar dahergelaufenen Schreiberlingen der Lächerlichkeit preisgeben.

Was also tun, fragt sich da die arg gebeutelte Regierung in Pretoria. Redaktionsräume durchsuchen wie in Kenia? Kurzen Prozess machen wie in Simbabwe? Zeitungen verbieten wie zu Apartheidzeiten? God forbid! – wie unappetitlich.

Und um fair zu sein: undenkbar im heutigen Südafrika. Um noch fairer zu sein: Was sich Journalisten am Kap an schonungsloser Kritik leisten können, ist in vielen westlichen Demokratien alles andere als selbstverständlich. “Manto – ein Säuferin und Diebin” titelte kürzlich die Sunday Times über die durch ihre Aids-Politik diskreditierte Gesundheitsministerin. Bisher hat dieser Aussage noch niemand widersprochen. Aber die wütenden Rufe nach Maulkörben für Journalisten mehren sich stetig.

Zunächst drohte die Regierung, künftig keine Anzeigen mehr im Blatt zu schalten. Jetzt gibt es ein Angebot, die Muttergesellschaft der Sunday Times zu kaufen. Für 7 Milliarden Rand, obwohl das Unternehmen nach Angaben von Analysten weit weniger wert ist. Und wer steckt dahinter? U.a. ein Berater Thabo Mbekis und der Sprecher des Außenministeriums.

Tada! Sauber, clever, legal. So einfach ist das.

 

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Von Lolli lutschenden Polizisten oder: Geduld ist eine Tugend

Es gibt Tage in Südafrika, da beiße ich mir auf die Zunge, zähle lautlos bis zehn und zwinge mich, tief einzuatmen. Und wieder aus. Wenn ich etwa zum fünften Mal im Außenministerium anrufen muss, weil ich jedesmal intern falsch verbunden oder direkt aus der Leitung gekickt werde. (Kein böser Wille, nein. “Skills shortage” heißt das hier.)

Wenn meine Wohnung über Nacht von Einbrechern ausgeräumt wird und am nächsten Tag zwei Polizisten auftauchen – beide mit einem rosa Lollipop im Mundwinkel – und wissen wollen, was mir fehlt. “Ein IBM-Laptop.” – “Ein was…? IBM? Können Sie das buchstabieren??”

Oder wenn ich (mit schlechtem Gewissen, jaja) den Drive-Through von McDonald's ansteuere, weil ich vor Hunger umfalle, aber gerade überhaupt keine Zeit habe. Fünf Autos stehen vor mir. Fünfzehn Minuten später habe ich mich zum Bestellfenster vorgearbeitet. Die Sonne brennt, in mir brodelt die Ungeduld: Fastfood heißt das Zeug! Oder nicht?!

Da streckt sich mir, bevor ich auch nur meine Pommes ordern kann, eine Hand zum Gruß entgegen, dahinter ein breites Grinsen und die Frage “Hallo, wie geht's? Kommen Sie gerade von der Arbeit? Was für ein wunderschöner Tag!” Ohne zu wissen, warum, schlage ich ein, sage irgendwas Nettes und – lächle zurück! Danach frage ich mich, ob ich noch normal bin (oder langsam meinen Biss verliere) und fahre trällernd nach Hause.

Stimmt schon, in Amerika hätte ich meinen Fishburger in zwei Minuten gehabt, hastig in die Hand gedrückt von einer gestressten Highschool-Schülerin. Und in Deutschland wäre mein Laptop wahrscheinlich gar nicht erst verschwunden. (Immerhin haben die Polizisten mit schuldbewusstem Blick gefragt, ob Lollilutschen okay sei. “Aber ja”, habe ich schulterzuckend gesagt.) Manchmal könnte ich in diesem Land vor Ungeduld an die Decke gehen und den Südafrikanern erklären, wie man… aber irgendwie habe ich direkt danach immer ein schlechtes Gewissen. Und außerdem und mal ganz ehrlich: Entspannt lebt es sich am Kap einfach besser.

 

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Kleinstkredite in Tansania

Daressalam, Tansania. Eine Woche unterwegs mit einer Journalistengruppe. Es ging um Kleinstkredite und wie sie helfen können. Einer Seifenmacherin etwa, die mit 50 oder 100 US-Dollar eine vernünftige Maschine kaufen kann, um die Seife in handliche Stücke zu zerteilen. Dadurch kann sie den Produktionsprozess beschleunigen, mehr Seife herstellen und verkaufen – und schließlich mehr verdienen. „Schon mit 50 Dollar kann man hier eine Menge machen“, hieß es immer wieder.

Wir waren in den Usambarabergen im Norden, wir haben einen Abstecher nach Sansibar gemacht und sind durch Daressalam gelaufen. Viele Termine, viele Gespräche, viel gelernt über ein Land, von dem die meisten vorher gerade mal den Serengeti-Nationalpark und vielleicht noch den schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo kannten. Es ist der letzte Morgen vor der Abreise. Unsere Gruppe hat sich an der Rezeption des New Africa Hotel getroffen (das dort steht, wo in deutschen Kolonialzeiten das Hotel Kaiserhof stand), um die offenen Zimmerrechnungen zu begleichen.

Einer aus der Gruppe musste schon früh am Morgen zum Flughafen. Auf seiner Rechnung sind 50 US-Dollar offen. 50 US-Dollar für den Nachtportier, wie sich herausstellt. Der hatte unserem Kollegen auch so eine Art Kleinkredit gegeben, weil er Geld brauchte für die zwei Frauen, die er sich für die letzte Nacht in Daressalam mit aufs Zimmer genommen hatte. Der Unterschied ist nur: Knapp 100 Prozent der Kleinstkredite werden pünktlich zurückgezahlt.

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