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Weltreporter-Forum 2016 – hier ist das Programm!

Das Programm des Weltreporter-Forums 2016 in Raiding/Burgenland steht!

Wir freuen uns mit unseren internationalen Gästen auf einen spannenden Sommer-Nachmittag auf dem Land. Das Programm des Weltreporter-Forums 2016 in Raiding/Burgenland steht!

 

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Diese Dänin wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin

Als Update zu meinem Blogeintrag kürzlich: Lange hat sie hoffen dürfen, aber Helle Thorning-Schmidt wird nicht UN-Flüchtlingskommissarin. Auch der Deutsche Achim Steiner geht leer aus. Die dänische Ministerpräsdentin und der Bürokrat unterlagen beide gegen den Italiener Filippo Grandi.

 

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Conchita ist es Wurst

Wieder einmal findet der European Song Contest in Nordeuropa statt und wie letztes Jahr kümmere ich mich ein paar Tage nur am Rande um Wirtschaft und Hochkultur, sondern widme mich vor allem Europas größter Fernsehshow und allem, was drumherum so passiert. Besonders telegen ist die Österreichische Teilnehmerin Conchita Wurst. Groß, Wespentaille und Riesenwimpern – da spielt jemand mit dem Klischee des (Barbie-)Püppchens.

Wurst ist die weibliche Rolle von Tom Neuwirth und nicht nur in Kopenhagen, um zu singen, sondern auch, um für Toleranz zu werben – eigentlich seit langem ESC-Tradition. Einigen Osteuropäern missfällt das und womöglich auch einigen Westeuropäern. Es kam zu Boykottaufrufen, weil die sexuelle Orientierung als nicht telegen angesehen wurde.

Conchita Wurst lässt sich davon nicht allzu sehr berühren. Morgen tritt sie im zweiten Halbfinale auf. Ich habe Conchita Wurst schon einmal in Kopenhagen getroffen und für The Wall Street Journal interviewt. Den Text und sogar ein Video gibt es hier. In dem Film erklärt sie übrigens, was es mit ihrem Namen auf sich hat und was ihr Wurst ist.

 

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Lars von Triers Nymphomaniac, Henrik Ibsens Nora oder im Körper von Charlotte Gainsbourg, Stacy Martin, Joe und Elvira Friis

Im Kino gewesen. Auf der Leinwand gesehen wie Charlotte Gainsbourg sich auspeitschen lässt. In einer anderen Szene hat sie Sex mit Shia LaBeouf, der später mit Mia Goth schlafen wird – aber erst nachdem sie mit Gainsbourg im Bett war.

„Nymphomaniac“, der neue Film von Lars von Trier, hat jede Menge Sex-Szenen. Kaum ein Charakter, gespielt von oben genannten Schauspielern und anderen wie Stellan Skarsgård und Sophie Kennedy Clark, der mehr als ein paar Minuten auftaucht, hat nicht irgendwann in dem Vierstundenfilm Sex.

Eine ersten Blick habe ich für The Wall Street Journal‘s Speakeasy schon im Dezember auf „Nymphomaniac“ geworfen, der Kurztext (auf Englisch) steht hier, unten eine ausführlichere deutsche Fassung. In den vielen mehr oder weniger expliziten Szenen sind die Körper der internationalen Stars durch Double ersetzt, die ähnlich Stuntmen dort einspringen, wo die Berühmtheit nicht mag. Über Elvira Friis, das dänische Körperdouble von Stacy Martin und Charlotte Gainsbourg, gibt es hier meinen Text bei The Wall Street Journal (ebenfalls auf Englisch).

Monate-, wenn nicht jahrelang haben die Medien verrückt gespielt wenn es um den „Filmporno“, das „Sex-Epos“, den „Sexfilm“ oder das „Porno-Drama“ ging.

Allerdings, nach Besuch einer der ersten vorab Filmvorführungen in Kopenhagen, weiß man: „Nymphomaniac“ wegen der Sex-Szenen zum Porno zu küren wäre wie „On the road“ der Kategorie Action zu zuordnen, nur weil Autofahren ein essentieller Part ist.

Natürlich geht es in dem Film um Sex; unter anderem. Sex ist Teil der Handlung, aber nicht alles.

In einem klassischen Pornofilm gibt es die Handlung, die alle Szenen verbindet, vermutlich nur, um dem Zuschauer auch einmal eine Pause zu gönnen.

„Nymphomaniac“ dagegen zeigt, wie die Hauptperson Joe (in ihren jungen Jahren gespielt von Stacy Martin, im Alter von Charlotte Gainsbourg) versucht, zwischen dem ganzen Sex nicht zu lange Pausen zu haben.

Anfangs streunt die junge Joe zusammen mit ihrer Freundin B. (Sophie Kennedy Clark) in einem Zug umher und jagt die Männer in den Abteilen mit ihren Blicken. Die zwei Mädchen haben einen recht ausgefallenen Wettbewerb: Diejenige, die während der Zugfahrt am meisten Männer erlegt, gewinnt eine Tüte Schokoladenbonbons.

Es wird nur angedeutet oder in Soft-Porn-Versionen gezeigt, wie Joe ihre Männer niederstreckt, wie sie durch ein Fellatio gewinnt, ist hingegen komplett zu sehen. Allerdings recht kurz.

Den Zuschauer zu erregen ist die Kernidee eines traditionellen Pornofilmes, aber wie von Trier in „Nymphomaniac“ den Geschlechtsakt zeigt und in welcher Kürze, deutet darauf hin, dass er dem Zuschauer nicht einmal die Möglichkeit geben möchte, erregt zu werden.

Statt langsam und gefühlvoll oder zumindest mit erotischen Bildern sich dem Höhepunkt zu nähern, zeigt von Trier Sex als einen mechanischen Akt. In manchen Szenen sind Nummern eingeblendet, die zählen, wie oft der Mann auf der Leinwand Joe stößt – das unterstreicht wie wenige Emotionen involviert sind.

B. entdeckt kurz nach der Zugfahrt für sich, dass Liebe Sex noch genussreicher machte – und taucht dann nicht mehr in dem Film auf. Joe jagt weiter.

Sie kommt nie zur Ruhe. Während in einem klassischen Porno Sex zumindest dem Anschein nach, die Menschen glücklich macht, ist dies für die Nymphomanin nicht der Fall.

Joe wirkt nie glücklich, sondern stets einsam und auf beinahe romantische Art auf der Suche. Sex scheint sie nicht länger als für die Dauer des Aktes zu befriedigen.

Dreimal ist sie nah dran, ihren Wunsch erfüllt zu bekommen, aber jedes Mal entfaltet der Sex-Drang zerstörerische Kraft. In „Nymphomaniac“ sind Menschen nur glücklich und friedlich, wenn sie keine sexuellen Begierden haben – wie der Buch-Liebhaber Seligman, dem Joe ihre Geschichte erzählt, und vielleicht auch zeitweilig ihre Partner Jerome und Mia.

Von Trier zeigt, dass Sex-Lust menschlich ist, aber auch, dass sie dazu führen kann, dass die Menschen sich unmenschlich verhalten, ihr Kind verlassen und dessen Tod riskieren oder den einzigen wirklichen Freund verletzen. Traditionelle Porno-Filme klammern so etwas aus und fokussieren darauf, wie erfüllend Sex sein kann. Dunkle Seiten haben dann keine wirklichen negativen Auswirkungen, sondern sind nur luststeigernd.

Trotz allem, ist „Nymphomaniac“ einer der leichteren, unterhaltsameren, phasenweise lustigen Filme von Triers. So sollte das Ende auch nicht allzu düster gesehen werden, auch wenn wie in anderen Filmen des dänischen Regisseurs, „Antichrist“, „Dogville“ oder „The Kingdom“ etwa, alles gegen Ende hin immer schlimmer wird.

Die letzte „Nymphomaniac“-Szene ist eine radikale Version von Ibsens Schauspiel „Nora“.

Während Nora sich selbst befreit und mit dem Stigma ihre Ehe zerstört zu haben, gehen kann, ist der Preis den Joe zahlt, erheblich höher.

Nachdem die Lust sie jahrelang verfolgt hat, trägt sie eine andere Bürde und der Film endet mit einer Ambiguität, wie sie dem klassischen Porno-Genre unbekannt ist.

Bild: Elvira Friis – Foto: Lasse Egeberg

 

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Das zweitbeste Bier der Welt?

Das Timeing ist nicht ganz optimal, aber wenn es um Alkohol geht, ist das vielleicht gar nicht so wichtig. Jedenfalls ist es gerade ein Woche her, dass das Kopenhagener Restaurant Noma von der Position 1 der vielzitierten Liste der besten Restaurants der Welt verschwunden (und auf Nummer 2 geworden) ist, da wird publik, dass das von Noma Chefkoch Rene Redzepi initiierte Nordic Food Lab Carlsberg helfen will, Bier zu brauen. Die Zutaten sollen aus der nordischen Natur stammen – Seetang zum Beispiel. Aber vielleicht sogar Bienenlarven? Immerhin hat das Nordic Food Lab mit diesen schon Granola hergestellt. Klingt nicht nach dem besten Bier der Welt, aber vielleicht wird es ja wie das Noma das zweitbeste. Nur um die Medienaufmerksamkeit hingegen geht es Carlsberg wohl nicht, dagegen spricht, dass das Bier nur in der Heimat lanciert wird und der Markt ist mit 5.5 Millionen Einwohnern doch arg klein.

Details zu Carlsberg und Nordic Food Lab habe ich hier bei The Wall Street Journal beschrieben.

 

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Den Maori kommen die Dänen

Was war das schön, als Neuseeland die Homo-Ehe absegnete. Das gesamte Parlament erhob sich spontan und sang „Pokarekare Ana“, ein Liebeslied der Maori. Ob braun, weiß oder regenbogenfarben: Noch nie saßen so viele Kiwis gerührt vor dem Fernseher, ohne dass es um Rugby ging. Das Ständchen ging um die Welt und dürfte einer Dame im Norden so richtig den Pölser versalzen haben.

Marie Krarup ist Abgeordnete der Dänischen Volkspartei, Prädikat Ausländerfeindlichkeit. Die stramm nationalistisch gesinnte Politikerin war Teil einer Delegation des dänischen Verteidigungsausschusses. Auf der Marine-Basis in Auckland wurde die Truppe offiziell von staatlicher Seite begrüßt. Wie es sich für hohen Besuch gehört, fand der traditionelle Festakt namens ‚powhiri‘ im zur Marine gehörenden Versammlungshaus der Maori statt, dem Te Taua Moana Marae. (Für alle, die bisher nichts über Neuseeland wussten, so wie es vielleicht bei Marie Krarup der Fall war: Aotearoa, wie der Name schon sagt, ist ein zweisprachiges, bikulturelles Land. Es liegt nicht in Europa, sondern südöstlich von Australien. 15 Prozent der Bewohner sind indigener Abstammung und das Grundgesetz sieht vor, dass deren Kultur lebendig bleibt. Okay, weiter!)

Die Redner, Tänzer und Offiziere warfen sich ins Zeug, um den Nachfahren der Wikinger zu zeigen, was „Haere Mai“ heißt: Herzlich willkommen! Es wurde gesungen, gestampft und getanzt, dass es eine martialische Pracht war. Marie Krarup jedoch war anderes gewohnt, zum Beispiel zackige Paraden und Stechschritt. Ziemlich maorisch kam ihr die Begrüßung des Kriegervolkes vor. Anstatt daheim in Kopenhagen endlich einen Reiseführer zur Hand zu nehmen, um sich in Sitten und Gebräuche des Gastlandes einzulesen, schrieb sie sich lieber in der Zeitung „Berlingske Tidende“ ihre Eindrücke von der Seele. Getreu nach Karl Valentin („Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“) war sie geschockt. Wie viel Exotik kann einer xenophoben Militaristin mit eurozentristischem Weltbild zugemutet werden?

„Grotesk“ fand sie den Erstkontakt mit den Fremdlingen. „Wir wurden nicht per Handschlag oder einem Salut von Uniformierten empfangen“, entrüstete sie sich. „Nein, wir wurden mit einem Tanz begrüßt, von einem halbnackten Mann im Grasrock, der auf Maori brüllte.“ Weitere „seltsame Rituale“ musste sie über sich ergehen lassen: Der Mann streckte die Zunge heraus. Wie „ein Idiot“ habe sie sich gefühlt, als einer dieser Barbaren ihr auch noch einen Nasenkuss aufdrücken wollte. Die Maori-Lieder, die die Marinetruppen zu Gitarrenklängen vortrugen, klangen für sie wie „Darbietungen im Kindergarten“.

Damit war der Kulturschock noch lange nicht vorüber. Krarup schaute sich kritisch prüfend im „Maori-Tempel“ um, wie sie den Marae bezeichnete, und erblickte Furchtbares: Holzschnitzereien von „Gottheiten mit wütenden Gesichtern und großen erigierten Penissen.“ Da hilft nur eins: Starkes Nisseöl (Elfenbier – für die, die Dänemark noch nicht so gut kennen).

 

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Neujahrsansprachentheater

Ganz Dänemark schaut zu, wenn am 31.12. um 18 Uhr die Neujahrsansprache der Königin gesendet wird. Die meisten Sylvesterfeiern beginnen mit dem kollektiven Sehen ihrer Rede.

Am Tag drauf spricht dann die Premierministerin – der Eventcharakter ist da nicht gegeben, das mag am Kater liegen. In den Medien jedenfalls werden beide Reden en detail analysiert. Und vorab wird spekuliert, was denn wohl gesagt werden könnte und Journalisten, andere Politiker sowie “der gewöhnliche Bürger” sagen, was sie meinen, was genau gesagt werden sollte. Ein Riesenvergnügen also. Und moralischer Anspruch. Denn natürlich muss die Regierungschefin genau die richtigen Probleme genau richtig ansprechen. So gab es vorab jede Menge gute Ratschläge.

Vorab? Ganz so vorab war das, was Politiker und Journalisten da von sich gaben, gar nicht. Denn die hatten die Rede, die gehalten wurde schon gelesen, da war sie noch gar nicht gesendet. Staatstragend sagten also Politiker und Journalisten, was sie sich von der Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt an Aussagen wünschen würden – und wußten doch schon, was sie sagen würde. Jeder Oppositionspolitiker, der sie dumm aussehen lassen wollte, hatte also die Möglichkeit, einfach nur Dinge zu fordern, die sie ohnehin nicht erwähnen würde. Dänische Mediendemokratie 2013? Hoffen wir lieber, dass das eine Ausnahme war.

Zum weiterlesen dazu hier ein Artikel von Jyllands-Posten (auf Dänisch natürlich).

 

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Das große Fressen – abgespeckt

Aus irgendeinem Grunde ist Weihnachten zur Zeit des Überflusses geworden, es wird geschenkt, was das Zeug hält und gegessen bis es nicht mehr geht – nicht überall im so genannten Westen, doch auffallend häufig. Das große Fressen nicht nur zur Weihnachtszeit führt dazu, dass die Menschen immer dicker werden, wie internationale Statistiken über den BMI (Body Mass Index, aber das weiß mittlerweile wohl jeder). Zwar ist es da um Dänemark noch nicht so schlimm bestellt, aber es geht aufwärts. Vor allem aber haben die Dänen eine vergleichsweise niedrige Lebenserwartung – in Europa ist diese nur im Osten noch geringer.

Also, so dachte man sich in guter sozialdemokratischer Manier (auch wenn der Vorschlag von der eigentlich liberalen Partei Venstre kam), lasst und über Steuern steuern und fettes = ungesundes Essen teurer machen.

Im Herbst 2011 wurde deshalb eine Fettsteuer eingeführt (hier ein Text, den ich darüber mit Selina Marx für Die Gesundheitswirtschaft schrieb). Die aber war inskonsequent und nicht hoch genug, um wirklich das Konsumverhalten zu ändern und erfüllte letztlich nur einen Zweck: Haushaltslächer zu stopfen. Das widerum passte nach einigen Monaten und einer Wahl niemanden mehr. Auch nicht den Unternehmen, die meinten es sei zu viel Aufwand, die Steuer zu berechnen und außerdem würden die Kunden nun vermehrt in Schweden oder Deutschland einkaufen. Also beschloss die nunmehr sozialdemokratisch gelenkte Regierung vor kurzem die Steuer wieder abzuschaffen. Ein paar mehr Informationen dazu auch in meinem Artikel für das Wall Street Journal, den es hier im Original gibt und hier in deutscher Übersetzung.

 

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Dänemark wird weiblich

Selbst ohne Frauenquote ist Dänemark auf dem Weg zu Frauen dominierten Regierungsparteien. Vergangenes Jahr wurde mit der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt erstmals eine Frau an die Spitze der Regierung gewählt (als Dänemark zum 1.1.2012 die EU-Ratspräsdentschaft übernahm, erschien von mir ein Porträt in Die Welt). Sie ist außerdem Parteichefin. Der sozial-liberale Koalitionspartner RV hat schon lange eine Frau als Vorsitzende. Nun hat Außenminister Villy Sovndal seinen Rückzug als Chef der Linkspartei angekündigt. Nachfolgen wird ihm am 13.10. in jedem Fall eine Frau: es kandidiert die erst 29-jährige Sozialministerin Astrid Krag und die einfache Abgeordnete Annette Vilhelmsen, 52.
Im Vergleich zu Norwegen und Schweden hinkt Dänemark beim Anteil von Frauen in der Spitze von Wirtschaft und Politik bisher hinterher. Zumindest in der Politik wird das ab Mitte Oktober anders aussehen.
Die rechtspopulistische DF allerdings hat gerade die weibliche Vorsitzende durch einen Mann ersetzt.

 

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Der Besuch der alten Dame mit dem Hirst

Während in der Londoner Tate die Damien Hirst Ausstellung anläuft, schlummert eines seiner Werke in Dänemark. Im vergangenen Jahr hat die Mäzenin Jytte Dresing dem Museum Arken vor den Toren Kopenhagens das bis dahin größte Spot-Painting der Erde vermacht. Die verhoffte Aufmerksamkeit blieb bislang aus. Nicht ganz zu unrecht, denn außer einem Superlativ in Quadratmeter hat das Bild so viel m.E. nicht zu bieten , die Formaldehyd-Hirsts davor sind da schon etwas anderes. (Gerechterweise sei aber gesagt, dass die Vorstellung der Werke so viel über den Kunstmarkt offenbarten, dass es ein Kapitel für Michel Houellebecqs “Karte und Gebiet” abgegeben hätte).

Statt das Erlebnis literarisch zu verwerten, schrieb ich eine Notiz dazu in The Art Newspaper und einen etwas längeren Beitrag für art, weiterlesen bitte hier.

 

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Der dänische Meister der Interieurs – bald auch in München

Er gilt als Meister der stillen Interieurs, der dönische Maler Vilhelm Hammershøj (1864-1916). Internationale Ausstellungen und Rekordresultate bei Auktionen haben seinen Werken in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nun werden seine Arbeiten in der Nationalgalerie in Kopenhagen gezeigt. Die Schau „Hammershøj und Europa“ eröffnet in der Nationalgalerie und reist danach in die Hypo-Kulturstiftung nach München weiter.

Gezeigt wird auch die (angenommene) gegenseitige Inspiration durch Munch, Gauguin und andere Größen seiner Zeit. Viel interessanter ist aber, sich den Sujets von Hammershøj zu widmen und seine Art der Portrait- und Interieurmalerei zu studieren. Details zur Ausstellung auf der Website der dänischen Nationalgalerie www.smk.dk

 

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Zu viel Weiblichkeit in der Lego-Kiste?

Noch vor zwei Jahren warfen schwedische Journalisten dem dänischen Spielzeughersteller Lego vor, eine Männerdomäne zu sein. Jetzt gerät das Unternehmen mit seiner neusten Serie „Lego Friends“ abermals geschlechtsspezifisch in die Kritik. Als zu konservativ gelten die neuen weiblichen Lego-Männchen, die in Designerläden arbeiten oder langhaarig im Pool plantschen.

In den USA, wo die Figuren bereits lanciert worden sind, ist es zu ersten Protestbewegungen von Seiten besorgter Eltern gekommen. Der Lego-Konzern halte zu stark an den klassischen Rollenbildern fest, kritisieren sie und fordern mit einer Petition Gleichberechtigung. In Dänemark, wo die Serie im Februar erscheinen wird, hatte der Gleichstellungsminister Manu Sareen mit Lego geschimpft, seine Aussage jedoch später abgeschwächt. Irgendwie war das dann wohl doch nicht ganz sein Zuständigkeitsbereich. Er halte die Debatte für sinnvoll, wolle aber nicht den Konzern direkt angreifen, hieß es dann. Dieser weist sowieso jegliche Schuld von sich: Er reagiere bloß auf Wünsche der Kinder. Für die neue ‘rosa’ Marketingstrategie hat Lego rund 38 Mio. Euro ausgegeben.

 

 

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Kaltes, klares Wasser

Sparen, sparen, sparen – wohl selten sind diese Worte so häufig gehört worden wie derzeit. Die Euro-Krise soll bewältigt werden und Ausgabenkürzungen scheinen da vielen unabdingbar. Ähnlich sieht das auch die dänische EU-Ratspräsidentschaft. Nur 35 Mio. Euro sind für die kommenden sechs Monate veranschlagt – weniger als ein Drittel des Budgets von Vorgängerland Polen. Symbolisch für die dänische Sparwut steht kaltes klares Wasser. Statt Mineralwasser aus teuren Minifläschchen gibt es “postevand” (Leitungswasser) aus der Karaffe. Dazu heute aktuell ein Artikel in Die Welt und natürlich auch online.

 

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Spieglein, Spieglein…

Selbstbespiegelung ist in den nordischen Ländern recht ausgeprägt, zumindest auf kollektivem Niveau. Wenn im Ausland über das eigene Land berichtet wird, ist das fast immer eine Schlagzeile wert. Schwedische Medien berichteten sogar in eigenen Artikeln, dass der Selbstmordattentäter vom Dezember in Stockholm international auf Interesse stieß – es schien als sei man stolz darauf.

Es muss wohl an einem gewissen Minderwertigkeitskomplex liegen, wenn jedes bisschen Aufmerksamkeit gleich zu einem Jauchzen führt. Aus einem großen Land mit (glücklicherweise) wenig Nationalstolz kommend, ist mir das ziemlich suspekt. Noch suspekter muss das wohl Chinesen sein. So wie Chinesen über Berlin oder München als Großstadt nur lächeln können, beschäftigen sie sich vermutlich auch nicht damit, dass ihr Land mal wieder irgendwo im Ausland in einer Zeitung steht.

Dänemark hat es mal wieder geschafft: ‘Anerkendt britisk avis laver hyldestguide til Danmark’ (etwa: ‘Anerkannte britische Zeitung bringt lobpreisenden Dänemark-Führer’) titelt die online Ausgabe der linksliberalen Tageszeitung Politiken und schreibt voller Selbstzufriedenheit, wie toll die britischen Reisejournalisten Dänemark fänden (wenngleich sie über Rassismus klagen, auch das bleibt nicht unerwähnt). The Guardian hatte die entsprechenden Texte veröffentlicht. Letztlich handelt es sich um nichts Weiteres als die klassische typische recht unkritische Reisetippberichterstattung. Aber so wie sich viele Schauspieler, die den Zenit überschritten haben oder jene, die nie die Spitzenliga erreicht haben, über jeden oberflächlichen positiven Artikel über sie freuen, mag er auch noch so substanzlos sein, so ist es wohl mit manch kleinen Ländern – Hauptsache man kann den Eindruck erwecken, wahrgenommen zu werden.

Manchmal ist so etwas – bei Staaten wie bei Schauspielern – tragisch zu nennen. Dabei haben die Länder hier oben wie viele andere auch doch so interessantes zu bieten, warum also jedes bisschen Aufmerksamkeit aufbauschen wie ein Profilneurotiker? Vor drei Jahren präsentierte das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen und Dragset auf der U-Turn Quadriennale (die dann doch ein Einmalereignis blieb) das Werk ‘When a country falls in Love with itself’ – sie stellten einen Spiegel vor dem dänischen Wahrzeichen Kleine Meerjungfrau auf.

Dies nicht aus Eitelkeit, sondern für diejenigen, die mehr lesen möchten:
Für die online Ausgabe von art schrieb ich damals einen Artikel über U-Turn – zu lesen hier, im Interview, das ich im Herbst 2010 mit Elmgreen und Dragset für The Art Newspaper führte, sprechen sie auch über die Selbstbezogenheit Nordeuropas (wobei, was Michael Elmgreen hier sagt auch für Deutschland gelten dürfte – weniger für die seriöse Presse, aber die Bevölkerung als solche, dazu ein aktueller Text von Claudius Seidl aus der FAZ am Sonntag) – komplett nur in der gedruckten Ausgabe, ein Ausschnitt deshalb direkt im Blog:

TAN: Your works When a Country Falls in Love with Itself and Han clearly refer to the Little Mermaid. Ai Weiwei has also been influenced by Copenhagen’s famous sculpture. Why is it so appealing to tourists and artists?

ME: National symbols are always fun to investigate and work with. They tell us about national identity.

TAN: In Sweden, the new right-wing political party in parliament—the Sweden Democrats—argues against supporting non-figurative art. How do you feel, as Scandinavians, hearing that?

ME: It is totally out of touch with reality—the most conservative non-progressive art may be abstract art. But I’m not part of that society anymore: I am an emigrant, I moved somewhere else. I don’t lose sleep about tendencies in Scandinavia. It worries me more that three million people are homeless because of the flooding in Pakistan.

 

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Kinnock beugt sich dem Steuerdruck

Helle Thorning-Schmidt hat ein Problem. Die Chefin der dänischen Sozialdemokaten hat ein Familienmitglied, das in Dänemark keine Steuern gezahlt hat: ihr Mann Stephen Kinnock. Der Sohn des Ex-Labour Chefs Kinnock ist Direktor des Weltwirtschaftsforums. Da das in der Schweiz ansässig ist und er auch dort arbeitet, hat er bisher im Niedrigsteuerland Schweiz und nicht im Hochsteuerland Dänemark seine Einkommensteuer gezahlt. Da er aber die meisten verlängerten Wochenenden in Dänemark verbringt, ist zumindest fraglich, ob das rechtens ist.

Der Fall sagt viel über das Staatsverständnis der Dänen und ihren Moralismus aus. Zum einen galt Sippenhaftung und der Politikerin Thorning-Schmidt, die in Dänemarknoch höhere Steuern befürwortet, wurde das Verhalten ihres Mannes vorgeworfen und das in einem Land wo Ehegattensplitting ein Fremdwort ist. Zum anderen machte eine Vorschrift der dänischen Steuergesetzgebung dem Ehepaar das Leben besonders schwer: Kinnock meinte nämlich, nicht genügend in Dänemark zu sein, um dort steuerpflichtig zu sein, da er bei einem verlängerten Wochenende nicht schon morgens in Kopenhagen ankäme und abends abreise, sondern An- und Abreisetag nur teilweise in Dänemark verbringe. Da hat er aber die Rechnung ohne den dänischen Steuerstaat gemacht, der hier sein Gewaltmonopol ausnutzt und sagt, er brauche Freitag auch nur eine Minute vor Mitternacht in Dänemark anzukommen, schon gelte das als ein kompletter Tag Anwesenheit im Land – gleiches gelte für die Abreise.

Wenn es aber darum geht für Reisen Pauschbeträge anzusetzen, dann lässt das dänische Finanzamt eine solche Rechnung nicht zu, sondern die Pauschalen dürfen nur für die Zeit berechnet werden, die jemand tatsächlich unterwegs ist. Doch statt das die Dänen sich darüber entzürnen, dass hier ein Staat in Gutsherrenart stets zum eigenen Vorteil rechnet, klagen sie lediglich über das unmoralische Verhalten der Familie der sozialdemokratischen Parteichefin. Ganz klar ist bis heute nicht, wo Kinnock denn nun seine Steuern zu entrichten habe. Natürlich spricht einiges für Dänemark, wo er wegen der Familie auch seinen Lebensmittelpunkt hat.Dieser Fall hätte eine Steilvorlage dafür sein können, dass dänische Steuersystem zu diskutieren, stattdessen hat sich Kinnock dem öffentlichen Druck (auf seine Frau) gebeugt und frewillig Steuern nachgezahlt. Das kann in DDänemark übrigens ohne Anlass jeder machen. Mehr dazu gibt es hier in meinem Artikel in der gestrigen Financial Times Deutschland.

 

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Klima, Kunst und Kopenhagen

Klima, Klima, Klima – in Kopenhagen ist kein Entrinnen. Der am morgigen Montag beginnende Klimagipfel COP15 ist schon seit Monaten auf Bussen, in Zügen, auf Taxen und und und angekündigt worden. In letzter Zeit bekomme ich täglich gefühlte 23 500 Pressemitteilungen und –einladungen, die mit dem Klimagipfel zu tun haben. Die neuen Elektro-Renaults soll ich ebenso probefahren wie den Tesla, mir die Bürgermeister anschauen, die sich zum eigenen Klimagipfel treffen ebenso wie die Kinder. Gleich eine hand voll der bedeutendsten Museen locken mit Klimaausstellungen, mal mehr mal weniger deutlich wird die Kunst in den Dienst genommen, um auf den drohenden Klimawandel aufmerksam zu machen. Nicht ganz unwichtig dabei ist auch, Kopenhagen zu Markte zu tragen. Zu den zurückhaltenderen Ausstellungen gehört „The world is yours“ im Kunstmuseum Louisiana vor den Toren Kopenhagens:

Vier Worte prangen in Leuchtbuchstaben auf dem Museumsdach: „The world is yours“. Garde Einar Einarssons Werk hat der aktuellen Großausstellung mit zeitgenössischer Kunst den Titel gegeben. Die Welt gehört Dir wird für gewöhnlich als „Du hast alle Möglichkeiten“ verstanden. Die Kuratoren von Louisiana und ihre 24 Künstler jedenfalls nutzen sie.

Gleich im ersten Raum endlich einmal ein Eliasson, der begeistert. Der Island-Däne attackiert mehr als nur den Sehsinn. Hinter einer schweren Tür in einer auf minus zehn Grad gehaltenen Kältekammer steht sein für BMW hergestelltes Werk „Your mobile expectations: BMW H2R“. Das Fahrzeug ist kaum zu erkennen, eine filigrane Eisstruktur umschließt es – ein ästhetischer Genuss. Beim Eintreten gibt es einen Kälteschock. Das Objekt visuell wahrnehmend kommt die Erkenntnis: hier hat Eliasson BMW ein Schnippchen geschlagen. Er ist kein Futurist, der der Schnelligkeit des Automobils huldigt. Nein, Eliasson zeigt, dass diese Art der Fortbewegung – auch wenn wasserstoffbetrieben – von gestern ist, als stamme sie von vor der letzten Eiszeit. „The world is Yours“ hat er sich wohl gedacht: Nimm die Chance wahr, die BMW dir bietet, und zeig den Autobauern, was Sache ist.

Das alle Träume haben, illustriert die Chinesin Cao Fei. Sie filmt monoton in einer chinesischen Osram-Fabrik arbeitende Arbeiter. Dann treten die gleichen Menschen plötzlich als Tänzer oder Sänger auf – sie haben für Fei gezeigt, dass sie mehr als Fabrikmenschen sind. Die dänische Künstlergruppe Superflex zeigt in einem Film, wie ein McDonald’s Restaurant langsam überflutet wird. Auch die Überflussgesellschaft ist unsere Welt. Wie der Titel verspricht, gibt die Ausstellung Einblicke in die Tendenzen unserer Zeit.

Das Museum verlassend hat man Garde Einar Einarssons Leuchtbuchstabensatz „The world is Yours“ im Rücken. „The world is Yours“ ist eben auch eine Mahnung, die man im Hinterkopf haben sollte: Die Welt gehört Dir, mach was draus!

 

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Ist ein Arzt an Bord?

Das ist jetzt kein Scherz: Hat jemand da draußen irgendwo einen Arzt übrig? In meiner geschätzten Tageszeitung, dem Sydney Morning Herald, hat heute die westaustralische Ärztekammer Kopfgeld auf GPs (General Practitioners = Allgemeinmediziner) ausgesetzt. Das ganze geht so: Ich finde den Arzt, der Arzt arbeitet für mindestens 12 Monate in Westaustralien, und ich bekomme 3000 Dollar, könnte ich grade gut gebrauchen. Und WA ist eine wirklich klasse Gegend!

 

Natürlich bin ich bereit zu teilen, logisch. Denn wir sind hier unten im doktorlosen Kontinent auf jede Hilfe angewiesen, koste es was es wolle. Also, Tipps aus folgenden Ländern immer gern an mich, (faires 50-50 ist Eherensache): Gefragt sind Weißkittel aus Kanada, USA, South Africa, von den Neuseeländischen Inseln ;-), aus Singapur, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Irland und dem UK. Warum deutsche Ärtze nicht oben auf der ‘Wanted’ Liste stehen, ist mir nicht ganz klar, die müssen evtl. noch extra Beweise ihres Könnens einbringen. Aber wer Mediziner aus genannten Regionen kennt: Get them over here! Aber lasst  es mich vorher wissen, danke. 

 

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Alle Jahre wieder

Das Leben im Norden Europas kann recht angenehm sein – die Natur ist sauber, das Meer selten weit und trotz der ein oder anderen Horrormeldung (hier ein Text meines ehemaligen Praktikanten) muss man nicht viel Angst vor Kriminalität haben. Auf der Negativliste stehen neben den trüben Monaten extrem hohe Lebenshaltungskosten und ebensolche Steuern. Dafür wird das ein oder andere geboten, wie beispielsweise kostenlose Ausbildung der Kinder, wenn man denn welche hat.

Ein weiteres nordisches Phänomen trübt die Lebensqualität in regelmäßigen Abständen erheblich ein: die Nichtexistenz eines klassischen Wohnungsmarktes. In Nordeuropa ist es üblich, Immobilien zu kaufen und der ein oder andere mietet auch. Doch wer denkt, dass diese Handel überwiegend auf einem gewöhnlichen, allen leicht zugänglichen Markt vorgehen, irrt.

Nehmen wir das Beispiel Kopenhagen. Ein großer Teil der Hauptstädter wohnt in einer so genannten Andelsbolig, am ehesten mit der deutschen Genossenschaftswohnung vergleichbar. Man kauft sich einen Anteil an der Gesellschaft, die das Haus besitzt und darf dann gegen eine relativ geringe Miete eine bestimmte Wohnung nutzen, eine Zweizimmerwohnung in zentraler Lage ist so durchaus für eine monatliche Belastung von unter 800 Euro zu haben. Doch die Genossenschaftsanteile werden üblicherweise nicht frei gehandelt, sondern sind einerseits preisreguliert und werden andererseits nur an jene verkauft, die schon jahrelang auf der Warteliste der Andelsboligselskab stehen. Klar, dass hier Neuzuzügler – ob aus dem Ausland oder anderen Teilen Dänemarks – das Nachsehen haben. Schließlich haben sie nicht zehn Jahre vor dem Umzug geahnt, dass sie einmal in Kopenhagen landen würden und sich dementsprechend nicht früh genug auf eine solche Liste gesetzt.

Mittlerweile gibt es zwar einige Anteile im offenen Angebot, doch die sind erheblich teurer und zudem gibt es sehr enge Vorschriften, die regeln inwieweit eine solche Wohnung im Falle eines Auslandsaufenthaltes untervermietet werden darf. Wer also wegzieht, riskiert, zu einem schlechten Zeitpunkt zum Verkauf gezwungen zu werden, weil er nicht länger untervermieten darf.

Bleibt also der Mietmarkt. Teilweise wirklich günstig sind die Angebote auf der Seite der größten Wohnungsgesellschaft: Im gutbürgerlichen Stadtteil Østerbro beispielsweise gibt es Dreizimmerwohnungen ab 400 Euro Kaltmiete. Doch Priorität hat, wer ohnehin schon in dem Haus wohnt. Also heißt es, erst einmal mit einer Einzimmerwohnung anfangen und hoffen, dass bald etwas Größeres frei wird. Die Einzimmerwohnungen kosten gerade einmal zwischen zwei- dreihundert Euro monatlich. Der Haken an der Sache: mal eben kurz in die Miniwohnung und dann in die große geht nicht. Alleine für die Einzimmerwohnung beträgt die Wartezeit ‘mere end 20 år’, mehr als zwanzig Jahre. Da fragt man sich, wer sich überhaupt auf eine solche Warteliste setzen lässt – mit 15 drauf, mit 35 in der 20 Quadratmeterwohnung in Hoffnung darauf, vielleicht sieben Jahre später in eine größere wechseln zu dürfen, vielleicht auch schon nach drei Jahren, vielleicht aber auch nie? Leider ist dieses Beispiel exemplarisch. Kurze Wartezeiten gibt es in erster Linie aus sozialen Gründen, dazu zählt auch, dass die klassische weiße Mittelklasse die Wartezeit verkürzt bekommt, wenn sie bereit ist, in Einwandererbezirke mit hoher Arbeitslosigkeit zu ziehen.

Standardlösung ist deshalb vor allem für Zugezogene sich von Untermiete zu Untermiete zu hangeln. Denn, wer einen Genossenschaftsanteil besitzt, vermietet diesen womöglich mal unter, z.B. wegen eines Auslandsaufenthalts (s.o.). Maximale Mietdauer ist in solchen Fällen aber zwei Jahre, Standard ein Jahr oder noch weniger. Deshalb heißt es für viele neu Kopenhagener wieder und wieder alle Jahre wieder: Wohnungssuche und Umzug. Die Kaste der Nichtseßhaften ist gefühlt so groß wie der Stimmanteil von Linkspartei und FDP zusammen bei der Bundestagswahl in diesem September.

Es gibt nur zwei Alternativen: eine klassische Eigentumswohnung oder eine klassische Mietwohnung. Immerhin, in jüngster Zeit wird beides angeboten, allerdings überwiegend in Betonburgen am Stadtrand. Die haben zwar hochklassige Architekten entworfen, doch es sind reine Schlafstädte, die vielleicht einen Supermarkt um die Ecke haben, aber weder Cafés, noch Gemüse- oder Blumenläden. Und die Preise? München, Innenstadtlage (mit Café, Gemüse- und Blumenladen um die Ecke) plus 30 Prozent.

Berlin, wir kommen!

 

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Titel, Thesen, Tageszeitungstraum

Die linksliberale dänische Tageszeitung Politiken überrascht mich immer mal wieder, wenn ich sie morgens von der Fußmatte aufhebe.
Erklärte Strategie ist, die siebenmal die Woche erscheinende Zeitung täglich und vor allem am Wochenende etwas mehr zu einer Wochenzeitung zu machen, schließlich gibt es die reinen Nachrichten im Netz. Wenn also wie jetzt Wahlen in Afghanistan sind, Obama für die Gesundheitsreform kämpft, in Dänemark über das Burka-Verbot gestritten wird, dann gilt es dennoch etwas anderes auf den Titel zu heben. "Forscherurteil: Dänische Kunst ist gleichgültig" prangte mir am gestrigen Samstag auf der ersten Seite von Politiken entgegen. Die zeitgenössische dänische Kunst sei an den Markt angepasst und ästhetisch, nicht aber politisch, so der junge Kunsthistoriker Mikkel Bolt. Mich hat der Text (der auch im Kulturteil Aufmacher war) sehr interessiert, schließlich muss sich Dänemarks Vorzeigekünstler zumindest hinter vorgehaltener Hand von Kollegen und Kunsthistorikern schon lange immer wieder vorhalten lassen, vor allem die Massen zu unterhalten.
Dennoch dürfte der Großteil der Leser von Politiken bei der Überschrift wohl gedacht haben "Interessiert mich herzlich wenig". Umso mehr bekräftet diese Geschichte meinen Eindruck, dass Politiken nicht wenige ganz besondere Leser hat. Nämlich jene, die zwar gewisse Geschichten nicht lesen, aber stolz darauf sind, wenn ihre Zeitung diesen trotzdem einen prominenten Platz einräumt. Das bestärkt sie darin, dass sie die bessere Zeitung lesen. Die beiden konservativen Konkurrenzblätter Berlingske Tidende und Jyllands-Posten würden solche Geschichten so nicht wagen. Einerseits zeugt das von einer gewissen moralischen Überheblichkeit der Politiken-Leser, andererseits hat das den hübschen Nebeneffekt, dass auch etwas abwegigere Themen groß rauskommen – ein Traum vor allem von Journalisten.

 

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Der König ist tot, es lebe die Königsfamilie

In der Oper gewesen, Livlægens besøg (Per Olov Enquists Livläkarens besök / Besuch des Leibarztes). Auch bei dem Stück ging die Verbeugung beim Schlussapplaus zunächst gen Loge der Königsfamilie.

 

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Hans Magnus!

Es war wohl das, was ein Heimspiel genannt wird. Er kam, wurde gesehen und gehört und erntete Applaus. Montagabend war Hans Magnus Enzensberger in Kopenhagen. Vor ausverkauftem Saal (d.h. rund 400 Zuschauern) parlierte er befragt von Per Øhrgaard über sein Buch "Hammerstein oder der Eigensinn", seine dafür angewandten Recherchemethoden und die Deutschen und ihre Vergangenheit. Auf Deutsch. Ohne Simultanübersetzung. So etwas geht wohl nur in Kopenhagen. Eine Veranstaltung, die weder in der Landessprache, noch auf Englisch stattfindet, sondern auf Deutsch, aber nicht gedolmetscht wird und dennoch hunderte von Interessierten anlockt, deren Muttersprache ganz gewiss nicht Deutsch ist.

Die zwischenzeitlichen Teilübersetzungen ins Dänische des Interviewers waren unnötig, wie er selber anmerkte. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Goethe-Institut. Oft wird diesem vorgeworfen nur eine kleine Elite im Zielland anzusprechen oder – noch schlimmer – nur die deutschen Expats vor Ort. Doch Montagabend kamen jene, die auch zu einer Literaturveranstaltung mit einem nordischen Verfasser gekommen wären und nicht nur eine kleine Gruppe aus dem "Lesekreis Deutsches Buch" (wenn es einen gleichnamigen denn gibt).

Und woran liegts: an der vertrackten deutsch-dänischen Vergangenheit und an den Medien. Dass das Deutsche in Dänemark so weit verbreitet ist, hat nämlich nicht nur damit zu tun, dass die beiden Länder aneinandergrenzen und Deutschland wichtigster dänischer Handelspartner ist, sondern ist auch auf Krieg und Medien zurückzuführen. Bis zum berüchtigten Kampf um die Düppeler Schanzen 1864 war ein Teil Schleswig-Holsteins einmal Dänisch und hat deshalb jetzt eine entsprechende Minderheit. Ein Teil des heutigen Süddänemarks war umgekeht einmal Deutsch und die Sprache ist dort immer noch sehr verbreitet. Zudem ist das dürftige dänische Fernsehprogramm schuld: Weil es in Dänemark nur zwei schwache Programme gab, schalteten früher viele, die konnten, auf die deutschen Sender. In Süddänemark und den Inseln der "dänischen Südsee" war das deutsche Fernsehen lange bevorzugte Unterhaltunsgquelle, weil das dänische Programm zu dünn war. Viele, die heute um die 30 sind, haben mit Sandmännchen Deutsch gelernt. Ein Plädoyer für mehr Kriege und schlechtere Fernsehprogramme also, um den Fremdsprachenaustausch zu forcieren?

Nein, und wieder muss Hans Magnus Enzensberger herhalten. Der sprach gegen Ende der Veranstaltung nämlich einige Worte Skandinavisch (nun gut, das ist eigentlich keine eigene Sprache, aber seine Betonung war keiner der drei skandnavischen Sprachen zuzuordnen, es war wohl Norwegisch für die Dänen verständlich gemacht). In den 1950ern hat er längere Zeit in Norwegen gelebt: statt Krieg und schlechtesm Fernsehprogramm ist ihm das Land und dessen Sprache durch Liebe nähergebracht worden, Liebe zu einer Frau und wohl auch dem Land. Seine damals geborene Tochter Tanaquil lebt immer noch dort und ist von Sprache angetan wie ihr Vater. Gemeinsam haben die beiden nordische Sagen übersetzt und obwohl Norwegerin, war es Tanaquil, die,  als ich sie vor einigen Jahren interviewte, mein Deutsch verbessern musste. Hatte sich doch ein eingedeutschter Anglizismus eingeschlichen. Sorry, ich meine: unskyld (und das mit einer Verbeugung vor Hans dem Großen).

 

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Jagtvej ist überall

 

Vor einem Monat war Kopenhagen weltweit in den Schlagzeilen, weil autonome Demonstranten gewaltsam gegen die Räumung des alternativen Jugendzentrums Ungdomshuset demonstrierten. Mittlerweile ist das Gebäude abgerissen, doch die Demonstrationen gehen weiter, nur eben friedlich. Deshalb kümmert sich nicht nur die so genannte Weltpresse nicht mehr darum, sondern auch in Dänemark wird den Bemühungen, ein neues Jugendzentrum zu bekommen, kaum mehr Beachtung geschenkt. Doch, wer aufmerksam durch Dänemarks Hauptstadt geht, bekommt auch so mit: der "Jagtvej" (so die Adresse des Hauses) ist überall – einige Sympathisanten überklebten nämlich in einer subtilen, (beinahe) künstlerischen Aktion diverse Straßenschilder in der dänischen Hauptstadt. Nun gibt es den "Jagtvej" nicht nur wie gehabt im Stadtteil Norrebrø, sondern auch an etlichen anderen Ecken.

 

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Dänemark lockte 1500 >>träge Arbeitslose<< aus Deutschland

In Dänemark herrschen beneidenswerte Zustände – die Arbeitslosenquote liegt laut statistischen Amt der EU unter vier Prozent und das Pro-Kopf-Einkommen ist auch real erheblich höher als in Deutschland. Kein Wunder also, dass die Jobmesse im süddänischen Kolding 1500 Arbeitssuchende aus Deutschland anzog. Sie alle waren gekommen, weil sie ein Leben mit Job in Dänemark einem Leben ohne Job in Deutschland vorziehen würden.

Das dänische Arbeitsmarktmodell der Flexicurity ist in jüngster Zeit in Deutschland fast täglich in den Medien. Politiker und Wissenschaftler plädieren dafür, das deutsche Arbeitsmarktmodell dem dänischen zumindest teilweise anzugleichen. In Dänemark herrscht die angelsächsiche hire & fire-Mentalität und gleichzeitig können die, die arbeitslos werden, mit relativ hoher Unterstützung rechnen.

Die Beschäftigten haben deshalb wenig Angst tief zu fallen und die Unternehmer zögern nicht mit Neueinstellungen, schließlich müssen sie nicht befürchten, die neuen Mitarbeiter weiterbeschäftigen zu müssen, wenn die Auftragslage nicht mehr ganz so gut ist oder das Mitarbeiterprofil einfach nicht mehr paßt.

Es gibt gute Gründe, dass das Modell in Deutschland häufig diskutiert wird, mein Besuch auf der Jobmesse in Kolding machte aber auch auf andere Probleme in Deutschland aufmerksam. Ich sprach mit einigen arbeitssuchenden Deutschen, die nach Dänemark gereist waren, um sich dort nach einer Stelle umzuschauen. Egal, ob sie aus Bremen, Uelzen oder Neubrandenburg kamen – keiner von ihnen war durch das heimische Arbeitsamt, das jetzt Arbeitsagentur heißt, auf die Messe aufmerksam gemacht worden, sondern alle hatten – dem Klischee vom trägen Arbeitslosen zum Trotz – selbst die Initiative ergriffen. Einem Arbeitslosen aus Bremen hatte die zuständige Beraterin von der Reise gen Norden gar abgeraten – "Da sind Sie doch gar nicht der Typ für", kommentierte sie das Engagement.

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