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Abschied von AC/DC

Mal ehrlich, wann verlassen Sie für gewöhnlich einen Kinosaal? Gehören Sie zu jenen, die ihn fluchtartig vor den Massen verlassen, sobald James Bond zum letzten Kuss angesetzt hat? Oder halten Sie es auch mal etwas länger aus, vielleicht weil die Musik so klasse ist, während der Abspann läuft? Aber die Endlos-Namensliste, die nach jedem Film über die Leinwand flimmert, lesen Sie garantiert nicht. Wen interessiert schon, wer Meg Ryans Garderobe in Ordnung hält? Oder wer George Clooney die grauen Haare fönt? Eben, das interessiert gemeinhin keinen Mensch.

In Japan ist das anders. Da wird jede Minute im Filmtheater ausgekostet. Von den ersten Warnungen “Do not eat or drink!”, “Do not talk!” und “No trouble!” bis hin zum letzten Eintrag im Abspann. Und ich mein’ den letzten, den allerletzten Eintrag. Neulich, bei “New York, I love you”, saß das Publikum knapp fünf Minuten und ertrug die nicht enden wollende Namensliste mit totaler Ruhe (“Do not talk”) und ohne Fluchtversuch. Famos, diese Japaner.

Disziplin ist eben alles im Land der aufgehenden Sonne.  Das gilt auch für Rockkonzerte. Jüngst heizten AC/DC (ja, es gibt sie noch) in Tokio einigen Tausend Fans ein. Und was für paradiesische Zustände fanden die in die Jahre gekommenen Pioniere des Heavy-Metal vor: Ihre Kernarbeitszeit ging von 19 Uhr bis 21 Uhr! Danach wurde die Bühne schwarz, gingen die Zuschauer brav nach Hause und die Hardrocker vermutlich zum Entspannen ins heiße Onsenbad. Einen besseren Stundenlohn bekommen sie wohl nirgends auf der Welt. Klingt wie ein Aprilscherz, ist aber keiner. Selbst die wildeste Show muss ihre Grenzen haben. Und zwei Stunden ausgeflippt sein, das ist ja auch schon was.

Da lob ich mir doch das altehrwürdige Kabuki-Schauspiel. Auch wenn ich kein eingefleischter Fan dieses japanischen Kostümspektakels aus der Edo-Zeit bin, so bekomm’ ich doch wenigstens was für mein Geld. Vier Stunden dauert die Show und reden und essen darf man auch, denn jede Stunde gibt’s extra dafür eine Pause. Ein Fest für alle Sinne ist dieses Kabuki also. Sorry AC/DC, aber in Zukunft halt’ ich’s eher mit den dick geschminkten und prächtig kostümierten Herren der japanischen Schauspielzunft.

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