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Belgrad auf Eis

BRRRRRRH. Kalt. Saukalt. Scheißkalt. Minus zwanzig Grad kalt. Gefühlte Temperatur: Minus dreißig. Der Ostwind KOŠAVA fegt über die Pannonische Ebene orkanartig. Seit Tagen Schnee, Schnee, Schnee, der Himmel ist Schnee, der Boden ist Schnee, du weißt gar nicht mehr von welcher Seite kommt er. Der Schneesturm verweht dir den Atem, die Nasenspitze erfriert.

Dabei ist Belgrad noch gut dran. Südserbien ist seit zwei Monaten verschneit. 70.000 Menschen in den Bergdörfern haben zwischendurch keinen Strom, Straßen haben sie eh nicht, ergo, sie sind schwer erreichbar. Zwanzig Tote zählt man seit Januar, täglich wird die zahl höher, Soldaten und Helikopter sind unterwegs.

Serbien mutiert langsam zu Sibirien.

Eis und Schnee haben Ex-Jugoslawien vereint: Etwa 150.000 Menschen sind in Kroatien, Bosnien oder Montenegro eingeschneit. Die ersten Lawinen haben die ersten Opfer begraben. Zehn Menschen sterben in Kosovo, ein fünfjähriges Mädchen wird gerettet.

Montenegro ruft den Ausnahmezustand aus, es besteht die Arbeitspflicht, die Bergregion ist vom Rest der Welt abgeschnitten. Aus einem verschneiten Zug wurden 20 Personen gerettet. In der mediterranen Hauptstadt Podgorica knicken die Palmen wie Streichhölzer um, der Nordwind BURA weht tote Fische ans Land. In den Krankenhäusern der kroatischen Adria-Stadt Split ist der Gips knapp geworden, Eis und Kälte kennen die sonnenverwöhnten Dalmatiner gar nicht. Die Adria ist – tiefgefroren.

Der Ausnahmezustand in Serbien heißt „Ausnahmesituation“, die Soldaten und Freiwillige erreichen Kranke und Alte in den Bergdörfern oft nur auf Skiern.

In Belgrad verschwinden die Save und die Donau unter dicken Eisschichten, Schiff-Fahrt auf der Donau ist eingestellt. Nach zwei Sonnentagen und Minus 20 Grad schneit es wieder. Die Energieversorgung der Hauptstadt steht auf der Kippe: Strom und Gas sind knapp, Schulen und große Betriebe geschlossen,  Straßenbeleuchtung wird sparsam eingesetzt.

Seit gestern wieder Schnee, Schnee, Schnee. Laut Prognose hört der Schneefall erst in zwei Tagen auf.

Dann soll es wärmer werden.

 

 

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