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Der Wahlkampf der Vorurteile

Irgendwie ist die Geschichte in ihrer Tragik beinahe entlarvend.

Endlich, dachte ich, kommt es in der Slowakei zu einem Aufstand der Anständigen, wie ich ihn in meinen Jahren in dieser Gegend noch nicht erlebt habe.

 

 

Hintergrund: Auf einem Wahlplakat sitzt ein beleibter junger Mann, der erkennbar zur Roma-Minderheit gehört. Den Oberkörper tätowiert, um den Hals eine dicke Goldkette. „Damit wir nicht die füttern, die nicht arbeiten wollen“, steht in großer Schrift darunter, dazu das Logo der berüchtigten Slowakischen Nationalpartei. Diese Rechts-Außen-Kraft, muss man wissen, sitzt seit vier Jahren mit einem linkspopulisten Premierminister in einer bizarren Regierungskoalition und profiliert sich vor allem mit Kampagnen gegen Minderheiten.

Es dauerte einen halben Tag, bis die Wellen der Empörung schwappten. Menschenrechtler protestierten, Politiker verwahrten sich gegen den Rassismus, Journalisten bombardierten die Parteizentrale mit kritischen Anfragen und die Plakat-Firma überklebte auf eigene Kosten sämtliche der aufgehängten Fotos.

Der einzige, der sich nicht aufregt, ist der Mann auf dem Bild. Rasch machten die slowakischen Kollegen ihn ausfindig. Er habe Geld gebraucht, also habe er dem Fotoshooting zugestimmt, erzählt er ihnen. Einen tätowierten Rom habe die Partei gesucht. Die Goldkette und ein paar zusätzliche Tatoos hat schließlich der Grafiker noch am PC mit auf das Bild montiert, fertig war die Kampagne.

Sein Kommentar zu dem Vorfall: Er habe nur 75 Euro Honorar bekommen für das Bild, und jetzt werde es überall groß plakatiert. Wenn die Nationalpartei noch einmal nachzahle, wolle er allerdings gerne über alles andere hinwegsehen.

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