NEU-DELHI, Monday May 21st, 2007
Britta Petersen
Seit ich in Afghanistan arbeite, bin ich Zeugin eines merkwürdigen Phänomens: Ich habe offenbar jede Menge Freunde, von denen ich noch nie zuvor gehört habe. Die melden sich zumeist, dann, wenn es mal wieder kracht, so wie am Wochenende in Kundus. Da kommen dann Fernsehproduktionsanstalten auf mich zu und bitten mich um Kontakte zu Bundeswehrsoldaten, die aus Afghanistan zurückgekehrt sind. Oder es tauchen Journalistenkollegen auf, die mich fragen, ob ich ihnen zufällig die Telefonnummer von Minister XY geben könnte, oder ob ich ein Zimmer frei habe. Ich rede hier nicht von alten Freunden und Kollegen, die ich lange kenne, und denen ich gern mit Rat und Tat zur Seite stehe, sondern von wildfremden Menschen und Medien, von denen ich noch nie einen Auftrag bekommen habe. Diese Kollegen haben offenbar noch nie davon gehört, dass die Kontakte das Kapital eines Journalisten sind, besonders eines freien. Ich habe schon hin und wieder überlegt, ein Hotel mit angeschlossenem Auskunftsbüro zu eröffnen. Aber ich fürchte, das würde sich nicht rentieren, denn Schnorren ist billiger.
NEU-DELHI, Wednesday April 21st, 2010
Britta Petersen
Ah, nach Afghanistan reisen also die Infoschnorrer, kann ich mir gut vorstellen. Nach Australien kommen die Urlaubsschnorrer. Das sind jene Kollegen, die endlich ihre lang geplante Australienreise machen und mal "so richtig weg von allem" wollen. Das geht so: Erst verderben sie den Ruf jedes Travelschreibers, weil sie ohne Skrupel überall Free-Bees einfordern, also in all diesen sündteueren Golfhotels mit ihrer Liebsten ein paar Tage als "Medienschaffende" gratis absteigen. Und dann laden sie mich, gut erholt, zum Kaffee ein. Wie nett. Ganz nebenbei wollen sie dabei wissen, wie eigentlich jenes Hotel so ist und wo man in Sydney am besten Fisch isst und welche Ausflüge ich denn so empfehlen könne. Und wo bucht man hier noch mal die Surfstunden? Ah, genau… Die Antworten les ich dann ein paar Monate später ihren Blättern nach. Unter Namen derjenigen natürlich, die mal so richtig raus wollten, ausspannen. Aber den Flug müssen sie schon wieder reinbekommen. Mein Espresso-teures Honorar zahlen sie übrigens meist aus der eigenen Tasche. Hochanständig.