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Sind das noch Kirchen?

Das habe ich mich gestern gefragt bei der Besichtigung von Notre-Dame in Paris. Ich war in der Kirche seit Jahren nicht mehr. Aber dann kam mein Vater zu Besuch. Er war in den 50ern drin gewesen und wollte rein. Draußen stand ein Schild, dass Kinderwagen und Rollkoffer aus Sicherheitsgründen nicht mit in die Kirche genommen werden können. Die Dame vor mir hatte einen Koffer. “Wohin damit?”, fragte sie und der Kontrolleur zuckte mit den Achseln. Ja, klar, an so einen Tourispot lässt man eben den Koffer und den Kinderwagen einfach so vor der Tür stehen. Wer nach der Besichtigung beides noch vorfindet, hat dann vielleicht den Glauben an Gott und das Gute im Menschen zurückgewonnen.

 

 

Drinnen geht es weiter: Für alle, die schon lange nicht mehr in der Kirche waren, gibt es den Hinweis, dass man in christlichen Kirchen die Kopfbedeckung abnehmen sollte. Na, da finde ich schon wieder gut. Dann folgt man – wie in der Sicherheitskontrolle an den amerikanischen Flughäfen – den Absperrungen, die einen sukzessive durch die Kirche führen. Man kommt zu dieser Abzweigung: Messe oder Visite? das ist die Frage!

 

 

Wer die Visite nimmt, darf auf Teppich laufen, die anderen dürfen den Marmorboden betreten.

Wer nun müde ist und sich hinsetzen will, der muss über eine Absprerrung klettern. Kurze Zeit später steht er vor diesem Schild: “Eintritt für Treue”.

 

 

Was für Treue? Treue Gläubige oder treue Besucher der Kirche? Ich bin nicht nur ratlos, sondern auch leicht angewidert.

Beim Rausgehen (über zwei Absperrungen geklettert) mache ich nicht einmal ein Kreuzzeichen. Für mich ist das keine Kirche mehr. Aber mir wurde auch bewusst, wie der Massentourismus christliche Stätten entheiligt und zerstört. Alles sehr traurig!

Fotos: Barbara Markert

 

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