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Training mit dem Lachweltmeister. Ein Selbstversuch

Vor mir kugelt sich ein Mann in weißem Kittel auf dem Boden und lacht hysterisch. Seine Augen treten hervor, Schweiß und Tränen rinnen über sein erhitztes Gesicht, aus den Mundwinkeln quillt Spucke. Er zuckt mit den Beinen, rudert mit den Armen, dann zerrt er an seiner eng gebundenen Krawatte, um Luft zu bekommen. Ist der Mann verrückt geworden? Hat er Drogen genommen? Muss ich einen Arzt rufen? Nein, muss ich nicht, denn ich bin gekommen, um von diesem Mann etwas zu lernen. Lachen. Belachew Girma ist Lachweltmeister. In Dachau lachte er 2008 drei Stunden und sechs Minuten. Am Stück. So viel Zeit habe ich nicht. Und so wie der Typ auf dem Fußboden möchte ich eigentlich auch nicht werden. Aber ein bisschen mehr zu lachen zu haben – warum nicht?

Als Belachew sich Schweiß, Speichel und Tränen aus dem Gesicht gewischt hat, stellt er sich vor mich, zeigt mit dem Finger auf mich, und sagt etwas, das ich nicht verstehe. Er und die 22 Äthiopier, die sich zum Lachseminar angemeldet haben, finden es sehr lustig und fangen an zu lachen. Ich habe eher das Gefühl, sie lachen über mich. Nach ein paar endlosen Sekunden, fange ich auch an, zu lachen. Nicht, weil ich die Situation so komisch finde, sondern weil es mir lieber ist, wenn die Leute mit mir anstatt über mich lachen. Es wirkt. Ich werde erlöst. Belachew zieht weiter, lacht zunächst scheinbar wieder über, dann mit dem nächsten Kursteilnehmer.

Wie kommt jemand darauf, ausgerechnet in Äthiopien, einem Land, in dem es oft nicht viel zu lachen gibt, die erste Lachschule Afrikas zu gründen? Und warum gehe ich zum Training?

„Wir geben Training, wie man über Hunger und Zerstörung lacht“, heißt es auf der Homepage des Lachinstituts. Ich würde eigentlich lieber über heiterere Dinge lachen, aber zumindest hat dieses seltsame Lernziel meine Neugier auf den komischen Vogel, der über Hunger und Zerstörung lachen kann, geweckt.

Die Teilnahme an vier Sitzungen der Lachschule kostet 450 Birr. Etwa so viel wie ein ungelernter Arbeiter im Monat verdient. Neben den lautstarken praktischen Übungen kriege ich dafür per Powerpoint auch Kalenderspruch-Weisheiten wie „Wenn das Leben Dir eine Zitrone gibt, quetsche sie aus, und mache eine Limonade daraus“ oder „Niemand ist arm, solange er noch lachen kann“ verabreicht. Ich finde die Sprüche nicht soooo witzig, aber
die Streber im Kurs quittieren alles mit schallendem Gelächter, versuchen gar, das Gegluckse des großen Meister zu übertönen.

„Ich war mal HIV-positiv. Jetzt bin ich gesund. Gott halt mich geheilt, und Lachen ist die beste Medizin“, sagt Belachew mir nach dem Training mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.

Während ich dies schreibe, habe ich tierische Kopfschmerzen. Ich habe gerade versucht, sie wegzulachen. Sie sind noch immer da. Allerdings habe ich bislang auch nur eine Trainingssession besucht.

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