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Zum Glück gibt es die Toskana.

Kurz vor seinem Tod im Jahr habe man den italienischen Komponisten Luciano Berio gefragt, warum er überhaupt noch in der Toskana lebe anstatt irgendwo anders auf der Welt, was doch viel anregender sei. Seine Antwort: man esse in der Region eben sehr gut. Würde man ihn heute fragen, antworte er sicherlich:  Menomale che la Toscana c‘è.  Zum Glück gibt es die Toskana.

Mit dieser Anekdote eröffnete Francesco Giomi von Tempo Reale, dem Institut  für elektronische Musik in Florenz, das Luciano Berio vor fast 25 Jahren gründete, in der letzten Woche eine Pressekonferenz.

Der Musiker wollte damit auf die zahlreichen bemerkenswerten Initiativen und Projekte in der Toskana aufmerksam machen, die dazu beitragen, dass sich die Region wohlwollend vom Rest Italiens unterscheidet. Wird anderswo das knappe Kulturbudget dazu verwendet, Affirmatives zu prämieren, verstärkt man in der traditionell „roten“ Toskana das Netz für zeitgenössische und innovative Kunst und Kultur; wappnen sich landauf, landab Bürgerwehren, um gegen die vermeintlich kriminelle Energie der Migranten  Front zu machen,  haben die Bürger von Florenz so genannte „Sentinelle della bellezza“  gebildet – Gruppen, die dafür sorgen wollen, dass die direkte Umgebung bewusst gestaltet und verschönert wird.

Am liebsten wäre ich aufgestanden und Francesco Giomi für diesen Diskurs um den Hals gefallen. Denn er hat mir nicht nur ein „Leitmotiv“ für meine zukünftige Berichterstatterinnen-Arbeit aus Italien auf den Weg gegeben. Ganz nebenbei offerierte er mir auch eine gute Vorlage für die passende Reaktion auf die ständig wiederkehrenden, ungläubigen Fragen: Was ist eigentlich mit Italien los? Wieso unterstützen die Italiener immer noch diesen unsäglichen Polit-Clown Berlusconi? Sind die eigentlich alle so leicht manipulierbar? Um nicht zu sagen dumm?

Meine Antworten fielen bisher oft ziemlich vage aus. Doch schon ganz andere journalistische Kaliber sind in dieser Situation in Erklärungsnotstand geraten:  ja also – was soll ich sagen – ehm – eigentlich ist alles ja ganz anders –  viel komplizierter – man darf das nicht so  eindimensional sehen …

Menomale che la Toscana c‘è.  Jetzt kann ich mich also ruhigen Gewissens zurücklehnen und zugeben:  Ja. Es ist wirklich alles ganz fürchterlich! Viele Italiener sind und bleiben ewige Opportunisten. Sie wählen ihn, weil sie so sind wie er oder weil sie gern so sein würden. Verstehen tue ich das auch nicht. Aber zum Glück lebe ich lebe ja in einem ganz anderen Italien – in der Toskana.

Jetzt muss ich dies alles nur noch irgendwie den RedakteurInnen in deutschen Medien verständlich machen, von denen ein Teil lieber Storys über die Defekte von Berlusconi und Co bzw. Mafiageschichten einkaufen, als Berichte über ungewöhnliche und manchmal sogar zukunftsweisende Initiativen aus diesem widersprüchlichen Land.

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