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Gärtnern verboten

Während Neuseeland tief im Südhalbkugel-Winterschlaf dämmert, schwappt eine Verbrechenswelle übers Land. Nein, nicht die 35 Pakete an Kokain, die in einer mit Diamanten besetzten Pferdekopf-Skulptur versteckt ins Land geschmuggelt wurden. Der größte Drogenfund in der Geschichte Neuseelands, erst vorletzte Woche passiert. Wir sind wie immer zwanzig Jahre hinterher. Oder schlimmer. Beginnen etwa jetzt erst die verkoksten Achziger down under? Mit Disco und Dauerwelle?

Was viel schwerer in der Kriminalitätsstatistik wiegt, und damit setzen wir weltweit endlich mal einen Trend, sind Avocados. Nicht zum Berauschen – da haben Kiwis ganz andere Gewächse – sondern als Diebesgut. Da die einheimische Ernte dieses Jahr so schlecht ausfiel, kosten manche Avocados umgerechnet vier Euro pro Stück. Davon kann man ganze Familien mit Fish’n Chips satt kriegen. Seit dem Preis-Wucher wird bestialisch geklaut. Nicht im Supermarkt, sondern direkt in den Plantagen, säckeweise. Am Straßenrand wird das grüne Gold dann verhökert.

Ein Foto ging daraufhin durch den Cyper-Space: Eine vermummte Frau aus Auckland vor einem kleinen Avocado-Baum. Sie hat ihn nicht geplündert, sondern gepflanzt. Das Bild ist das neueste Indiz in der Legende, an der seit zwei Jahren im Internet von einer gut gedüngten Spaßfraktion gebastelt wird: dass Gärtnern in Neuseeland streng verboten sei. Nicht Verschwörungstheoretiker sind daran schuld, sondern Reddit. „Mein Freund erzählte mir, dass es illegal sei, in Neuseeland einen Garten zu haben“, lautete dort eine ahnungslose Frage aus Übersee. „Kann es mir jemand erklären? Und bitte keine Hass-Mail, falls das jemanden beleidigt.“

Niemand war beleidigt. Im Gegenteil. Die Gelegenheit, etwas Besonderes zu sein, wollten sich Kiwis nicht entgehen lassen. Glaubt man da draußen in der weiten Welt auch, dass in Aotearoa Hobbits hausen? Und es zu Australien gehört? Den Schmerz über so viel Unkenntnis kann man nur in Stärke verwandeln. Die erste Antwort lautete daher: „Was ist ein Garten? Sorry, bin ein junger Kiwi und hab davon noch nie gehört.“ Dann: „Heilige Scheiße, hab’s gerade gegoogelt. So hübsch. Warum lernen wir darüber nichts in der Schule?”

Der oder die Nächste legte eine Lage Kompost drauf: „Darf man in anderen Ländern Gärten haben? Sind die nicht überall illegal?“ Die Saat ging auf. Seitdem liefern Reddit-Leser eine Story nach der anderen. Über heimlich im Wald angelegte Beete. Über Verhaftungen. Über Großvater, den alten Anarcho, der damals einfach Süßkartoffeln setzte. So lange und so unangefochten zog sich diese Diskussion dahin, dass erst kürzlich jemand in dem Forum entnervt fragte: „Ist das neuseeländische Anti-Garten-Gesetz wahr oder nicht? Ehrlich, ich hab’s satt. Kann mir jemand einfach mal die Wahrheit sagen.“ Die Wahrheit ist wie ein Avocado-Kern. Wenn die Frucht noch nicht reif ist, dann sitzt er fest.    avocado

 

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Nexit in Sicht?

Er sieht sich bereits als nächster Ministerpräsident der Niederlande. Um die Grenzen hermetisch zu schliessen, den Bau von Moscheen samt Koran zu verbieten und mit einem Referendum dafür zu sorgen, dass dem Brexit möglichst schnell ein Nexit folgt: Geert Wilders, 52 Jahre alt, erklärter Feind von Islam und Europa.

“Jetzt sind wir an der Reihe!” frohlockte der blondierte Populist nach dem Brexit.  Schon seit Jahren warnt Wilders ebenso unermüdlich wie erfolgreich vor einem Asyltsunami, schimpft über die Milliarden, die an Brüssel verschwendet werden, und plädiert auf einen Nexit.

Im europäischen Parlament hat er genügend Bündnispartner für eine eigene Fraktion gefunden. Im Sommer 2014 präsentierte er sie zusammen mit Marine LePen vom Front National erstmals den anderen Abgeordneten. Er sprach von einem neuen D-Day, “einem Befreiungstag für Europa – von Europa”.

Auf nationaler Ebene musste Wilders bei den letzten Wahlen ein paar Niederlagen einstecken. Aber dank sei Flüchtlings- und Europakrise liegt er in den Umfragen nun so weit vorne wie nie zuvor in seiner Karriere: Seine “Partei für die Freiheit” PVV könnte bei den nächsten Parlamentswahlen im März 2017 stärkste Fraktion werden und die Zahl ihrer Sitze fast verdreifachen auf 36 der insgesamt 150 Mandate.

Dabei ist sie innerlich zerissen und keine richtige Partei, denn sie hat nur ein einziges Mitglied: Wilders. In Deutschland würde die PVV nicht zu Wahlen zugelassen, die niederländischen Gesetze sind weniger streng. Auf diese Weise will Wilders die Kontrolle und alles fest im Griff behalten. Auf staatliche Zuschüsse muss er verzichten; wie sich die PVV finanziert, ist nicht transparent.

Aber selbst wenn Wilders 2017 tatsächlich der neue Ministerpräsident der Niederlande werden sollte: Von einem Nexit ist er weit entfernt. Zwar tendieren einer jüngsten Umfrage zufolge 48 % der Niederländer zu einem EU- Austritt. Aber dazu bräuchte Wilders eine Mehrheit im Parlament – und so weit will es bis auf seine PVV keine andere niederländische Partei kommen lassen.

 

 

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Macri bei Merkel

Dieser Blogeintrag ist ein virtuelles Kopfschütteln – auf die Schnelle, am Laptop, an einem Fährterminal. Heute ist der argentinische Präsident Mauricio Macri bei Angela Merkel zu Besuch. Und was ist da zu lesen? Es gibt tatsächlich Autoren (die nicht in Argentinien wohnen), die sehen in Präsident Macri den Super-Reformer, der dabei ist, Argentinien zu alter neuer Größe zu verhelfen – was bisher nicht gelang, weil der Papst und Messi ihm das Leben vermiesten.

Jetzt mal ehrlich: Glaubt wirklich jemand, dass Argentinien ein so primitives Land ist, dass es sich vom angedrohten Rückzug eines Fussballstars aus der Nationalelf und einer unterkühlten Beziehung zwischen Präsident und Papst in eine Inflation mit 40% drängen lässt? Dass der Papst und Messi dafür verantwortlich sind, dass seit Amtsantritt von Macri je nach Statistik 1,4 bis vier Millionen Menschen in Argentinien arm geworden sind?

Macri war angetreten, um die Wirtschaft zu reformieren – die Argentinier haben viel von ihm erwartet. Dass die Inflation weiter ansteigt, gehörte nicht dazu.

Der neue Präsident hatte zudem versprochen, für Transparenz zu sorgen. Nun gibt es ein gigantisches Programm zur Geldwäsche, von dem beinahe die gesamte Regierungsriege profitiert. Macri erklärt sich zudem nicht (sie stammen seinen Angaben nach aus einem “früheren Leben“), was seine Offshore-Unternehmen betrifft. Die Interessenskonflikte vieler Regierungsvertreter (z.B. Ex-Shell-CEO, der auch als Energieminister nach wir vor Aktien in Millionenhöhe an seiner früheren Firma hält) liegen auf der Hand.

Natürlich ist zu hoffen, dass Macris Besuch bei Merkel neue Investitionen bringt. Es ist dringend nötig, das Blatt zu wenden: Die neue Armut ist auf der Straße sichtbar, wie schon nach der Krise 2001/02 ziehen immer mehr Menschen auf der Suche nach Müll durch die Hauptstadt Buenos Aires. Es gibt Massenproteste. An Feiertagen lässt die Regierung den Hauptplatz in Buenos Aires hermetisch abriegeln – aus Angst vor weiteren Demonstrationen (in den letzten Jahren war etwa der 25. Mai ein Volksfest mit Musik und Ständen mit Essen aus allen Regionen Argentiniens, in diesem Jahr war er weiträumig abgesperrt). Die enormen Tariferhöhungen für Gas, Strom, Wasser und Transport (zwischen 300 und 1000% je nach Region) sorgen dafür, dass besonders arme Familien weder ein noch aus wissen, dass Theater schliessen, Universitätsrektoren verzweifeln.

Die Abgaben auf den Bergbau hat die Regierung abgeschafft. Seit der Öffnung der Importe haben viele argentinische Fabriken geschlossen – etwa Puma, die Turnschuhe werden jetzt aus China und Brasilien nach Argentinien importiert, statt im Land hergestellt zu werden. Mindestens 150.000 Menschen haben ihre Arbeit verloren, seit Macri an die Regierung kam – und gegen ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz zur Vermeidung von weiteren Entlassungen legte Macri ein präsidentiales Veto ein. Der Konsum ist erlahmt, weil der Geldwert ständig weiter sinkt.

Nach außen hin mag Macri sich gut präsentieren. Im Inland – besonders in den Armenvierteln und im Großraum Buenos Aires – ist die Stimmung dagegen wie in einem Dampfdrucktopf. Viele fragen sich: Wie lange wird die Schonfrist für den Präsidenten noch dauern?

Derzeit dominieren Korruptionsskandale der Kirchner-Regierung die Titelseiten der Tageszeitungen. Es ist richtig, dass die Justiz die Korruption der Vorgänger-Regierung aufklärt. Aber es ist wichtig, sich davon nicht blenden zu lassen und in der Rage über die Korruption der Vorgänger zu übersehen, was derzeit in Argentinien passiert. Dass das Antikorruptions-Büro unter der Leitung von Laura Alonso sich um die Korruption der Gegenwart nicht kümmern wird, ist bereits klar.

Dieser Blogeintrag ist ein Stimmungsbild aus Buenos Aires – keine umfassende Analyse. Aber, klar ist auf jeden Fall: Macri braucht schnelle Erfolge. Die Zeit läuft.

 

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Weltreporter-Forum 2016 – hier ist das Programm!

Das Programm des Weltreporter-Forums 2016 in Raiding/Burgenland steht:

Programm_thumb

Wir freuen uns mit unseren internationalen Gästen auf einen spannenden Sommer-Nachmittag auf dem Land. Und auf Sie!

 

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Der Mann, der Island vorstehen wird

Island hat es dieser Tage einmal wieder geschafft, groß in die Medien zu kommen. Das Fußballteam des kleinen Inselstaates schlägt sich erstaunlich wacker gegen die Ronaldos dieser EM. Montag spielt Island also gegen England – mal sehen, ob es dann auch im Achtelfinale zu einem Teil-Brexit kommt.

Am morgigen Samstag werden bereits ein paar Isländer ausscheiden und zwar bei der Präsidentschaftswahl. Aktuellen Umfragen zu Folge dürfte die Wahl klar der Geschichts-Professor Gudni Th. Jóhannesson gewinnen.

Dessen Wahl könnte für Island in etwa das bedeuten, was in der Business-Welt „disruption“ genannt wird. Ihn zum Präsidenten zu machen könnte das Land ähnlich stark verändern wie ein Regierungswechsel.

Das hat 3 Gründe:

1) Gudni als Präsident würde heißen Ólafur Ragnar Grímsson ist nach einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr Staatspräsident.

Der hat diese Position länger gehabt als ein Baby braucht, um zum Teenager zu werden – und länger als viele für angebracht halten. Kein Zweifel, Ólafur Ragnar genoß daheim und international ein gewisses Ansehen, aber in den vergangenen Jahren wurde er immer selbstherrlicher. Alleine wie er sich schon vor der letzten Wahl (die er dann gewann – hier mein damaliger Artikel für Die Welt) und auch vor dieser kurzfristig umentschied und dann doch nochmal antrat, war eines demokratischen Präsidenten kaum würdig. Letztlich stand er auch für die alte Elite, die schon vor dem Crash viel Macht hatte. Bei der morgigen Wahl tritt er nicht einmal mehr an, ob sein Rückzug damit zu tun hat, dass Gudni seinen Hut in den Ring geworfen hat, weiß nur der noch amtierende Präsident selber.

2) Gudni als Präsident heißt Davíd Oddsson bekommt dieses Amt nicht.

Davíd Oddsson von der Unabhängigkeitspartei war von 1991-2003 Premierminister, dann kurzzeitig Außenminister bevor er 2005 Direktor der Zentralbank wurde. Mit der problematischen Art der Bankenprivatisierungen wurde unter seiner Regierung die Grundlage für die Finanzblase gelegt, der er als Zentralbankchef nichts hat entgegensetzen können. Er taucht denn auch auf der Liste „25 People to Blame for the Financial Crisis“ des Time Magazine auf. Danach wurde er einer der mächtigsten Medienpersönlichkeiten des Landes – als Chefredakteur von Morgunbladid . Würde er nun zum Staatsoberhaupt aufsteigen, wäre das zu tiefst Bananenrepublikstil.

3) Gudni als Präsident heißt einfach Gudni as Präsident.
Entspannt, intelligent und mit einer Handvoll Kinder repräsentiert er, was nicht nur Ausländer an Island mögen. Wie ich vor einigen Monaten in Kopenhagen erleben konnte, ist Gudni nicht nur ein guter Unterhalter, sondern er vermag gleichzeitig auch die nicht immer leicht zu durchschauende Lage auf Island zu vermitteln. Neben diesem Talent ist er zudem ein noch recht junges und neues Gesicht in der isländischen Politikszene. So wird er das Land nicht nur durch seine Reden und Handlungen nach vorne bringen können, sondern auch, weil er als eine Art Outsider einen anderen Status hat.

 

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Flüchtlinge? No thanks

Alle reden von Donald Trump, aber niemand von John Key. Das ist Neuseelands konservativer Premierminister, manchmal auch „Donkey“ (Esel) genannt. Er beginnt seine Sätze gerne mit Plattitüden wie „At the end of the day“, die der Beschwichtigung und Verneblung dienen. Was Trump von sich gibt, ist krasser – jeder kennt die einschlägigen „Trumpisms“ über Frauen, Mexikaner, Moslems. In Neuseeland ist alles eine Nummer kleiner. Hier haben wir die Sprachkategorie „Keyisms“. Die klingen sanfter, haben aber auch brutale Konsequenzen.

Ein Key-ismus bedeutet, aalglatt genau das Gegenteil einer Tatsache zu behaupten, ohne dass die Verdrehung auffällt. „Wir haben die Sache eigentlich gut gemacht“, lobte sich John Key diese Woche. Was er am Montag vollbrachte, und was in all der Orlando-Trauer unterging: Key erhöhte die Flüchtlingsquote. Für eine Verdopplung trommeln hier seit letztem Jahr emsig Organisationen wie „Doing our bit“. Neuseeland, eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt, wo gerade mal ein Mensch auf 17 Quadratkilometer kommt, nimmt in Zukunft mehr Flüchtlinge auf. Es sind aber nur 250 mehr, von schlappen 750 pro Jahr auf 1000. Von wegen doppelt. Und das auch erst ab 2018.

Grant Bayldon, Vorsitzender von Amnesty International in Neuseeland, nannte Keys Entscheidung „absolut beschämend angesichts der größten humanitären Krise der Welt.“ Neuseeland sitzt im UN-Sicherheitsrat, aber seit dreißig Jahren wurde die Flüchtlingsquote in Neuseeland nicht erhöht. Wir stehen an schlapper 87. Stelle der Länder, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Daran haben auch die früheren linken Staatsoberhäupter nichts geändert – wie Helen Clark, die sich gerade als Generalsekretärin für die UN zu profilieren versucht. John Key ist Sohn einer jüdischen Immigrantin aus Österreich, die vor Hitler ins gelobte Aotearoa flohen. Aber statt für Flüchtlingshilfe pumpt er lieber 20 Millionen Dollar seines Jahresbudgets ins Militär.

Immigrationsminister Michael Woodhouse begründete die Entscheidung damit, dass die syrischen Flüchtlinge weder Englisch sprechen noch Arbeit finden würden. Man müsse nur auf Australien schauen, die hätten „einiges zu erklären“, da sie dreimal so viele „refugees“ aufnehmen. Erklären müssen die Australier sich in der Tat. Dafür, dass sie „boat people“ in menschenunwürdigen Lagern auf Pazifik-Inseln wie Nauru unterbringen. Und sechs Millionen Dollar Steuergelder dafür ausgeben, einen Propaganda-Film voller Ertrinkender und Hoffnungsloser namens „The Journey“ (Die Reise) zu drehen. Der wurde bereits in Afghanistan gezeigt  und dient allein dem Zweck, potentielle Asylbewerber abzuschrecken.

Nicht nur seine erbärmliche Flüchtlingsquote hat Neuseeland dem großen Nachbarn voraus: Aotearoa ist das einzige westliche Land, in das man weder auf dem Land- noch dem Seeweg illegal hineinkommt. Das freut viele Kiwis. Volkes Stimme ist in allen Umfragen eindeutig: Refugees? Bitte draußen bleiben und lieber ertrinken.

 

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London: Frauenkollektiv gegen Jack the Ripper

Das umstrittene Museum über Jack the Ripper, das im vergangenen Herbst heftige Proteste provoziert hatte, steht noch immer. Bei der Eröffnung im Oktober war das Londoner East End in Empörung ausgebrochen: Angekündigt war eine Einrichtung, die die Geschichte der Frauen im Londoner Osten zelebrieren würde; herausgekommen war jedoch eine seltsame Würdigung des berüchtigten Frauenmörders, der 1888 im Quartier Whitechapel Schrecken verbreitete. Im Museum an der Cable Street sind etwa nachgestellte Mordszenen mitsamt Puppen der Opfer zu bewundern, neben denen die Besucher zu einem Selfie eingeladen wurden. Einer der Designer des Museums bezeichnete es damals als „anzüglichen, frauenfeindlichen Müll“.

Jack_the_Ripper_MuseumDie Geschmacklosigkeit stieß auch vielen Anwohnern sauer auf. Wütende Proteste verzögerten die Eröffnung, wiederholt wurden die Scheiben des Museums eingeschlagen, und Petitionen wurden lanciert, um es zu schließen. Dieses Vorhaben ist zwar gescheitert, aber eine Gruppe von Frauen hat sich zu einer anderen Form des Protests entschlossen.

Heute prangt auf der gegenüberliegenden Seite des Museums, unter den Geleisen der Docklands Light Railway, ein großes Plakat mit der Aufschrift: „Feiert die Suffragetten, nicht Serienmörder“, und daneben eine Wegbeschreibung. Als Antwort auf das Ripper-Museum hat ein Frauenkollektiv in einer nahen Kirche eine Ausstellung eröffnet, die der sensationsheischenden Touristenfalle eine seriöse Ehrung der Frauen des East End gegenüberstellen will.

Dass es einiges zu erzählen gibt, ist auf den ersten Blick zu sehen, wenn man das Pop-up Museum in der Kirche St George in the East besucht: Eine Handvoll etwas zu dicht bedruckter Informationstafeln schildert Episoden aus 200 Jahren Lokalgeschichte, die oftmals nationale und internationale Bedeutung erlangten. Der Kampf für sozialen Fortschritt steht im Vordergrund. So liest man etwa von den „Streichholzfrauen“, den Teenagerinnen, die Ende der 1880er-Jahre gegen die Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken protestierten – und die meisten ihrer Forderungen durchzusetzen vermochten. Oder von den Suffragetten, die hier einen wichtigen Stützpunkt hatten und bei den Arbeiterinnen im armen Osten große Unterstützung genossen. Auch neuere Kampagnen werden vorgestellt, etwa jene gegen die Gentrifizierungswelle, die derzeit rund um den Olympiapark schwappt.

Den Initiantinnen vom East End Women’s Collective geht es aber auch darum, die Verniedlichung von Gewalt gegen Frauen anzuprangern, wie sie im Ripper-Museum zu sehen ist: „Diese Art von Gewalt ist keine Serie von mysteriösen Ereignissen, die sich vor 130 Jahren ereigneten“, schreiben sie, sondern eine historische wie gegenwärtige Realität für viele Frauen; „sie sollte nicht auf eine Form der Unterhaltung für den Nervenkitzel reduziert werden.“

Das Pop-up-Museum ist ein vorübergehendes Projekt: Das Kollektiv sammelt noch immer Geld für eine permanente Ausstellung – um die Geschiche zu erzählen, die das Ripper-Museum eigentlich hätte erzählen müssen.

 

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Tunesien: Der Übervater ist zurück

Noch thront er in Plastikfolie eingewickelt stolz auf seinem Ross, die Faust kämpferisch in die Luft erhoben. Der Wind hat den Hintern des Tieres ein Stückchen freigelegt, offiziell ausgepackt werden Habib Bourguiba und sein Pferd aber erst am 1. Juni. Ein Bauzaun verdeckt noch den Blick auf die Gendenktafel, die an den tunesischen Staatsgründer erinnert. Dass eine Statue von ihm nach langen Jahren wieder auf der nach ihm benannten Avenue Bourguiba steht ist das Aufregerthema schlechthin in diesen Tag in Tunis. Denn die ganze Geschichte ist ein Lehrstück in Sachen Symbolpolitik.

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Aber von Anfang an: Bis zur Unabhängigkeit Tunesiens stand an dieser Stelle eine Statue von Jules Ferry, Ministerpräsident Frankreichs zur Zeit der Kolonialisierung des nordafrikanischen Staates 1881. Am 1. Juni 1955 kehrt Habib Bourguiba, einer der Kämpfer für die Unabhängigkeit des Landes, aus dem Exil zurück. Vom nahegelegenen Fährhafen in La Goulette reitet er zurück in die Hauptstadt. Nicht mal ein Jahr später ist Tunesien unabhängig, und Habib Bourguiba sein erster Präsident. 1975 lässt er sich zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen. Die Hauptstraßen in allen Orten des Landes tragen fortan seinen Namen und Bourguiba setzt sich mit der Reiterstatue selbst ein Denkmal, nur wenige Meter vom aktuellen Standort entfernt.

1987 putscht sich der Innen- und Premierminister des altersschwachen Bourguibas an die Macht. Zine El Abidine Ben Ali lässt die Reiterstatue nach La Goulette an den Hafen versetzen und stellt stattdessen 1988 einen massiven Uhrturm in die Mitte des Kreisverkehrs schräg gegen des Innenministeriums. Der Big Ben von Tunis, wie der hässliche Metallobelisk in der Hauptstadt scherzhaft genannt wird, überragt seitdem die Flaniermeile von Tunis und soll an die neue Zeitrechnung erinnern, die Ben Ali damals einläuten wollte. (Der Hauptstraße den Namen des Staatsgründers abzunehmen traute sich Ben Ali übrigens nicht.) Der Sänger Mounir Troudi hat der Uhr sogar ein Lied gewidmet (das man während der Diktatur aber höchstens hinter verschlossenen Türen sang), und seit der Revolution sind neben Suizidgefährdeten auch schon die Salafisten der inzwischen als Terrororganisation verbotenen Ansar Al Sharia an ihr hochgeklettert.

2011 wird der Kreisverkehr in Erinnerung an die Revolution in den Platz des 14. Januars umgetauft, doch die Uhr bleibt, wo sie ist. Bis Beji Caid Essebsi im Winter 2014 neuer Staatspräsident wird. Der inzwischen 89-Jährige war bereits in den 1960er Jahren unter Bourguiba Innen- und Verteidigungsminister und beschloss: die Statue seines Lehrmeisters soll wieder dahin, wo sie ursprünglich stand. Wäre da nicht die Uhr im Weg…

Nach langem Hin und Her und einem Blick in die leeren Staatskassen wurde schließlich beschlossen, die Symbole der beiden Machthaber quasi Seite an Seite auf der Hauptstraße aufzustellen. Trotzdem hätten sich viele Tunesier sinnvolleres vorstellen können, was man mit den rund 600 000 Dinar (gut 250 000 Euro) hätte machen können, die der Umzug letzten Endes gekostet haben soll. Und so scheiden sich in der Hauptstadt die Geister, ob es sich bei der Aktion nun um die Würdigung eines großen Staatsmannes, politisches Hickhack oder pure Geldverschwendung handelt. Nach langen Spekulationen, in welche Richtung Bourguiba wohl schauen wird, ist jetzt zumindest klar: Bourguiba und sein Pferd strecken der Uhr Ben Alis den Hintern entgegen.

Am anderen Ende der Straße steht übrigens noch eine Statue: die des arabischen Philosophen Ibn Khaldoun, einem der Wegbereiter der modernen Soziologie aus dem 14. Jahrhundert, der, unumstritten und unantastbar, die ganzen Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen auf der anderen Seite mit gegebener Distanz betrachtet.

 

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Isländische Präsidentschaftswahl: Noch ein moralischer Absturz oder endlich mal was anderes?

Die Panama Papers haben den isländischen Regierungschef zu Fall gebracht (hier ein Text, den ich für Zeit online vor dessen Abgang schrieb). Und es gibt weitere Regierungsmitglieder mit Verbindungen zu zweifelhaften Finanzgeschäften, darunter ausgerechnet der Finanzminister. Auch wenn das Ausland einen anderen Eindruck hatte: In Island ist die Finanzkrise nicht vollständig aufgearbeitet worden. Stattdessen zeigt sich, dass der kleine Inselstaat den zweiten moralischen Bankrott erlitten hat. Details dazu hier in meinem Gastkommentar für Reykjavik Grapevine aus Island, den ich mit Kollegen Atli Thor Fanndal schrieb.

Die Präsidentschaftswahl am 25. Juni könnte endlich den erhofften Wandel bringen. Der seit 20 Jahren amtierende Staatschef Olafur Ragnar Grimsson hat sich entschieden, nun doch nicht mehr anzutreten, und derzeit hat  Gudni Th. Jóhannesson, ein allseits respektierter unabhängiger Kandidat, beste Aussichten, gewählt zu werden. Ich habe ihn bereits in Kopenhagen getroffen – er tritt erheblich weniger staatsmännisch auf als Grimsson, viel mehr ein Intelektueller, der zugleich ein prächtiger Unterhalter ist.

Allerdings hat sich auch David Oddsson aufstellen lassen. Er ist laut Time Magazine einer der 25 Leute, denen Schuld an der Finanzkrise gegeben werden sollte. Würde er wider Erwarten gewinnen, wäre das wohl der dritte moralische Fall Islands innerhalb nicht einmal einer Dekade.

 

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WELTREPORTER-FORUM
»Die Welt in Bewegung«
Samstag, 23. Juli in Raiding bei Wien

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Noch nie schien die Welt so instabil und aus den Fugen geraten wie jetzt – zumindest aus europäischer Sicht. Globalisierung, Terror, Kriege und blutige Konflikte. Migranten, Flüchtlinge und Finanzströme: Die Ratlosigkeit ist bei Wählern wie Politikern gleichermaßen groß.

Transparenz herzustellen und Zusammenhänge aufzuweisen gehört zu den Hauptaufgaben von Journalisten im Allgemeinen und Auslandskorrespondenten im Besonderen. Denn sie sind die Experten vor Ort, sie erleben die Wirklichkeit jenseits der Grenzen hautnah. Lösen lassen sich die Probleme der Welt an einem Nachmittag nicht. Aber gemeinsam einen Blick hinter die Kulissen werfen, das können wir:

Beim WELTREPORTER-FORUM am 23. Juli berichten die Weltreporter und ihre Gäste von dem, was in ihren Welten gerade in Bewegung ist.

WELTREPORTER-FORUM
»Welt in Bewegung«

Keynotes, Kurzvorträge im Pecha-Kucha-Format + eine Podiumsdiskussion

mit Alexandra Föderl-Schmid (Chefredakteurin Der Standard), Karim El Gawhary (Weltreporter + ORF-Korrespondent), Hasnain Kazim (Spiegel), Florian Klenk (Chefredakteur Falter), Wieland Schneider (stellv. Auslandschef Die Presse), Cornelia Vospernik (Moderatorin ORF), Autor & Bruno-Kreisky-Preisträger Najem Wali & Weltreportern von allen Kontinenten

Samstag, 23. Juli 2016
14:00 – 18.30 Uhr
Franz Liszt-Konzerthaus
A-7321 Raiding

Eintritt frei

ANFAHRT:

Für Interessenten steht ein Bus-Service von Wien nach Raiding zur Verfügung:

Abfahrt Wien am Karlsplatz am 23. Juli ist um 12:00  hinter dem Musikverein, Bösendorferstr. 12
Abfahrt Raiding zurück nach Wien um 20:00.
Kosten: 12 Euro

Anmeldung unter raiding@weltreporter.net

 

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Auf Island will Präsident Grimsson nochmal ran – schon wieder

Island macht auf sich aufmerksam: Der Vulkan Eyjafjallajökull mit Aschewolke 2010. Foto: Bomsdorf

Island macht auf sich aufmerksam: Der Vulkan Eyjafjallajökull mit Aschewolke 2010. Foto: Bomsdorf

Gut drei Wochen ist es her, da brach auf Island mal wieder eine Krise aus – diesmal eher politisch denn wirtschaftlich. Der Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson sah sich zum Rückzug gezwungen, weil er offshore-Verbindungen seiner Frau – Konten mit Bonds der isländischen Banken über deren Zukunft der Regierungschef verhandelt hatte – verschwiegen hatte. Nicht nur das, er hatte bis er Abgeordneter wurde, die Hälfte davon besessen (Details hier in meinem Artikel für Zeit online und hier im Blog).

Nun wiederholt sich auf Island ein weiteres Mal ein Part der Geschichte – angesichts der Krise hat Präsident Olafur Ragnar Grimsson angekündigt  (mehr …)

 

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Radler und Bettler verbannen

Es wird dunkler bei uns im Land der langen weißen Wolke – nicht nur, weil es in Neuseeland langsam Winter wird. Der Trend zum Verbieten, Kontrollieren und Abschaffen geht unaufhaltsam weiter. Mit Inspektor Hundekacke allein, von dem ich bereits berichtete, ist es nicht getan. Jetzt sind auch die letzten Freiheiten down under in Gefahr. Droht uns der Polizeistaat mit Männern in Pluderhosen?

Meine Lieblingshauptstadt Wellington hat sich gerade von seiner schlechtesten Seite gezeigt. Die Stadtverwaltung hat vor, dort in Zukunft das Betteln zu verbieten. In Wellington ist das ein reger Geschäftszweig, weil dort landesweit am großzügigsten in die Hüte geworfen wird. Wie gesagt, ein sympathisches Pflaster. Eine Studie hatte jedoch im letzten Jahr ergeben, dass drei Viertel der Städter dagegen sind. Die Erkenntnis hat 50.000 Dollar gekostet. Zwei Jahre zuvor hatte sich ein Think-Tank ein karitatives Projekt ausgedacht, um die Bettel-Spenden lieber in Sinnvolleres umzumünzen. Diese Aktion hat 30.000 Dollar verschlungen.

Da fragen sich einige Bürger zu Recht, warum Bettler vertrieben werden, aber Pitbulls nicht. Diese lebenden Nahkampfwaffen werden nach diversen Attacken gerade zum Reizthema. Genauso wie die bunt besprühten „Wicked“-Campervans, in denen Backpacker durch die Lande fahren. Wegen ihrer sexistischen Sprüche („ein Blow-Job am Tag ist besser als ein Apfel“) ist die Mietwagenfirma seit Jahren unter Beschuss. In Australien mussten bereits die übelsten Slogans entfernt werden. In Neuseeland taucht „Wicked“ zum Glück nicht mehr auf den Webseiten vom „Lonely Planet“ und der Naturschutzbehörde DOC auf. Und die Regierung heckt gerade einen Bann der „Wicked“-Busse aus.

Das Beste, was in Aotearoa je verbannt wurde, war die Atomkraft. Doch was sind Reaktoren, Bettler, und Pitbulls gegen das Anstößigste an sich, das es aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu entfernen gilt? Es beißt nicht, manchmal bettelt es jedoch. Es wölbt und beult sich, es zeichnet sich ab. Es sitzt bei Männern zwischen den Beinen, bedeckt und gezäumt von engem, schwarzen Lycra. Sowas kann man seinen Gästen beim Frühstück nicht zumuten, entschied ein Hotelbesitzer im ländlichen Kaff Rangiora. Er verbietet in seinem historischen Plough Hotel Radlershorts.

Fussballschuhe, Flipflops, schlammige Stiefel – „alles ok“, schreibt der Hotelier in Kreide auf einer Tafel am Eingang. Yogahosen und Leggins – „schau besser in den Spiegel“. Enge Sport-Shorts dagegen? Nicht okay. Das „Castle Rock“ Café in Christchurch hatte schon 2013 mit dem Krieg gegen Männer in Lycra begonnen. Vor allem Kindern könne so viel anatomische Information schaden, hieß es damals. Wer glaubt, das alles sei ein Minderheitenproblem, irrt. Denn kein anderes Land der Welt ist so freizeitsportbesessen wie Neuseeland. In jeder Garage steht ein Mountainbike, ein Kajak, ein Surfbrett. Man verbietet einem Schotten doch auch nicht seinen Rock – mit allem, was frei darunter baumelt!radler

 

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Altes Badelaken

Wenn man gerade außer Landes war und hofft, dass sich inzwischen Aufregendes im grünen Paradies ereignet hat, von dem es der Welt in höchsten Tönen zu berichten lohnt, dann schmerzt diese Nachricht besonders: Nichts Neues aus Neuseeland.kiwi flag Ich war unter anderem in Bali und dort nach einer Woche von Ölmassagen, Indien-Läden und Klangschalenmeditation völlig „Eat Pray Love“-geschädigt. Noch eine Woche mehr an Edelhippie-Overkill zwischen sinnsuchenden Alleinreisenden in Raw-Food-Cafés, und die frisch erwachte Yoga-Göttin in mir wäre zum späten Punk geworden.

Umso mehr sehnte ich mich bei der Rückkehr nicht nur nach kühler Luft und den rauen Seemännern Lytteltons, sondern der herzhaften Politik meines kleinen Landes. Reales statt Räucherstäbchen. Ich freute mich auf die großen, tiefen Debatten rund ums Eingemachte – Sinnfragen wie: Wer sind wir, was wollen wir, was lassen wir im Winde flattern? Doch was mich in Christchurch erwartete, waren nur ein paar Baulücken mehr. Die Nation dagegen schien sich eine Mütze übergezogen zu haben, als ob sie einen schlechten Haarschnitt zu verbergen hätte. War ja auch peinlich, was während meiner Abwesenheit so plötzlich ein trauriges Ende nahm. Man traut sich’s nach all dem Bohei kaum zu sagen, aber: Unsere Flagge, die ist geblieben.

Zur Erinnerung: Seit einem Jahr war Neuseeland damit beschäftigt, sich ein neues Nationalemblem zuzulegen. Warum, weiß keiner mehr genau, außer dass der Premierminister es so wollte. Noch sind wir leider keine Republik, aber schön wäre es schon, wenn man uns nicht dauernd mit Australien verwechselt. Deren Fahne ist von unserer nämlich kaum zu unterscheiden und kann selbst von vielen Kiwis nicht klar identifiziert werden. Ein paar Sternchen auf blauem Grund und der Union Jack: Mutter England lässt grüßen.

Ganz demokratisch durften alle Bürger Vorschläge einreichen, darunter gekritzelte Kinderzeichnungen von Eistüten und ein Kiwi-Vogel mit Laserblick. Das sah mehr nach schlechtem Witz als nach staatlicher Würde aus. Das Komitee für die engere Auswahl hatte keinen einzigen Grafikdesigner in seinen Reihen. Was dabei herauskam, war Farn, Farn und nochmal Farn – die Präferenz des Premierministers. Zwischendurch schaffte es eine eher elitäre Protestbewegung noch, das „Red Peak“-Motiv in die Auswahl reinzuboxen. Vergebens.

Zur letzten Wahl im März stand die alte Flagge gegen die neue an: Ein lasches Motiv aus Silberfarn und Kreuz des Südens – unspezifisch und farblich wenig reizvoll. Wo war die schwarzrote Maori-Flagge geblieben, wo die grüne Farnspirale von Hundertwasser – beides bekannte und symbolisch bewährte Motive? Zwei Volksabstimmungen und 26 Millionen Dollar später dann das endgültige Ergebnis: 43 Prozent wollten die schlechte neue Flagge, 52 die schlechte alte. Also doch keine neuen Badelaken. Die alten taugen noch. Ich mach jetzt erst mal Yoga und hänge dann Gebetsfahnen auf.

 

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Die heftigen Folgen der Panama Papers auf Island

Wieder einmal ist Island im Zentrum eines Finanzskandals. Schon während der Finanzkrise im Jahr 2008 war der kleine Inselstaat besonders stark betroffen. Nun geht es auf Island derzeit wieder Knall auf Fall.

Der Knall:

Das offshore-Konto des Premierministers, mittlerweile komplett auf seine Frau überschrieben, wird erst auf Island bekannt, dann auch international. Durch die weltweite Aufmerksamkeit und die Details zu den versteckten Millionen, die der internationale Rechercheverbund ans Licht gebracht hat, gerät Sigmundur Davíd Gunnlaugsson in arge Bedrängnis.

Der Fall:

Erst demonstrieren gestern tausende von Isländern gegen ihn, dann will er heute erst das Parlament auflösen, was ihm der Präsident verweigert, schließlich lässt ihn die eigene Partei fallen und will den Agrarminister zum neuen Regierungschef machen. Hintergründe in meinem Artikel für Zeit online, der ein paar Stunden vor den Meldungen über den möglichen Wechsel an der Spitze der Regierung veröffentlicht wurde.

 

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Panama ist weit, weit weg

 

Macri_Pressekonferenz_2015 - 1 (2) Die Süddeutsche Zeitung schreibt: “Er soll zufällig Direktor einer Briefkastenfirma auf den Bahamas gewesen sein – Mauricio Macri wird es schwer haben, mit dieser Erklärung durchzukommen.” Bisher sieht es anders aus.

In Argentinien wird zwar über die Panama Papers berichtet. Aber wirkliche Aufregung gibt es bisher nicht. Dafür sorgen einerseits die Leitmedien, die sehr schonsam mit Präsident Mauricio Macri umgehen. Aber auch die Leiterin des Antikorruptionsbüros, Laura Alonso, sprang gleich für den Präsident in die Bresche und twitterte: “Eine Gesellschaft in einem Steuerparadies zu gründen ist an sich noch kein Delikt.” Da darf man sich schon fragen: Sollte sie nicht lieber Nachforschungen ankündigen?

Es entsteht zudem der Eindruck, dass viele der großen Medien Macri in Schutz nehmen. Etwa La Nación – ein an sich als seriös geltendes Medium. Die Zeitung hat auch an den Panama-Recherchen mitgewirkt. Doch in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe und die Welt über die Panama Papers diskutiert, steht oben auf der Webseite bei La Nación: “Macri kündigt in Córdoba eine Investition von 500 Millionen US-Dollar bei Fiat an”. Darüber mag sich manch einer freuen – aber ist es wirklich das Thema des Tages? Daneben stehen, ebenfalls ganz oben auf der Seite, die Erklärungen der Regierung in Sachen Panama Papers – allerdings ohne jegliche redaktionelle Bearbeitung (http://www.lanacion.com.ar/1886336-las-frases-de-la-explicacion-que-dio-el-gobierno-sobre-la-firma-offshore-de-mauricio-macri). Weiter unten Aussagen des Kabinettschefs, Überschrift des Artikels: “Macri hat nichts zu verbergen.” Daneben ein weiterer Artikel: “Die Regierung steht hinter Laura Alonso und weist Rücktrittsforderungen zurück”. Aber, es gibt noch mehr Informationen: http://www.lanacion.com.ar/1886252-no-tenia-la-obligacion-de-declarar-la-sociedad Macri sei nicht verpflichtet gewesen, die Beteiligungen an den Panama-Gesellschaften anzugeben.

Vielleicht sollte sich das Recherchekollektiv für die nächste grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Argentinien einen anderen Partner suchen. Das ist keine Kritik am Rechercheteam von La Nación. Nur: Gutes Recherchieren alleine genügt nicht, auch die Redaktionsleitung muss mitspielen. Damit Veröffentlichen und Dranbleiben Teil des Ganzen sind.

PS: Macri gibt sich nach außen hin gerne als Aufklärer in Sachen Korruption, doch ob er das wirklich ist? Als Vizepräsidentin des Büros zur Nachforschung von Geldwäschefällen (Unidad de Información Financiera) setzte er eine Anwältin ein, die die Bank HSBC Presseberichten zufolge in mindestens drei Fällen von Geldwäsche verteidigt hat.

 

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Schadenfreude aus Peking

Wenn es irgendjemanden gibt, der über Donald Trump’s Aufstieg feixt, dann ist es Chinas offizielle Presse. Zeigen die Exzesse der Kampagne des Milliardärs doch aus den Augen Pekings die Schwächen der Demokratie. Das Parteiorgan China Daily zeigt Trump (hier) als Baby, das der Freiheitsstatue aus dem Kinderwagen ins Gesicht spuckt. Solche Irren hätten in unserem sozialistischen System gar keine Chance, ist der Tenor der Kommentare. Während ja Adolf Hitler und Benito Mussolini damals durch Wahlen an die Macht gekommen seien. Trump, ein “narzisstischer und aufhetzender” Kandidat habe in den USA eine Büchse der Pandora geöffnet, schreibt etwa die als nationalistisch bekannte Global Times nach den Ausschreitungen bei der Trump-Kampagne in Chicago (hier). Er habe die Weißen der ehemaligen Mittelschicht angesprochen, denen es seit der Wirtschaftskrise ab 2008 immer schlechter gehe. “Großmäulig, antitraditionell und das Prinzip der Offenheit missbrauchend, ist er der perfekte Populist, der mit Leichtigkeit die Öffentlichkeit provozieren kann. Trotz der Versprechen der Kandidaten wissen die Amerikaner, dass Wahlen ihr Leben nicht wirklich verändern. Warum also nicht Trump unterstützen und Dampf ablassen?”, schreibt das Blatt. Dass Wahlen das Leben der Menschen nicht verändern, ist das Kernargument. Wenn das so ist, dann doch lieber gar keine Wahlen, so wie in China. Denn hier haben Populisten keine Chance. Der Kommentar endet mit der Warnung: “Die USA sollten auf sich selbst aufpassen, dass sie nicht zu einer Quelle destruktiver Kräfte gegen den Weltfrieden werden –  anstatt immer mit den Fingern auf andere Länder zu zeigen wegen deren angeblichen Nationalismus und Tyrannei.” Letzteres ist übliches Parteizeitungs-Sprech. Ersteres verrät eine gewisse Genugtuung – teilt China damit doch Sorgen anderer Länder, auch der westlichen demokratischen Welt. Welcher Europäer würde Donald Trump schon gern im Weißen Haus sehen? Wohl eher wenige. Doch aus anderen Gründen.

 

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Traumstrand vor den Franzosen gerettet

Der Touristensommer in Neuseeland ist bald vorbei und hinterlässt seine Spuren. An Stränden und Parkplätzen finden sich die „freedom camper“ ein – junge Backpacker, die in ihren Bullys durchs Land gondeln und sich den Campingplatz sparen. Was den Deutschen ihr Flüchtlingsproblem, ist den Kiwis an Dramatik ihr Freizelter-Dilemma. Selbst Blut ist bereits geflossen.

Letztes Jahr konnten sich alle schön xenophob über die „Asian drivers“ aus China und Japan aufregen, die den Linksverkehr nicht beherrschen. Jetzt stehen die Franzosen ganz oben auf der Liste der Störenfriede. Nicht, weil sie katastrophal autofahren. Sondern weil sie es mit den körperlichen Ausscheidungen nicht so genau nehmen. Darin haben sie ein gewichtiges Vorbild: Gerard Depardieu, der einst zwischen den Sitzen im Flugzeug urinierte, weil ihm das Warten vor der Bordtoilette zu lange dauerte.

Zwei Mini-Gerards, die letzten Monat durchs Land der langen weißen Wolke gondelten, machten es ihrer Nationalikone nach. Sie hingen sich rechts und links aus dem Fenster des Mietwagens und pissten johlend in den Wind, während ihr Freund am Steuer über eine Landstraße in Southland raste. Fotografiert wurde das Ganze von einem Auto vor ihnen. Als sie den Wagen wieder abgaben, wurden sie von der Polizei erwartet.

Weiter nördlich, in der Bay of Plenty, legte sich währenddessen eine Gruppe von „freedom campers“ mit dem Ranger eines Kletterparks an. Sie waren abends zu laut, er bat um Ruhe. Ein böses Wort folgte aufs nächste, der Ranger lehrte die Schnapsflaschen der Camper aus. Am Ende hatte ein junger Franzmann eine blutende Kopfwunde von der Taschenlampe des Parkaufsehers.

Blut, Urin – was fehlt da noch auf der Ausscheidungsliste, außer Speichel und Sperma, das sicher auch in den Zelten tropfte? Richtig: der Kot. Den bescherte uns ein französischer Tourist in einer spektakulären Toilettenaktion, die beinahe zu einem Großbrand führte. Der Mann war allein auf einer Wildniswanderung auf dem Te Araroa Trail. Entgegen aller Umwelt- und Outdoor-Regeln verrichtete er sein Geschäft direkt am Ufer des Pukaki-Sees, anstatt es tief im Wald zu vergraben. Das Klopapier zündete er an, um alle Spuren des Hygiene-Verbrechens zu beseitigen.

Das Gras am Ufer begann zu brennen und breitete sich so rasant aus, dass eine halbe Stunde später die Feuerwehr anrücken musste. Der Highway in der Nähe war vom Rauch vernebelt. Immerhin lief der Toiletten-Täter nicht davon. „Er steckte ganz schön in der Scheiße“, so der Feuerwehrmann, der die Ursache für den Brand anfangs kaum glauben konnte.

Nach all den Ekel- und Schreckensmeldungen macht auch die beste Nachricht der letzten Wochen viel mehr Sinn. Ein einsamer Traumstrand, der im Abel Tasman Nationalpark liegt, sollte privat verkauft werden. Zwei engagierte Bürger starteten darauf eine „Give-a-little“-Aktion, trommelten über zwei Millionen Dollar zusammen, erstanden damit den Strand und schenkten ihn dem Volk – zugänglich für alle. Wahrscheinlich wollte man das Stück Natur nur vor den Franzosen retten.beach

 

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Gegen die Ängstlichkeit: Warum ich Hirnwindung 3 gekündigt habe

Wenn ich mich heute entscheiden müsste, als was ich wiedergeboren werden will, eines würde ich ausschließen: als Briefkasten. Bis vor ein paar Jahren war das ein schöner Beruf, an guten Tagen kamen Liebesbriefe und Postkarten, nur an schlechten Rechnungen. Heute ist der Einwurf der Zeitung der Höhepunkt des Tages. Postkarten? Kaum noch: Unsere Freunde drangsalieren uns schon während des Urlaubs über Whatsapp und Co mit sonnigen Strandbildern. Warum dann noch eine Postkarte?

Stattdessen also Rechnungen. Und vor allem: Werbezettel. Von Maklern, Gartenbauern, Möbelcentern und von „Lieferservice Phantasia“ aus, sagen wir Trudering, der selbstbewusst behauptet, mir auch in den Münchner Westen „ofenfrische“ Pizza, Frühlingsrollen und/oder Sushi liefern zu wollen. Kurzum: Mittlerweile trage ich den Briefkasteninhalt nicht mehr freudig ins Haus, rufe „huhu, die Post ist da!“ und alle strömen zusammen. Nein, ich gehe vom Briefkasten direkt zur Papiertonne, wo meine Synapsen ein wählerisches Sofort-Auslese-Verfahren starten. Nur das wichtigste kommt mit ins Haus.

Am Samstag ist dies nun einem merkwürdigen Zettel gelungen, wie Blei liegt er seither auf dem Küchentisch und ich frage mich, was sich meine Synapsen dabei gedacht haben. Es ist ein Flyer einer Firma, die zu einem „Infoabend“ über „Einbruchsschutz“ einlädt.  (Natürlich darf auch nicht das Foto eines Mannes mit Strumpfmaske fehlen, der gerade ins Fenster einsteigt.)

Die Diskussion der Hirnwindungen an der Papiertonne stelle ich mir so vor: Hirnwindung 1: „Das Haus kann gar nicht sicher genug sein! Du hast Frau und Kinder! Behalt den Zettel!“. Hirnwindung 2: „Das Haus ist eh schon überübersicher, weg mit dem Flyer!“ Gerade will das Hirn der Hand das Signal zum „Fallenlassen!“ geben, da tritt eine aschgraue Hirnwindung 3 auf und murmelt: „Hhmm…in diesen Zeiten…“. Und plötzlich nimmt meine Hand den Flyer und trägt ihn ins Haus.

Nun frage ich mich: Wo kommt denn „Hirnwindung 3“ her? Hätte die sich vor einem Jahr auch schon eingemischt? Diskutiert sie ab einem gewissen Alter einfach immer mit? Ist sie bescheuert? Oder vernünftig?

In Angesicht des Zettels habe ich Hirnwindung 3 jetzt zu mir zitiert, verdruckt und miesepetrig trat sie vor mich hin. Und rechtfertigte sich: Sie käme ursprünglich „aus der Magengegend“ und sei da für die „schlechten Gefühle“ zuständig gewesen. Dann murmelte sie wieder „…in diesen Zeiten…“ und schaute fahl aus der Wäsche. „Das reicht“, sagte ich, schmiss sie raus und rief Hirnwindung 1 und 2: „Hütet Euch vor der! Ich beschließe eine Verfassungsänderung: Ihr habt in Zukunft doppeltes Stimmrecht an der Papiermülltonne!“

Gemeinsam zerknüllten wir den Zettel. Ich werde am „kostenlosen Infoabend zum Thema Einbruchsschutz“ nicht teilnehmen. Hirnwindung 1 und 2 werden alles weitere in Ruhe besprechen.

(in: Kolumne “Münchner Freiheit” im “Münchner Merkur” am 1.3.2016)

 

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Kaffee-Krieg mit Magermilch

Draußen in der Welt toben Kriege. Doch bei uns gibt es zurzeit nur eine Schlacht. Die geht um die Milch. Nein, nicht die berechtigte Frage, ob die übermächtige neuseeländische Milchwirtschaft weiter Flüsse und Seen verpesten darf. Es geht um Explosiveres. Und noch nie war ich dem Schützengraben als Möchtegern-Kriegsreporterin so nah. Denn das Laktose-Dramolett spielt sich quasi vor meiner Tür ab, in der „Lyttelton Coffee Company“.

„LCC“ ist das coole Szene-Café in meinem Wohnort, in dem die Musik für meine alten Ohren definitiv zu laut ist. Aber der  größte Affront für manche Besucher ist der hingekritzelte Zettel am Tresen: „Don’t do trim eh“. „Trim“ ist die Abkürzung für fettarme Milch und „eh“ ist ein unübersetzbarer Kiwi-Laut. Der soll der Belehrung, nicht kalorienarm zu trinken, Lässigkeit verleihen. Darunter noch eine Zeile: „Your fooling ya self anyway“. Man betrüge sich eh nur selbst. Eh.

So begann „Trimgate“. Der eigentliche Skandal ist zwar die katastrophale Rechtschreibung, aber nicht für meine Mit-Kiwis. Kunde König stieß auf, dass das Café aus Prinzip nur Vollfett- statt Magermilch zum Kaffee anbietet. Nachdem die Lokalpresse das Thema aufgriff, wurde der Sturm in der Latte-Tasse viral. Ein Glaubenskrieg begann, der das ganze Land mitriss: Nur Banausen und Idioten würden fettfrei ordern, denn kein Kaffee schmecke damit, behaupteten die Kenner. Auch Baristas schlugen zurück: Wer einen guten Kaffee zapfen kann, schaffe das selbst mit Sojaplörre. Das Wort „coffee Nazi“ fiel. Als die Milch überschäumte, griff die Online-Postille Vice den Kaffee-Krieg aus Aotearoa auf. Und das Fernsehen war live vor Ort.

LCC-Betreiber Stephen Mateer, der seine Bohnen selber röstet und die Bio-Milch direkt vom Bauern bezieht, will mit seiner Haltung vor allem Plastikflaschenmüll vermeiden. Magermilch sei außerdem ein minderwertiges Lebensmittel. In Lyttelton spalten sich jetzt die Fronten. LCC-Fans bekennen ihre Solidarität. Eine stillende Mutter ließ sich im Café ablichten, stellte das Bild auf Facebook und verkündete: „Don’t do trim either“: Bei ihr gibt’s auch nur Vollfett. Babys auf den Barrikaden – es wird ernst!LCC

 

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Weltreporter unter der Lupe

Tim Kukral, derzeit Volontär beim NDR und vorher Student in Hamburg, hat eine Arbeit über freie Auslandskorrespondenten geschrieben. Grundlage des Werks, das jetzt beim Herbert von Halem Verlag erschienen ist waren Interviews mit 14 Weltreportern.

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Aus dem Blurb: ‘Durch eine qualitative Befragung von Mitgliedern des renommierten Journalistennetzwerks Weltreporter liefert dieser Band erstmals umfangreiche Erkenntnisse über die Arbeit der freien Auslandskorrespondenten.’

Kukrals Buch ‘Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten’ ist Band 8 der Reihe “Journalismus International” und auch online bestellbar.

Zu Kukrals Fragen gehörten: Im Vergleich zu ihren festangestellten Kollegen haben die „Freien“ eher den Blick und die Zeit für Geschichten, die abseits liegen von den starren Themenplänen der Redaktionen in der Heimat. Aber (wie) kann man davon leben? Wie sieht der Alltag der freien Korrespondenten aus? Und wie sind sie überhaupt zu diesem Beruf gekommen?

 

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Frühkindliche Erziehung in Manegen

Musische Früherziehung, Unterrichtseinheit Tradition und Brauchtum

Musische Früherziehung, Unterrichtseinheit Tradition und Brauchtum

Spanien kommt aus der Bluthochdruckzone gar nicht mehr raus. Ein Skandal jagt den anderen, Oberthema: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Klingt schrecklich langweilig, ist aber ein echter Aufreger, zumindest wenn die Protagonisten ein Stierkämpfer und eine Podemos-Abgeordnete sind. Fran Rivera, genannt Paquirrí, hat ein Foto von sich und seiner jüngsten Tochter gepostet. Es zeigt ihn beim Training, in der heimischen Arena, mit einer Jungkuh, und zwar in obiger Pose.

Daneben der Text: “Carmens Debüt – Sie gehört zur fünften Generation einer Stierkämpferfamilie. Mein Großvater zeigte das gleiche meinem Vater, mein Vater mir, ich meinen beiden Töchtern…”
Innerhalb weniger Stunden war die Debattennation zweigeteilt, in den Talkshows liefen die Mikrofone heiß, Verfechter (“Tradition”, “Weitergabe von Werten”) und Gegner (“Angeber”, “unverantwortlich”, “Tierquälerei”) warfen sich alle Nettigkeiten zwischen “Banause” und “Mörder” an den Kopf. Und natürlich wurde sogleich die Parallele zu diesem Skandal gezogen:

Politische Früherziehung, Unterrichtseinheit Eltern-Kind-Rechte

Politische Früherziehung, Unterrichtseinheit Eltern-Kind-Rechte

Podemos-Abgeordnete Carolina Bescansa hatte doch tatsächlich zur ersten Parlamentssitzung ihr Baby mitgebracht. Die Vize-Parlamentspräsidentin höchstpersönlich wies die Neue darauf hin, dass es auch eine KiTa im Parlament gäbe und ließ sich dann lang und breit in einer Talkshow darüber aus, ob ein “geschlossener Raum mit 400 Erwachsenen” tatsächlich das richtige Ambiente für einen Säugling wäre. Auch da verliefen tiefe Fronten zwischen Befürwortern (“Biologie, Mutter-Kind-Bindung”, “Zeichen setzen für arbeitende Eltern”) und Gegnern (“Populismus”, “unverantwortlich”). Man könnte jetzt lang und breit tatsächliche und mutmaßliche Gesundheitsrisiken für die jeweiligen Säuglinge in Plenarsaal/Arena analysieren, über die Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Manegen sinnieren; interessant bei der Debatte ist vor allem, dass diejenigen, die sich über Bescansas Baby echauffierten Paquirris Baby beklatschen. Und umgekehrt natürlich. Die Argumente sind austauschbar, denn im Kern geht es nicht um die Kinder, Mütter, Väter, sondern um Politik: um die ungezogenen Neuen (Podemos und Co) gegen die überkommenen Alten (Toreros und Co).

Das zeigte sich auch am anderen großen Aufreger der letzten Wochen, Oberthema: angemessene Bekleidung/Haartracht. Die Vizepräsidentin des Parlaments kommentierte die Rasta-Locken eines Podemos-Abgeordneten mit einem “So lange da keine Läuse überspringen, ist mir das egal”, Podemos-Chef Pablo Iglesias revanchierte sich dafür, in dem er auf einer Pressekonferenz eine Journalistin für ihren “prächtigen Pelzmantel” lobte – das ist stilistisch eleganter, in der Sache aber  genauso dämlich.

Es wird jedenfalls höchste Zeit, dass die Legislatur ins Rollen kommt und so vielleicht, vielleicht, ein bisschen mehr Inhalt in die Scheindebatten rutscht.

 

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Die goldene Sonne

Das Jubiläumsjahr beginnt mit einer Farce: 2016 jährt sich Maos Todestag zum 40.Mal. Und dafür errichteten Dörfler in der zentralchinesischen Provinz Henan dem auch gerne als “Rote Sonne” verherrlichten Großen Vorsitzenden klammheimlich eine goldene Statue. Nicht irgendeine. Nein, die größte der Welt, 36,6 Meter hoch.

MaoStatueScreenshot

Plötzlich tauchten Fotos des goldenen Giganten, umgeben von brauner Erde und bräunlichem Smog, auf. Und sorgten für Unruhe. Im chinesischen Internet. Für das Geld hätte man doch lieber lokale Schulen bauen sollen, empörten sich Netizens. Und bei der Führung. Die ließ den sitzenden Riesenmao nur wenige Tage nach Auftauchen der Fotos wieder abreißen. Das Parteiorgan Volkszeitung bestätigte das und zitierte Offizielle, der Bau habe nicht den nötigen Genehmigungsweg durchlaufen. Wer auf welcher Ebene den Abriss beschloss, weiß niemand. Der britische Guardian zitiert einen Anwohner des betroffenen Dorfes Zhongshigang mit den Worten, er habe keine Ahnung, wer den Abriss befohlen habe, die Arbeiter habe er vorher noch nie gesehen (hier). Irgendwie typisch für China.

Die Mao-Verehrung auf dem Land nehme zu, schreibt die Zeitung Global Times. Demnach bauen Dörfler in mehreren Provinzen Schreine und Tempel für die “Rote Sonne” (hier). In der Unruhe über die verwirrenden und wechselhaften Zeiten der Gegenwart sehnen sich manche offenbar nach der kargen Einfachheit der Mao-Jahre – und verdrängen dabei den Irrsinn der Kulturrevolution oder die Hungersnot, die Maos “Großer Sprung nach Vorn” ausgelöst hat. Sie wollen etwa Maos Geburtstag, den 26. Dezember, zum Nationalfeiertag erheben. Nostalgie vermische sich mit Volksglauben, so die Global Times, und berichtet von der kürzlichen Einweihung einer bronzenen Mao-Statue für einen taoistischen Tempel, bei der in Jingyuan in der Nordostprovinz Gansu neben den Mönchen auch ein extatischer Schamane mitgewirkt habe. Bereits vor über zehn Jahren orderte die KP den Abriss eines Mao-Tempels in der Südprovinz Guangdong: Der Vorsitzende sei schließlich Atheist gewesen. Die Dörfler aber ignorierten das Verbot und errichteten den Tempel heimlich neu. Der Dorfparteichef ging sogar hin, um für seine Wiederwahl als lokaler KP-Vorsitzender zu beten. Selbst Parteichef Xi Jinping, dem vielfach eine Wiederbelebung maoistischer Kampagnenpolitik nachgesagt wird, sagte kürzlich, dass Revolutionsführer nicht wie Götter verehrt werden dürften. In Jingyuan aber beten die Dörfler nun in ihrem Tempel zu Mao um Babys, Gesundheit oder Reichtum – so wie ihre Vorfahren es zu den von Mao verbotenen Gottheiten wie dem Jadekaiser oder dem Reichtumsgott taten.

Beinahe drei Milliarden Yuan (419 Mio Euro) soll der goldbepinselte Riesenmao gekostet in Henan haben, bezahlt von lokalen Unternehmern und Anwohnern des Dorfes Zhushigang in der zentralchinesischen Provinz Henan. Laut Global Times fühlen sich viele solcher glühenden Mao-Verehrer zunehmend marginalisiert. Das ist wohl wahr. In den Metropolen dürfte sich die Trauer um den gefallenen Goldriesen in engen Grenzen halten.

 

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Schaumtortenschocker

Wir haben Down Under einiges durchgemacht im letzten Jahr. Höhen wie die Rugby-Weltmeisterschaft (die All Blacks gewannen) und Tiefen wie die Vorauswahl einer neuen Flagge (das langweiligste Motiv gewann), vom pferdeschwanzgrabschenden Premierminister ganz zu schweigen. Aber was die Kiwis bis ins Mark erschütterte, kam weder aus Sport noch Politik, sondern aus der Küche. Die Kulturgeschichte Neuseelands muss umgeschrieben werden. Ein kulinarisches Nationalheiligtum ist gestürzt. Die Pavlova ist in Wahrheit Ausländerin!

Pavlova ist eine Baiser-Torte, die mit Schlagsahne zugekleistert und mit allerlei Obst garniert wird und keinesfalls beim Christmas Lunchfehlen darf. Schmeckt absolut köstlich, was man nicht von allen neuseeländischen Spezialitäten behaupten kann, soweit diese je den Weg über die Fish-and-Chips-Bude hinaus gefunden haben (ich warne hiermit erneut vor frittierten Hotdogs). Pavlova bedeutet Down Under so etwas wie die Schwarzwälder Kirschtorte für Deutschland, wobei ich damit bewusst Australien mit einschließe. Denn beide Länder streiten seit Anbeginn darum, wer nun diesen sensationellen Nachtisch erfunden hat.

pavDie alte Fehde kann man nun begraben. Dr. Andrew Paul Wood, Kunstwissenschaftler aus Christchurch, und die Australierin Annabelle Utrecht haben sich über Monate gemeinsam auf die Suche nach den Wurzeln der „Pav“ gemacht. 10.000 vergilbte Kochbücher und 20.000 historische Zeitungsartikel später steht das frappierende Ergebnis fest: Der Kuchen gehört den Amis und den Engländern, nicht den Kiwis oder den Aussies. Die beiden Letzteren haben sich nur darauf gestürzt.

Bisher galt als gesichert, dass der erste „Pavlova Cake“ 1929 in Neuseeland erfunden wurde – benannt nach der russischen Ballerina Anna Pavlova. Doch „Doc and The Frock“, wie sich das Investigativ-Team nennt, haben nach der Auswertung von 1.024 Pavlova-Rezepten ans Licht gebracht, dass schon in den Jahren vor 1929 weltweit 150 ähnliche Schaumtorten mit Obst und Sahne serviert wurden. Vor allem in Deutschland. Die Habsburger hatten bereits lange vor Anna Pavlovas Ruhm die Spanische Windtorte kreiert, die der heutigen Pavlova ähnelt. Durch deutsche Immigranten kam das Wunderwerk nach Amerika. Die ersten Überseefrachter brachten es später in die Küstenorte Aotearoas, wo der Mythos seinen Lauf nahm.

Weitere erstaunliche Fakten, die der Öffentlichkeit erst jetzt aufgetischt wurden: Nach 1900 wurde die Baisertorte plötzlich zum Phänomen auf allen Bridge-Partys. Warum nur? Dr. Wood hat es herausgefunden. „Weil dann der Dover-Handmixer erfunden wurde.“ Bis dahin hatten Hausfrauen und Köche sich stundenlang abgemüht, den Eischnee zu sanfter Steife zu schlagen. Annabelle Utrecht, die andere Forscherin, kochte ein Rezept des 19. Jahrhunderts nach, bei dem zwei zusammengebundene Gabeln als Rührer dienten. „Ich weinte fast nach 45 Minuten.“ Wood und Utrecht gebührt eine Medaille im Namen der Aufklärung.

 

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25. Türchen: 4 Tokyo Top Views

Lebensperspektive nicht verlieren, Überblick beibehalten und das Gefühl haben, Teil des Ganzen zu sein: Tokio liefert dazu den idealen Background. Hier meine vier Lieblingsrückzugsecken:

1 - top view tokyo drink

1. Für einen guten Drink, Schwatz oder Tagtraum: Bar im Park Tower Shinjuku, 41. Stock (….ja, genau dort hat Sofia Coppola Lost in Translation gedreht). Den besten Chocolate Martini der Welt schlürfen, mit dem guten Gefühl zu wissen, dass bei einem Erdbeben ein 20 Meter langes eingebautes Pendel den Wolkenkratzer ausbalanciert.

 

2 - top view tokyo outside Sky Deck

2. Für einen Spaziergang wie auf einem Flugzeugträger: Open Sky Deck Mori Tower. Das Flachdach schwebt 238 Meter über dem Stadtviertel Roppongi. Darunter, im 52. Stock, im Mori Museum, ist der Ausblick auch nicht schlecht, doch stört die Glaswand.

 

3. Für ein konzentriertes Schreiben: Zimmer im Shibuya Tokyu Excel Hotel. Fernsehproduzenten sperren hier gern ihre Autoren ein, damit sie die Deadline schaffen. Vom Schreibtisch fällt der Blick hinunter auf die verrückteste Kreuzung der Welt.

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4. Für ein entspanntes „Ich-muss-mal-eben“: Die öffentliche Toilette im 19. Stock vom Mains Tower beim Shinjuku Süd-Exit – über den Dächern Tokios.

 

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24. Türchen: St. Johannes Nepomuk, Prag

sankt_johannes_nepomuk2-bEin bisschen versteckt liegt diese Kirche, die selbst für Prager Verhältnisse – und nicht umsonst wird Prag „die hunderttürmige Stadt“ genannt – ein Traum ist. Sankt Johannes Nepomuk heißt sie, und wie fast alle Prager Kirchen trägt sie einen Beinamen: „auf dem Felsen“ lautet der, denn tatsächlich steht die Kirche in der Nähe des Karlsplatzes (Karlovo námestí) hoch erhaben auf einem Felsblock. Warum ich hier gerne bin? Während draußen der Adventstrubel tobt, herrscht hier innen eine geradezu kontemplative Ruhe, die nur ab und zu von der vorbeirumpelnden Trambahn unterbrochen wird. Der Barockbaumeister Kilian Ignaz Dientzenhofer hat die Kirche entworfen, und sie ist ein Paradebeispiel für die verschwenderische Fülle des böhmischen Barock. Die Kirchen, so war damals die Überzeugung der Bauherren, sollen in ihrem Glanz schon die Freuden des Himmelreichs vorwegnehmen. In der Nepomuk-Kirche feiert heute die deutschsprachige Gemeinde Prags ihre Gottesdienste, immer sonntags um 11 Uhr.

 

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23. Türchen: Dronning Louises Bro

DRONNING LOUISES BRO1

“Typisch Skandinavien: trostlos im Winter, aber kommen Sie mal im Sommer wieder.”

Abgesehen von den langen Tagen im kurzen Sommer ist das Sonnenlicht in Nordeuropa Mangelware wie Schnee auf Sizilien. Deshalb ist es gut, dass es in Kopenhagen Dronning Louises Bro gibt. Die Brücke dürfte der Ort im Zentrum der Hauptstadt sein, an dem es an jedem Tag des Jahres die meisten Sonnenstunden (oder -sekunden) gibt.
Sobald im Frühjahr die ersten Sonnenstrahlen warm genug sind, um sich draußen aufzuhalten, sitzen hier die Kopenhagener nach Feierabend bei mitgebrachtem Kaffee und Bier auf den Bänken und dem Brückengeländer. Ab und an spielt jemand live Musik, häufiger legt ein mobiler DJ auf und der breite Bürgersteig wird dann zur Tanzfläche. Sollte die Sonne sich zwischen November und Februar dochmal zeigen, sitze ich selbst im Winter dort.

 

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21. Türchen: am Hafen, in Lyttelton

Lyttelton HafenIch habe Glück, dass ich da wohne, wo ich am liebsten bin: in Lyttelton, dem Hafen von Christchurch. Die Schiffe und Kräne erinnern mich etwas an Kiel und Hamburg, wo ich lange gelebt habe. Aber man hört zwischen den Hafengeräuschen viel Vogelzwitschern. Und manchmal sogar Schafe blöken. Die sanften grünen Hügel drumherum und die Meeresbucht – eigentlich ein toter Vulkankrater – sind Balsam für Auge und Seele. Im Sommer schwimme ich hier auch gerne meine Bahnen zwischenden Bojen. Aber das Schönste an Lyttelton sind die Kneipen und Cafés, der unkonventionelle “vibe” dieses Ortes, wo einige von Neuseelands besten Musikern, Künstlern und Freigeistern leben Eine kleine, feine Oase, die man am Rande dieser noch immer zerstörten Stadt kaum vermutet. Mein Dorf ist mir in den letzten zehn Jahren sehr ans Herz gewachsen.

 

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20. Türchen: Auf dem Turó de la Rovira

Zum ersten Mal war ich mit einem Fernseh-Team auf dem Turó de la Rovira. Das war vor fünf Jahren. Außer uns genoss damals nur ein einsamer Hundebesitzer die grandiose Aussicht über die Stadt. Dank Twitter, Instagram und Co. ist der Turó de la Rovira inzwischen der bekannteste „echte Geheimtipp“ der Stadt. Unter den amüsiert bis skeptischen Blicken der Anwohner ziehen jeden Nachmittag Grüppchen mit Plastiktüten auf den Berg, setzen sich auf die Mäuerchen des alten Luftabwehrstützpunkt aus dem Bürgerkrieg oder breiten auf den Kachelböden der Baracken, die hier einst standen, ihre Picknickdecken aus. Inzwischen hat auch die Stadt das Potenzial ihres schönsten Aussichtspunkts entdeckt und lässt die Auffahrtstraßen neu pflastern. „Demnächst verlangen sie bestimmt Eintritt“, unkte jüngst ein Bekannter. Linksalternative Bürgermeisterin hin oder her: In einer marketingtechnisch so gewieften Stadt wie Barcelona lässt sich das nicht ausschließen. Also nichts wir rauf auf den Berg! Am einfachsten geht es mit dem Bus V17: einfach bis zur Endstation durchfahren.

 

 

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19. Türchen: Am Mount Cameroon

Auf dem Gipfel des Mount Cameroun

Blick vom Mount Cameroun ins Tal auf Buea

Regenwald in Kamerun, am Fuß des Mount Cameroon. Wer den Mount Cameroon besteigt, kommt in kurzer Zeit durch die unterschiedlichsten Vegetationszonen, darunter Bergregenwald. Der rund 4000 Meter hohe Gipfel liegt alleine in der Nähe des Meeres. Von oben liegt einem die Welt, das Meer und nachts die Lichter der kleinen Stadt Buéa.

 

 

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18. Türchen: Ein Gruß aus dem “sehr smarten Wladiwostok”

Uliza_Admirala_Fokina

Uliza_Admirala_Fokina

12 Autostunden trennen Wladiwostok von Chabarowsk, der nächsten großen Stadt, 8 Flugstunden von Moskau. Eine gefühlte Insel, von der einen Seite drängt der Stille Ozean, von der anderen die endlosen Urwälder der eurasischen Taiga.

Eine schräge Stadt jenseits von Sibirien, dicht bebautes Pazifiksteilufer, viele Bars und Cafés und Geschäfte hier tragen ziemlich polyglotte Namen: „Pinguin“, „Nasch Whiskey Bar“ oder „Geblümter Blues“. Die Straßen dazwischen verwandeln sich bei Frost oft in ein Labyrinth aus Eisbahnen. Und in einer rutschigen Steilkurve über dem Goldenen Horn von Wladiwostok parkt ein Nissan-Jeep. Eine junge Frau sitzt drin. Wo es hier zur Puschkinstraße geht? „Sie sind wohl fremd hier?“, ihre schwarzen Augen mustern mich besorgt. „Kommen Sie, steigen Sie ein, ich fahre Sie hin.“ Die Leute hier erzählen stolz, Wladiwostok sei die einzige russische Großstadt, in der andere Autofahrer anhielten, um zu helfen, wenn jemand im tief verschneiten Straßengraben gelandet ist, statt ihn seinem Schicksal und den Abschleppdiensten zu überlassen.

Wladiwostok_Hafen

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