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Berliner Nächte

Wenn Journalisten feiern, auch sich selbst, sind Politiker meist nicht weit. Die gegenseitige Abhängigkeit zwingt zu einer Symbiose, die freundschaftlicher ist als es viele Schlagzeilen vermuten lassen. Beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz war denn auch die politische Prominenz zahlreich gekommen. Als erster FDP-Chef Guido Westerwelle, der zum abendlichen Abschieds-Essen des schwarz-roten Kabinetts zwei Häuser weiter im Kanzleramt nicht eingeladen war. Dass sich auch die Kanzlerin kurz die Ehre gab, überraschte sogar den Bundespräsidenten. Der vermutete, man habe ihn nur deshalb als Festredner eingeladen, weil die ‘journalistische Stammkundschaft’ derzeit anderweitig beschäftigt ist.

Das hat ihn offenbar zu Höchstform auflaufen lassen. Jedenfalls hielt Horst Köhler eine der besten Reden seiner bisherigen Amtszeit.  Eine, bei der er mit den bundespolitischen Berichterstattern hart ins Gericht ging. Wer aufklären wolle, brauche zuerst eine Haltung, mahnte Köhler, die vermisse er bei vielen Journalisten. Ernsthaftigkeit, Leidenschaft, Ahnung haben, das könnte mal wieder in Mode kommen, meinte er. Und dass die Krise im Qualitätsjournalismus nicht nur mit fehlendem Geld zu tun habe, sondern auch damit, dass sich die Leser und Zuhörerinnen mit uns (unseren Artikeln) langweilen.

Wer von Berufs wegen Fragen stellt, sollte die auch an sich selbst stellen, meint Köhler. Mal abgesehen davon, dass auch der Bundespräsident in vielen Reden seine Zuhörer schon gelangweilt hat, frage ich mich: sind wir als Journalisten wirklich so wenig selbstkritisch, dass wir uns von Politikern einen Spiegel vorhalten lassen müssen?

 

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