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Im Vermieterparadies

Argentinien ist ein Land mit eigenen Regeln: Hier fahren Krankenschwestern in der gleichen Kleidung, in der sie später in der Notaufnahme stehen, morgens im voll besetzten Bus zur Arbeit. Rechnungen (auch Gas, Strom, Wasser) haben einen Strichcode und man kann sie an der Supermarktkasse zahlen. Und um eine Wohnung zu mieten, muss man eigentlich schon eine haben.


Glücklich schlafen in Buenos Aires: Nur mit garantía!

In Argentinien braucht man eine garantía, um eine Mietwohnung zu bekommen. Eine garantía ist eine Bürgschaft in Form einer anderen Wohnung. Sollte der Mieter die Bude abfackeln oder Mietschulden haben, bekommt der Vermieter die Wohnung des Bürgen. Und das kann nicht irgendeine Wohnung sein: Der Wohnraum muss einen vergleichbaren Wert haben und in einer dem Vermieter genehmen Gegend liegen. Wenn dem die Immobilie des Bürgen nicht gefällt, wird der Vertrag nicht unterschrieben.

Wer also keine eigene (Erst-)Wohnung hat, braucht Freunde, die bereit sind, Haus und Hof zu verpfänden. Jemandem eine garantía zu geben ist der vielleicht grösste Freundschaftsbeweis, den ein Argentinier machen kann. Zum Grillen einladen kann man mehrere Großfamilien und das jeden Sonntag. Die Wohnung kann nur zweidrei Mal verbürgt werden.

Als Ausländer ohne garantía hat man drei Möglichkeiten: Zu meist absurd hohen Preisen zur Untermiete hausen (und wenn Besuch aus der Heimat kommt hat man Pech, denn in den möblierten Zimmern darf man oft keine Gäste haben). Eine gefälschte garantía auf dem Schwarzmarkt kaufen und hoffen, dass sie nicht auffliegt. Jemanden finden, der sein Haus für einen verpfändet.

Es wäre allerdings ungerecht, auf die Vermieter zu schimpfen, ohne die andere Seite zu sehen (1): Argentinische Mieter scheinen außer Rand und Band zu geraten, wenn sie irgendwann ausziehen. Als ich in meine jetzige Wohnung einzog, fehlte das Rohr vom Spülkasten zur Toilette und der Sicherungskasten war weg, die Stromkabel waren mit Klebeband direkt aneinander geklebt.

Inzwischen miete ich nun seit sechs Jahren die gleiche Wohnung. Ruhe habe ich aber immer noch nicht. Erstens kümmern sich Vermieter hier um nichts (immerhin – den neuen Durchlauferhitzer hat meiner zur Hälfte übernommen, weil der alte unkontrolliert Gas ausspuckte und eine echte Gefahr war). Und zweitens werden Mietverträge in Argentinien alle zwei Jahre erneuert. Dann kann sich nicht nur die Miete verdoppeln, sondern der Makler heimst jedes Mal neu zwei ganze Monatsmieten Provision ein. Eine Quittung gibt er mir dafür – natürlich! – nicht. Mieterrechte sind gesetzlich so gut wie nicht geregelt, sagte man mir übrigens beim Mieterschutzbund. Ich könne den Vermieter ja darauf hinweisen, dass das “gegen die guten Sitten verstoße”. Mach’ ich gleich morgen. Da wird er sicher nachts ins Kissen heulen.

(1) Liebe Vermieter mit Wohungseigentum in Argentinien. Bitte seht davon ab, mir Leserbriefe zu schreiben. Es tut mir sehr Leid für Euch, wenn Eure Mieter nicht auf Eure Wohnungen aufpassen. Gebt sie einfach mir! (allen, denen diese Fußnote absurd erscheint sei gesagt: Ist sie nicht! Ich habe tatsächlich schon böse Leserbriefe von Menschen bekommen, die in Argentinien Wohnungen vermieten und das System der garantía verteidigen. Dabei zweifele ich ja gar nicht daran, dass auch die Vermieter hier ein hartes Los treffen mag!)

Ein hilfreicher Link für wohnungssuchende Buenos Aires-Besucher: http://buenosaires.es.craigslist.org/

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