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Bagdads neue Freiheit

Die Maschine setzt in gleichmäßigem Flug zur Landung in Bagdad an. Vorbei sind die Zeiten, wo die Flughöhe bis über dem Flughafengelände beibehalten wurde und der Pilot dann spiralenförmig nach unten drehte. Dies war notwendig geworden, weil immer wieder Flugzeuge von den Aufständischen-Hochburgen Ramadi und Falludscha aus beschossen wurden. Flugzeuge, die aus dem Norden oder aus Jordanien die irakische Hauptstadt ansteuerten, waren besonders gefährdet. Für die Piloten war dies eine enorme Herausforderung. Aber auch für die Passagiere. Hatte man etwas gegessen, kam die Brechtüte zum Einsatz. Die weiche Landung lässt eine Verbesserung der Sicherheitslage erahnen. Und tatsächlich: Die Flughafenstraße sei jetzt eine der sichersten Straßen Bagdads, behauptet der Taxifahrer stolz. Nachdem in den schlimmsten Jahren des Terrors täglich bis zu zehn Sprengsätze am Straßenrand explodierten, herrscht derzeit fast Friedhofsruhe. Auch die Schilder an den amerikanischen Militärfahrzeugen, die die nachfolgenden Autos zum Abstandhalten aufforderten, sind verschwunden. Die Anschläge am Wahltag vor drei Wochen sind schon fast vergessen. Allerdings befürchten viele ein Wiederaufkeimen der Gewalt, sollte es nicht gelingen, die Fehden zwischen den Politikern beizulegen. Der noch amtierende Premierminister Nuri al-Maliki will das Wahlergebnis nicht anerkennen, das ihn knapp hinter seinem Rivalen, Ex-Premier Ijad Allawi ausweist.

 Bagdads Flughafen ist zweigeteilt, in einen zivilen und einen militärischen Teil. Während ich im Herbst 2004 mit einer der ersten kleinen Propellermaschinen auf dem damals noch komplett militärisch belagerten Airport landete und nur zwei Zivilmaschinen pro Tag abgefertigt wurden, sind es heute schon zehn Mal so viele. Mittlerweile fliegt Iraqi Airways in fast alle arabischen Nachbarstaaten. Die türkische Fluggesellschaft hat ein Stadtbüro in Bagdad eröffnet und bedient die Kunden in der schwer zerbombten Sadun-Straße. Auch Lufthansa plant, ab Herbst von Frankfurt nach Bagdad zu fliegen.

 Die Sadun-Straße führt am Ostufer des Tigris vom Firdous-Platz, wo am 9. April 2003 Saddams Bronzestatue vom Sockel gerissen wurde, zum Tahrir-Platz, dem Platz der Befreiung. Unzählige Anschläge haben die Straße zu einem Schlachtfeld verkommen lassen. Vor fast zwei Jahren, als der Terror seinen Höhepunkt erreichte, wurde das Viertel zur Geisterstadt. Alle Geschäfte waren geschlossen. Jetzt wird nahezu täglich ein Laden wieder eröffnet. Die Alkoholhändler sind als erste zurückgekommen. Auch nach Einbruch der Dunkelheit sind ihre kleinen Buden noch hell erleuchtet. Demonstrativ gehen die Menschen hinein und suchen sich die Flaschen aus. Befreiung hat viele Gesichter.

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