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Der Tote mit den Gummistiefeln

Seit letzter Woche hängen die Fahnen auf Halbmast. Wir trauern um John Clarke, den es mit 68 Jahren dahingerafft hat. Den Namen hatte ich bis dahin auch noch nicht gehört, aber den seines berühmten Alter Egos Fred Dagg schon kurz nach der Einwanderung. Eine bessere Einbürgerungshilfe kann man sich als kiwikulturferner Mensch gar nicht wünschen. Fred Dagg war für Neuseeland, was Monty Python für England und Loriot für Deutschland waren: feinste Satire, frisch von der Schafweide.

Farmer Fred stapfte meistens in Gummistiefeln durchs Gras. Es waren die 70er, er trug lange Haare unterm Anglerhütchen, eine Kippe in der Hand und stets ein ärmelloses schwarzes T-Shirt. Sein Dorf hieß Taihape und all seine sieben Söhne, die er mit einer „good old Sheila“ gezeugt hatte, hießen Trevor. Gefühle für seine Frau raunte er lieber Richtung Abendhimmel: „Is’n verdammt schöner Sonnenuntergang!“; und wenn das Telefon klingelte, folgerte er blitzgescheit: „Muss das Telefon sein!“ Ein Held vom Lande.

Fred Dagg verkörperte die kiwianische Volksseele in all ihrer hinterwäldlerischen und rebellischen Verschrobenheit – lakonisch, selbstironisch und liebevoll. Er schrieb Humor-Geschichte, als es außer Billy T kaum ernstzunehmende Komiker „down under“ gab und im In- wie Ausland der oft zitierte Spruch kursierte: „Neuseeländische Comedy ist ein Oxymoron.“

Dabei hatte es Schauspielerin und Psychologin Pamela Stephenson in den 80ern nach Hollywood geschafft und glänzte dort bei „Saturday Night Live“ als erste Frau, die nicht in Amerika geboren war. Auch John Clarke, der schlaue Kopf unter Fred Daggs Bauernmähne, verließ das Land der Schafe und setzte sich nach Melbourne ab. Beim Radiosender ABC wurde er bald gefeuert, weil er „zu satirisch“ war. Aber auch im Land der Kängurus hinterließ er grandiose Schlammspuren als politischer Verarscher in Film und Fernsehen.

Jetzt, wo John Clarke tot ist, stellen alle noch mal fest, wie sehr sie ihren Fred Dagg geliebt haben. Hätte man es ihm zu Lebzeiten öfter sagen sollen? Das antipodische „tall poppy“-Syndrom verbietet überschwängliches Lob – wer zu hoch hinauswächst, wird schnell abgesägt. Immer schön auf dem Boden bleiben. Hauptsache egalitär, nicht elitär. Das bekamen auch „Flight of the Conchords“ zu spüren, die Kiwi-Comedy auf Weltniveau produzieren. In der Heimat konnten die beiden Musiker nicht so recht landen, also setzten sie sich erst nach Edinburgh und dann New York ab.

Der Rest ist Geschichte: Eine eigene HBO-Serie, ein Grammy, ein Oscar – FOTC sind der beste Export aus Aotearoa seit Jahrzehnten. Daheim verschmäht zu werden hat der Karriere des Duos enorm geholfen. Das sollte aber bitte kein Ansporn sein, weiterhin Talente klein zu halten. Nächste Woche startet das New Zealand International Comedy Festival. Im Programm auch die „Beste Comedy-Show auf Erden“ – endlich mal unbescheiden. Fred Dagg bekommt echte Nachfolger. Sicher alles Trevors.

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