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Im Herzen der Finsternis

 

Kaddisch im Wald von Paneriai. Fania Brantsovskaya reicht dem Reporter bis zum Bauchnabel. Die alte Dame, Jahrgang 1922, überlebte die Auflösung des Wilner Ghettos 1943, ging als Partisanin in die Wälder. Sie hat ein vergilbtes Foto mitgebracht. Von ihrer Familie ist nichts geblieben als die Erinnerung. 70 000 Menschen haben die deutschen Besatzer in Ponar, rund 20 Kilometer südwestlich der litauischen Hauptstadt Vilnius, erschossen, in Gruben aufgeschichtet und verbrannt.

Vor dem Einmarsch der Nazis war fast jeder zweite Bewohner der Stadt jüdischen Glaubens. „Vilne“ ein Zentrum jüdischer Kultur, das es so in Nordeuropa kein zweites Mal gab. Litauens jüdische Emigranten, die Litvaken,  sind noch einmal zurückgekehrt ins Herz Europas, wollen die Erinnerung an dieses litauische Jerusalem mit seinem weltberühmten Gaon wieder aufleben lassen. Aber sie sprechen auch ein Thema an, das in der jungen Republik tabuisiert wird: Mit bestialischen Greueltaten beteiligten sich Litauer als willige Helfer der Nazis am Judenmord.

Unterdessen mühsame Spurensuche in der barocken Altstadt. Kein Schild, kein Hinweis. Im offiziellen Programm der Kulturhauptstadt findet das jüdische Erbe kaum statt. Kritiker halten Vilnius ohnehin für unwürdig, weil es bis heute Streit um die Rückgabe jüdischen Eigentums gibt. Frostig sei der Umgang mit der Minderheit, klagt der rastlose Simon Gurevičius von der Gemeinde (3 000 sind sie noch): Litauische Staatsanwälte ermittelten gegen jüdische Partisanen um Brantsovskaya. Neonazis durften vor der Synagoge aufmarschieren.

Immerhin, im Streit um den ehmaligen jüdischen Friedhof von Vilnius lenkte das Kulturministerium in diesen Tagen ein. Auf den von den Sowjets eingeebneten Flächen darf eine Bebauung nur nach Zustimmung der Gemeinde erfolgen. Auch in den Verhandlungen um Entschädigung für geraubten Besitz im Zuge der Enteignung und Arisierung gibt es Bewegung. Allerdings liegen die gegenseitigen Vorstellungen vom Umfang der Zahlungen noch weit auseinander.

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