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Traumstädte mit Strom und Wasser

Mein neues Zuhause liegt im English Village, im englischen Dorf, eines der unzähligen Neubauviertel, die im nordirakischen Erbil derzeit wie Pilze aus dem Boden wachsen. Während Dream City, das amerikanische Dorf, die New Zealand City oder wie sie sonst alle heißen noch mehr einer Baustelle gleichen, ist das English Village bis auf einige Häuser fast fertig. Wie Stadtvillen sehen die eng aneinander stehenden Gebäude aus. Innen sind sie geräumig, nach oben offen, einstöckig. Ein von der Hitze des Herbstes ausgebrannter Rasen zieht sich wie ein Handtuch um jede Villa. Eine englische Baufirma war hier federführend und hat dem Ensemble einen Vorstadtcharakter gegeben. Doch mit der gewohnten britischen Vorstadtidylle hat das British Village in Erbil nicht viel gemein. Hinter der Umzäunung wachsen wilde Müllkippen, die ein vermehrtes Fliegen- und Mückenaufkommen hervorbringen. Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten im Dorf, nicht einmal ein Pub. Trotzdem zieht es immer Menschen hierher, denn der ausschlaggebende Punkt hier zu wohnen, ist ein in Europa zur Selbstverständlichkeit gewordenes Phänomen: Es gibt 24 Stunden Strom und ausreichend Wasser.

Wer in den letzten Jahren im Irak gelebt hat, weiß dies zu schätzen. Mehrere Stunden werden täglich nur damit verbracht, Generatoren in Gang zu halten, das zuweilen rare Diesel auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, Ersatzteile für die verschleißten Maschinen zu beschaffen und jemanden aufzutreiben, der den Generator zum fünfundzwanzigsten Mal repariert, bevor man sich einen neuen leistet. Nirgendwo im Irak gibt es derzeit eine lückenlose Stromversorgung. Mit Wasser sieht es nicht besser aus. Erbil, die Hauptstadt der drei nordöstlichen Provinzen, die schlechthin als Irak-Kurdistan gelten und weitgehende Autonomie genießen, ist seit dem Sturz Saddam Husseins um fast das Doppelte gewachsen. Heute wohnen hier 1,3 Millionen Menschen. Der rasante Zuzug vor allem aus dem vom Terror geplagten Bagdad und den an die Hauptstadt angrenzenden Provinzen, hat die Stadtplaner vor schier unlösbare Probleme gestellt. Strom und Wasser wurden aufgeteilt und in einigen Vierteln so knapp, dass eine Welle des Protestes über die Stadtväter hereinbrach. Inzwischen ist ein neuer, privater Stromerzeuger aufgetreten und ans Netz gegangen. Doch die technischen Voraussetzungen für die alten Stadtviertel müssen erst noch geschaffen werden, um die Zufuhr zu gewährleisten. Für die neu entstehenden „Traumstädte“ ist dies schneller wahr zu machen.

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