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Weltreise im Kopf

Ich weiß schon, warum ich Wettervorhersagen selten nutze: Denn wenn es schön ist, freue ich mich am Morgen ohnehin, und wenn es schlecht wird, deprimiert es mich schon Tage im Voraus. So wie jetzt: 16 Tage Wolken sehe ich da in der Vorhersage für München. Na toll.

Kein Wunder, dass ich gedanklich permanent in andere Weltregionen abschweife. Meine zweijährige Tochter sprach, als ich kürzlich “Urlaub” hatte, davon, dass Papa “Urwald” habe und wir auch dorthin, nämlich in den “Urwald” fahren würden. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn “der Papa” ein bisschen “Urwald” hätte. Ab und zu würde ich dann dorthin reisen und mich mit der Machete zum Baumhaus durchschlagen und von dort mit meinen Kindern Papageien und Affen beobachten. Und wer mich dann mal in München fragt, ob ich wirklich “Urwald” habe oder nur “Urlaub”, dem könnte ich lässig antworten. “Ja, Urwald! Aber nicht viel. Nur ein paar Hektar und halt die Landepiste für mein Flugzeug”.

Weil ich tatsächlich aber keinen “Urwald” habe, war ich umso dankbarer, als mir Mitte letzter Woche “Mr. Pietersen” schrieb, per Mail. Ich hätte, so schrieb er, einen Termin mit ihm, um 15.30 Uhr an der “Timour Hall Primary School” in Plumstead bei Kapstadt, Südafrika. “Wir müssen ein paar Dinge besprechen”, schrieb er. Da “Mr. Pietersen” meine korrekte Emailadresse benutzt und die Mail nicht im Spam bei all den Pseudo-Mahnungen gelandet war, musste ich tatsächlich kurz überlegen: Hatte ich vielleicht tatsächlich einen Termin in Südafrika? Nein, leider nicht. Aber ich könnte ihn ja trotzdem wahrnehmen…

Ich suchte nach der “Timour Hall Primary School”. Es gibt sie wirklich. Und sie sieht nett aus. Ich beschloss, das Schicksal herauszufordern: Sollte ich im Lotto gewinnen, fliege ich spontan hin
zu diesem Termin und “Mr. Pietersen”. Am Samstag nach dem Einkaufen beim Bäcker füllte ich einen Lottoschein aus.  Leider machten am Abend die Kugeln die Aktion nicht mit. Ich hatte keine einzige der Zahlen.

Da der Termin am gestrigen Montag um 15.30 Uhr gewesen wäre, schrieb ich am Sonntagabend meine erste Mail nach Südafrika – ich will es mir ja nicht mit der “Timour Hall Primary School” verscherzen: “Dear Mr. Pietersen”, schrieb ich, und dass ich absagen müsse.

Bisher hat “Mr. Pietersen” leider nicht geantwortet, vielleicht hat er den echten “Mr. Martin” noch gefunden. Vielleicht aber lädt er mich ja nochmal ein – und übernimmt die Reisekosten. Ich wäre bereit. Innerhalb der nächsten 16 Tage auf alle Fälle.

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