Wir berichten aus mehr als 160 Ländern –
aktuell, kontinuierlich und mit fundiertem Hintergrundwissen.
Wer glaubt, der größte Kampf im Champions-League-Finale fände auf dem Rasen statt, weiß noch nichts von den eigentlichen Dramen, die dieses Spiel bereithält. Unten mögen die Spieler rennen, doch schwitzen wird
man oben auf der Tribüne, dort, wo die Reporter des in Rom ansässigen Staatssenders „Rai“ sitzen. Denn sie müssen am Samstagabend schreckliche Dinge sagen, Dinge wie „Swains-Taigere“, „Bats-Tubere“ oder „Miullere“. Und das womöglich über 120 Minuten.
Deutsche Mannschaften sind von Italienern manchmal, deutsche Namen nie zu besiegen. Also werden sich die Reporter mühsam mit der Vokalmachete durch undurchdringliche Konsonanten schlagen – um am Ende doch auf
ein völlig unbesiegbares Wortmonster zu stoßen wie „Hans-Jörg Butt“. Ich werde es mit Genuss verfolgen
Es klingt gehässig und ist auch so gemeint. Denn ich und meine Name, wir haben in vier Jahren in Rom genug eingesteckt. Schon in der Heimat wurde ich regelmäßig durch ein illegal einwanderndes „n“ zum Grenzbeamten („Zöllner“), in Italien wurde alles noch schlimmer. Vor allem mein geliebtes „ö“ wurde komplett ignoriert. Es fing an mit Namenskärtchen, die auf einen gewissen „Martin Zella“ hinweisen sollten und fand seinen Höhepunkt, als ich die Nennung meines Namens mit einem freilich unnötigen „Äh“ begann – worauf mir in aller Freundlichkeit eine Mappe mit der Aufschrift „Emartin Solar“ übergeben wurde. „Emartin Solar“, so werden einmal in 50 Jahren Putzmittel für Solarzellen heißen.
Ich gewöhnte mir also an, meinen Namen überdeutlich auszusprechen. Bevor ich ihn aussprach, schluckte ich, feuchtete meine Lippen an, drückte die Zähne auf einander um ihn dann in maximaler Deutlichkeit herauszustoßen. Das Ergebnis ließ zu wünschen übrig, die Menschen schauten mich ängstlich an. Sie glaubten, ich hätte sie auf teutonisch verflucht und warteten auf die Nennung des eigentlichen Namens nach dem so eben verklungenen, schrecklichen Geräusch.
Ich erhöhte die Trefferquote, nachdem ich mir das italienische Buchstabiersystem besorgt hatte. Lässig rasselte ich dann die passenden Städte herunter: „Zara Otranto Empoli Livorno Livorno Empoli Roma“. Je nach vermuteter Klugheit meines Gegenübers ließ ich „Empoli“ weg und sagte: „Auf Otranto noch zwei Punkte“. Es war ein großer Schritt. Das „ö“ kam langsam zu seinem Recht.
Dass ich wieder weitgehend Frieden mit meinem Namen geschlossen habe, liegt aber an einem fußballbegeisterten Pizzaliferanten. Soeben hatte ich Hausnummer und Namen – also die Reihe an Städtenamen – genannt, als aus dem Hörer kam: „Also wie Rudi Völler nur mit Z?“ Ja genau, bestätigte ich, genau, „wie Völler nur mit Z“. Das „ö“ hatte sich durchgesetzt – in Italien!
Seitdem führe ich mich überall als zweiter Rudi ein und es funktioniert immer, zumal Völler in Rom spielte. Mit seiner Hilfe wird mein Name nun korrekt geschrieben und obendrein eröffnet dies häufig eine angenehme Fußballdiskussion.
Am Samstagabend nun haben die Spieler des FC Bayern die Möglichkeit, ihre Namen für die italienischen Ohren unvergessen zu machen. Tausende Zweinsteigers, Zabstubers, van Zommels die einmal in Italien leben
wollen, werden ihnen danken. Nur Herr oder Frau Zutt sollten trotz allem ihre Namen weiter vorsichtig aussprechen, wenn sie sich auf „Ans-Jorge“ Butt berufen. Denn „Zutt!“, das klingt schon wieder wie
ein teutonischer Fluch.