Reportage | Leonie March

Königreich des Wassers: Lesotho versorgt den Süden Afrikas – was hat das Land davon?

2021-07-29

Lesotho exportiert Wasser nach Südafrika, obwohl Bürger über Trinkwasser-Mangel klagen. Der Zustand von Feuchtgebieten zeigt: Das Problem könnte sich weiter zuspitzen. Fotos: Roger Jardine Malerisch schmiegt sich der Katse-Stausee an die Berghänge, mäandert durch mehrere Täler, die glatte Wasseroberfläche reflektiert die Wolken im Hochland Lesothos.

Lesotho exportiert Wasser nach Südafrika, obwohl Bürger über Trinkwasser-Mangel klagen. Der Zustand von Feuchtgebieten zeigt: Das Problem könnte sich weiter zuspitzen. Eine Reportage von Leonie March. Fotos: Roger Jardine

 

Malerisch schmiegt sich der Katse-Stausee an die Berghänge, mäandert durch mehrere Täler, die glatte Wasseroberfläche reflektiert die Wolken im Hochland Lesothos. Das kleine Königreich in den Bergen, das vom Nachbarland Südafrika umgeben ist, gilt als Wasserturm der gesamten Region. Die Talsperre versorgt das südafrikanische Wirtschaftszentrum rund um Johannesburg seit 1998 mit Trinkwasser.

Sie ist das Herzstück des sogenannten Lesotho Highlands Water Project, das aus Staudämmen, Tunnelsystemen, Pumpstationen und Wasserkraftwerken besteht. Es gehöre zu den „erfolgreichsten grenzüberschreitenden Wasser-Management-Systemen der Welt”, heißt es voller Stolz von der zuständigen Behörde, der Lesotho Highlands Development Authority (LHDA).


„Das Wasser gehört Südafrika und nicht mehr uns”

Aber wenn Mothusi Seqhee auf die riesige glitzernde Wasserfläche schaut, dann sieht er etwas anderes: „Das Wasser gehört Südafrika und nicht mehr uns”, sagt er. „Wir können es nicht nutzen, wie wir wollen. Das ist ein Problem.” Seqhee arbeitet für das Seinoli Legal Centre – eine Nichtregierungsorganisation, die 2010 gegründet wurde, um die Interessen der Dorfbewohnerïnnen zu vertreten, die wegen dieses Großprojekts umgesiedelt oder enteignet wurden.

An diesem Wintertag ist er wieder einmal von der Hauptstadt Maseru über gewundene Passstraßen ins Hochland gefahren, um den Chief der Gemeinde Ha Lejone zu treffen. Der kleine Ort liegt auf rund 2300 Höhenmetern am nördlichen Ufer des Katse-Stausees: Kleine Geschäfte säumen die belebte Straße, Männer verladen Schafe auf einen Pick-Up. Traditionell aus Naturstein gebaute, grasgedeckte runde und modernere rechteckige Häuser mit Wellblechdächern verteilen sich über die Landschaft.

Seqhee parkt auf dem abschüssigen Gemeindeplatz neben einem Viehpferch und steigt den Hang ein paar Schritte hinauf. Eine Frau kommt ihm entgegen. Sie trägt eine karierte Decke um die Hüften – es ist kalt, außerdem gehören Wolldecken, die als Röcke, Umhänge oder Mäntel getragen werden, zur kulturellen Tradition in Lesotho. Sie begrüßt ihn herzlich, mit pandemischem Ellenbogen-Gruß.

Seit dem Staudamm ist im Dorf nichts mehr, wie es einmal war

Der Chief ist eine Frau: Seit 1991 ist Mammphole Molapo das traditionelle Oberhaupt ihrer Gemeinde. Damals war der Katse-Staudamm gerade im Bau. „Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war.” Sie setzt sich auf einen Plastikstuhl – mit Blick auf die Hauptstraße ihres Dorfes, über den Katse auf die Berghänge, von denen aus die Reste der letzten Schneedecke und vereiste Quellwasser-Bäche in der Sonne reflektieren.

Früher war Ha Lejone nur schwer erreichbar, seit die Teerstraße im Zuge des Staudamm-Projekts gebaut wurde, ist es einfacher ins Tiefland zu fahren. Das sei der einzige Vorteil, sagt Molapo. Denn unter dem Strich habe sich ihr Leben nicht verbessert. Bauarbeiter rückten nicht nur mit großen Maschinen an, sondern brachten auch HIV ins Dorf. Es gebe seitdem viele „soziale Übel”, sagt Molapo. „Viele Menschen sind gestorben, Kinder wachsen ohne Väter auf, Familien sind auseinandergebrochen.” Doch das ist noch nicht alles.

Früher seien sie Subsistenzbauern gewesen, erzählt Molapo. „Wir haben genug angebaut, um unsere Familien zu ernähren.” Sie dreht sich um und deutet in Richtung Staudamm: „Dort waren früher die Weidegründe für unser Vieh und unsere Maisfelder. Dort wuchsen wilde Gemüsesorten sowie Arznei-Pflanzen für unsere traditionelle Medizin.” Doch diese alten Zeiten sind buchstäblich untergegangen.

Das Tal mit dem von Bäumen gesäumten Malibamat’so Fluss wurde geflutet. Er speist einen der wichtigsten Flüsse der Region, der als Senqu River in Lesotho entspringt, als Orange River durch Südafrika, Teile Botswanas und Namibias fließt und nach rund 2200 Kilometern an der Grenze zu Namibia in den Atlantik mündet. Für das grenzüberschreitende Wassermanagement, Planung und Bewirtschaftung haben die vier Länder im Jahr 2000 die Orange-Senqu-River-Comission (ORASECOM) gegründet.

Lesotho exportiert Wasser ins Nachbarland Südafrika

Bereits 1986 hatten das kleine Lesotho und der große Nachbar Südafrika den Vertrag für das Lesotho Highlands Water Project geschlossen: Das bevölkerungsreichere, wohlhabendere Südafrika importiert demnach Wasser in großem Stil. Lesothos eigene Wasserversorgung, das Lowlands Water Supply Scheme, das die Hauptstadt Maseru versorgt, ist dagegen winzig. Doch der Zwergstaat mit zwei Millionen Einwohnern, der zu den Least Developed Countries gehört, brauchte Devisen und Wasser schien ein profitables Exportgut. (….)

 

Weiterlesen unter:  https://www.riffreporter.de/de/umwelt/lesotho-wasser-naturschutz-nachhaltige-entwicklung

 

Diese Reportage ist am 29.7.2021 im Rahmen des Riffreporter-Projekts Countdown Natur veröffentlicht worden. Die Recherche wurde vom European Journalism Centre gefördert.

via www.riffreporter.de

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