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Ausrede

 

Eigentlich hätte ich gestern bloggen sollen. Hat nicht geklappt. Es war mal wieder einer dieser Tage in Delhi…Wintertage…Nebeltage…

Das angebliche Hightechland Indien schafft es nämlich noch immer nicht, bei dem jeden Winter über Delhi hereinbrechenden Nebel einen geordneten Flugverkehr hinzukriegen. Mein Flug am Donnerstag sollte erst mit neun (!) Stunden Verspätung starten….was problematisch war, da mir die indische Regierung am nächsten Morgen in Delhi einen Preis verleihen wollte.

Nach langem Bitten und Betteln ließ mich “Emirates Airlines” (Zindabad!) auf einen bereits völlig überbuchten Flieger, der drei Stunden früher abhob. So habe ich es dann doch tatsächlich nach einer durchwachten Nacht geschafft in Delhi zu landen, in ein Taxi zu springen und zu meiner Wohnung zu fahren, in zehn Minuten neue Klamotten anzuziehen und pünktlich um 11.30 aus der Hand des Präsidenten des Indian Council for Cultural Relations (ICCR), Dr. Karan Singh, den “Gisela-Bonn-Preis” für besondere Beiträge zu den deutsch-indischen Beziehungen in Empfang zu nehmen.

Ich finde, das war schon selbst den Preis Wert. Danach fiel ich halbtot ins Bett. 

 

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Indische Selbstkritik (II)

 

Vor kurzem habe ich an dieser Stelle auf die bewundernswerte Fähigkeit zur Selbstkritik in Indien aufmerksam gemacht ("Gottverlassen", 6.8.2008). Dies könnte nun eine Serie werden, die ich anderen Nationen ans Herz legen möchte. Der neueste Fall: Ein unbekannter Kolumnist der "Hindustan Times" echauffiert sich über eine Aussage des Generalsekretärs der regierenden Kongress-Partei, wonach bei staatlichen Wohlfahrtprogrammen von einer ausgegebenen Rupie nur etwa fünf Paisa die Adressaten erreichen – der Rest des Geldes verschwindet in den Taschen der mit der Durchführung beauftragten Bürokraten.

Der Kolumnist schreibt: "Der neueste Korruptions-Perzeptions-Index von Transparency International wird einer aufstrebenden Macht wie Indien nicht gerecht. Dass Indien auf Platz 85 von 180 Ländern landet, ist eine Beleidigung für das wahre Potenzial des Landes. Wir brauchen bessere Methoden um das Phänomen zu messen. Denn, einfach ausgedrückt, Indien ist 100 Prozent korrupt. Unser wahrer und angemessener Platz ist 180, an der Seite von Somalia."

 

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Gottverlassen

 

Es gibt Dinge, die man als kultur-sensitiver Korrespondent mit Sympathie für sein Gastland nie schreiben würde. Deshalb ist es gut, wenn die Gastgeber manchmal selber Misstände so deutlich formulieren, wie man es sich nie trauen würde.

Das Oberste Gericht von Indien hat diese Woche die Regierung in Delhi und die Vertreter mehrerer Bundesstaaten scharf angegriffen, weil diese meinen, ein Gesetz, das es erlaubt, Regierungsbungalows straffrei zu besetzen, sei nicht änderungswürdig.

Dazu muss erklärt werden, dass Staatsdiener in Indien Regierungswohnungen erhalten. Je höher der Rang umso schöner die Bude, versteht sich. Und am schönsten sind die Bungalows der Parlamentarier in Delhi, die Anfang des 20. Jahrhunderts von dem britischen Stararchitekten Lutyens erbaut wurden. Da zieht man nicht gern aus, wenn man sein Mandat verliert. Und in der Tat weigern sich viele Abgeordnete, die das Volk längst per Stimmzettel in die Wüste geschickt hat, ihren offiziellen Bungalow zu verlassen. Was bei den Nachrückenden für verständlichen Unmut sorgt, müssen sie doch in weitaus weniger charmanten Neubauten Residenz beziehen.

 Das sehen auch die Obersten Richter so. Doch sie meinen offenbar, dass eine wohl abgewogene Erklärung in diesem Falle nicht weit bringt. Ich zitiere Richter B.N. Agarwal: „Die gesamte Regierungsmaschinerie ist korrupt. Sowohl die Zentralregierung als auch die Landesregierungen. Die hochrangigen Beamten gebrauchen ihr Gehirn nicht, wenn sie denn überhaupt eines haben. Wir haben die Nase voll von dieser Regierung. Es gibt keinerlei Verantwortungsgefühl und niemand schert sich um Gesetze und Richtlinien. Niemand in der Regierung arbeitet; die gesamte Regierung ist dysfunktional. Wenn wir Urteile verhängen, beschweren sie sich über Justiz-Aktivismus, aber wenn sie nicht mehr an der Macht sind, kommen sie an und verlangen Abhilfe.“

 An dieser Stelle vermerkt das Protokoll, das Richter G.S. Singhvi ihn mit folgenden Worten unterbricht: „Gott allein kann diesem Land helfen!“ Woraufhin Richter Agarwal antwortet: „Noch nicht einmal Gott kann diesem Land helfen. Gott ist ein stummer Zuschauer und fühlt sich hilflos. Der Charakter unseres Landes ist verloren. Wir sind hilflos.“

 Wenn Gott schweigt, sollte der Korrespondent nichts hinzufügen.

 

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Anmache, indisch

 

Das Nachtleben von Delhi kennt manches Lowlight. Eines davon ist die ohrenbetäubende Musik. In indischen Clubs ist es so laut, dass dagegen jedes vergleichbare Etablissement in der westlichen Welt wie ein Seniorennachmittag klingt. Dagegen kann man sich immerhin mit Ohrenstöpseln schützen, auch wenn das uncool ist.

Machtlos ist man hingegen gegen die Anbagger-Versuche indischer Männer, die sich, sagen wir einmal, nicht gerade durch Subtilität auszeichnen. Zwar kennt Indien nicht die Tradition romantischer Liebe, wie sie in Europa im mittelalterlichen Minnesang oder später in der Romantik gefeiert wurde. Aber immerhin gibt es hier das berühmte Kamasutra, dessen Autor Vatsyayana auch viel Interssantes zum Vorspiel im weiteren Sinne zu sagen hat. Doch das scheint out zu sein.

Stattdessen geht es immer gleich zur Sache, d.h. zu den entscheidenden Dingen im Leben also "mein Haus, mein Auto, meine Yacht". Und da die wenigsten so etwas besitzen, versuchen sie, Frauen damit zu beeindrucken, dass der Vater ein hochrangiger Abgeordneter der Kongresspartei ist oder "wichtige Informationen" für einen haben könnte. Wenn das fehl schlägt, kann es passieren, dass der Abgewiesene ein Empörtes: "Do you know to whom you are talking?" ausstößt.

Gestern kam ein Basecap-Träger in einem Club auf mich zu und zeigte mir das leuchtende Display seines Handys. Zum Reden war es wie immer zu laut. Darauf stand: "Du bist doch Journalistin. Was hältst Du von den steigenden Immobilienpreisen in Kalifornien?" Ich brüllte ihn an: "Warum sollte ich eine Ahnung von den Immobilienpreisen in Kalifornien haben?" Darauf brüllte er zurück: "Bist Du keine amerikanischen Journalistin?" Ich schrie: "Nein, Deutsche!" Er war sprachlos, presste ein "Sorrysorry" hervor und trollte sich an die Bar.

Offenbar wollte er mir signalisieren, dass er Immobilienmakler mit US-Kontakten ist, also Geld hat. Schade eigentlich. Hätte er das Kamasutra gelesen, hätte er Chancen gehabt. 

 

 

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Sex im Weltall

 

Haben Sie schon einmal Kokusnuss-Brandy von den Malediven getrunken? Wahrscheinlich nicht, denn die Flasche wird derzeit für eine Million Dollar angeboten – zusammen mit einem Besuch in der Destillerie und Unterkunft in einem Fünf-Sterne-Ressort. Das Ganze ist eine Werbemaßnahme. Wenn das Getränk im Herbst dieses Jahres auf den indischen Markt kommt, wird es vermutlich ein bisschen billiger sein.

Willkommen in der Welt der Neureichen Indiens! Frisch gegründete Lifestyle-Magazine namens „Envy“ oder „Spice“ überschlagen sich derzeit auf dem Subkontinent mit Tipps für Neo-Millionäre, wie sie ihre frisch erworbenen Rupien wieder ausgeben können: Sex im Weltall gehört ebenso dazu wie ein vergoldeter Grill. Nicht zur vergessen: Wein und Spargelessen – sündhaft teuer und den meisten Indern unbekannt. Dabei verdienen auch die Medien nicht schlecht: jeder Verlag hat inzwischen eine Lifestyle-Beilage. „Vogue“ will Ende des Jahres mit einer eigenen Ausgabe herauskommen.

Für das Land Mahatma Gandhis ist das ein völlig neues Phänomen. Bisher übte sich die Mittelklasse in Bescheidenheit. Geld wurde gespart, um den Kindern eine Ausbildung zu finanzieren und höchsten bei deren Hochzeit unter die Leute gebracht. Linke Publizisten betrachten den zur Schau gestellten Reichtum daher als Perversion in einem Land, in dem noch immer 80 Prozent der Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen.

Die Journalistin Madhu Trehan etwa wirft ihren Hochglanzkollegen vor, „Gehirnwäsche“ zu betreiben, damit „die Menschen Dinge kaufen, die sie nicht brauchen.“ Der Werbefilmer Prahlad Kakkar hingegen analysiert kühl. „Diese Magazine bereiten den Markteintritt von Marken wie Dolce & Gabbana, Hermès und Gucci vor.“

In der Tat ist Indien mit einem Wirtschaftswachstum von neun Prozent ein riesiger Markt. Nach einem Bericht von Time Asia, verdienen 1,6 Millionen Haushalte in Indien rund 100.000 Dollar im Jahr und geben ein Zehntel davon für Luxusgüter aus. „Die Leute haben mehr Geld zur Verfügung. Warum sollten sie es nicht ausgeben dürfen?“, fragt A.D. Singh, Besitzer des Luxusrestaurants „Olive“ in Neu-Delhi.

Ja, warum eigentlich nicht? Es gehörte zu den sympathischen Seiten Indiens, dass die Kluft zwischen Arm und Reich für ein Entwicklungsland relativ klein war. Die hitzige Diskussion über die Lifestyle-Magazine ist ein kleiner Rest des Gandhi’schen Ethos. Er ist vom Aussterben bedroht.

 

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Die Zeitung lebt

 

Wer befürchtet, dass die Zeitung ausstirbt, sollte nach Indien kommen. Möglicherweise wird sie hier noch überleben, wenn in Europa schon jedes Klo einen Internetzugang hat. Ich weiß nicht, wie viele Zeitungen Indien hat, aber für den Korrespondenten ist mit der Fülle die ganz praktische Frage verbunden: Was lesen?

Ich habe derzeit vier Tageszeitungen und ein Magazin abonniert, aber irgendwie habe ich immer noch den Eindruck, es ist zu wenig. Selbst nach kürzeren Dienstreisen stellt sich deshalb dieses Gefühl aus Studententagen ein, als „Die Zeit“ noch richtig dick und schwer war: Wenn man damals nicht dazu kam, sie zu lesen, hatte man entweder ein schlechtes Gewissen oder aber man verwandelte sich in einen „Messie“, der Stapel von Altpapier hortete, unter dem Vorwand, das alles noch lesen zu wollen.

Um nur einen kurzen Eindruck von meinem Lesepensum zu geben: Ich habe die „Hindustan Times“ abonniert, die ist wirklich unersetztlich, „The Hindu“ hat das beste Feuilleton, der „Business Standard“ ist die beste Wirtschaftszeitung und „Asian Age“ berichtet ausführlich über die muslimische Minderheit. Die Wochenzeitung „Tehelka“ ist eine Art indische taz und notwendig für jeden, der wissen will, was jenseits des Establishments passiert. Einmal im Monat kaufe ich auch das interessanteste Stadtmagazin in Delhi „First City“.

Aber eigentlich sollte ich auch noch die „Times of India“ und die „Economic Times“ lesen, weil jeder sie liest, und den „Indian Express“ wegen möglicher Scoops. Außerdem ist gerade eine neue Wirtschaftszeitung auf den Markt gekommen, „Mint“, die ist hervorragend und ich werde sie wirklich abonnieren. Was ich noch überhaupt nicht erwähnt habe, sind die Magazine, wie zum Beispiel „Outlook“ und „India Today“, die gute Hintergrundberichte liefern, und die Wirtschaftsmagazine.

Zum Glück hatte ich bisher keine Zeit, eine der 18 indischen Hauptsprachen oder gar der 1600 Nebensprachen und Dialekte zu lernen, denn auch die haben ihre Zeitungen. Damit entgeht mir bestimmt 80 Prozent von dem, was täglich in diesem Land geschrieben wird. Vielleicht sollte ich zwei Zeitungen weniger bestellen und stattdessen jeden Tag eine halbe Stunde Hindi lernen….

 

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Es lebe der indische Sozialismus

 

 

 

 

Wie nah in Indien trotz Wirtschaftsbooms noch immer der Sozialismus ist, konnte man mal wieder vor ein paar Tagen erfahren. Da spielten nämlich Herbie Hancock und Wayne Shorter ausgerechnet auf Einladung des American Centers im Siri Fort Auditorium in Delhi auf. Nicht dass ich etwas über die politischen Einstellungen der beiden wüsste. Aber während so ein Konzert in den meisten Städten dieser Größenordnung (13 Millionen Einwohner!) eine Musikveranstaltung unter vielen sei sollte, wurde der Auftritt der Jazz-Altmeister in Delhi zum gesellschaftlichen Ereignis par excellence.

Jeder redete davon, ob Jazz-Fan oder nicht, da so selten westliche Musiker auf dem Subkontinent auftauchen. Jeder wollte eine Karte haben, und selbst die, die anfangs nicht sonderlich interessiert schienen, gingen dann doch hin – und sei es nur, um alle ihre Freunde zu treffen und hinterher einen trinken zu gehen. Erstaunlicherweise war es dann gar nicht schwer, eine Karte zu bekommen.

Warum, stellte sich am Abend des Konzerts heraus: Das American Center hatte einfach so viele Karten gedruckt wie nachgefragt wurden. Leider erhöhte sich die Zahl der Sitze im Siri Fort Auditorium keineswegs automatisch, so dass sich bereits mehrere Stunden vor Veranstaltungsbeginn eine Kilometer lange Schlange vor dem Eingang bildete. „First come first served“ hieß es im Kleingedruckten auf der Karte. Mindestens die Hälfte der Leute kam trotz Karte nicht rein. Doch da das Konzert in guter alter sozialistischer Tradition umsonst war, konnte sich natürlich auch niemand so recht beschweren.

Warum das so war und warum dieses Konzert unter dem Motto „Helping to raise HIV-Aids Awareness“ stand, weiß ich auch nicht. Es gab ja noch nicht einmal Einnahmen, die man der Aids-Hilfe hätte spenden können. Wir gehörten zu den Glücklichen, die noch einen Platz bekamen. War echt ein super Konzert, zumal irgendwann auch noch Anoushka Shankar auf der Bühne auftauchte. Leider krachte das Kissen meines Sitzes bei jeder kleinsten Bewegung durch, aber auch das passte ins Bild.

Wie gesagt: So hab ich mir den Sozialismus immer vorgestellt. Wenn mal was Tolles los ist, zittert man erst darum, ob man dabei sein darf, was dem Ereignis einen Glanz gibt, den es nie bekommt, wenn man sich einfach so eine Karte kaufen kann. Dann trifft man alle seine Freunde dort und liest am nächsten Tag stolz darüber in der Zeitung, dass man bei einem der wichtigsten Konzerte des Jahres dabei war. Hat doch was, irgendwie.

 

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Tanz den Mahatma

 

Eine Video-Parodie auf Mahatma Gandhi erregt zurzeit in Indien die Gemüter. Der Film, den der in New York lebende Entertainer Gautham Prasad produziert hat, trägt den Titel „Time to get sexy“ und zeigt einen als Mahatma verkleideten Clown beim Pole Dance in einer Striptease-Bar, in Begleitung schöner Frauen und bewaffnet mit einer Maschinenpistole.

Aufgeschreckt von den empörten Reaktionen, die die harmlose Parodie bereits im Web hinterlassen hat, überlegt die indische Regierung laut Zeitungsberichten, ob sie die Video-Website YouTube, auf der das Filmchen zu sehen ist, dazu auffordern soll, den Beitrag zu entfernen oder lieber gleich ganz blockieren soll. Von zwei lokalen Fernsehsendern, die den strippenden Gandhi gezeigt haben, forderte Informationsminister PR Dasmunsi forsch eine „profunde Entschuldigung“, die diese ihm auch prompt gewährten.

Nach zahlreichen Emails, die dem Künstler den Tod androhen, unterstützt inzwischen sogar Gautham Prasad auf seiner eigenen Website, „all diejenigen, die die indische Regierung dazu auffordern, das Video zu verbieten“. Eine bessere Werbung hätte er sich kaum wünschen können.

Nach Salman Rushdie, den dänischen Mohammad-Karikaturen und der Absetzung der Oper „Idomeneo“ in Berlin, scheint dieser Fall nun selbst zur Parodie einer stets erregungsbereiten Öffentlichkeiten zu werden, die sich vom Subjekt ihrer Erregung vollständig gelöst hat.

Ich hätte der indischen Regierung daher auch noch einige Vorschläge zur Rettung des Erbes Mahatma Gandhis zu machen:

– Die Entfernung aller entwürdigenden Statuen von öffentlichen Plätzen (siehe Foto)

– Den Druck neuer Banknoten (ohne Gandhi-Porträt)

– Die Abschaffung der Unberührbarkeit

– Die Zerstörung aller Atomwaffen

– Zwei nackte Frauen ins Bett jedes Politikers, damit diese wie Gandhi testen können, ob sie ihre fleischlichen Begierden überwunden haben

 

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Präventivschlag

 

In Delhi grassiert derzeit das Dengue Fieber, eine Tropenkrankheit, die von Mücken übertragen wird und mit heftigen Gliederschmerzen einhergeht. 1731 Fälle wurden bereits gemeldet, 40 Menschen starben in den letzten Wochen daran.

Grund genug also für die Regierung, zu exorzismusartigen Vorsorgemaßnahmen zu greifen. Gestern wurden sämtliche Häuser in meiner Nachbarschaft ausgeräuchert. Das geht so: Ein Team von Ausräucherern kommt mit einem Gerät, das einem Staubsauger gleicht, aber die umgekehrte Wirkung hat. Unter höllischem Lärm stößt es Schwaden von dichtem Qualm aus. Keine Ahnung, welche chemischen Substanzen der Rauch enthält, aber er soll den Mücken den Garaus machen.

Ehe ich mich über etwaige ökologische Folgen informieren konnte, standen die Männer vom Gesundheitsamt in meiner Wohnung und gingen ans Werk. Sie begannen in den hintersten Räumen und qualmten rückwärtsgehend jeden Raum voll, wobei sie nach getaner Arbeit die Türen verschlossen und mir bedeuteten, dass diese nun für 15 Minuten nicht mehr geöffnet werden dürften.

Ziemlich überrumpelt beging ich einen strategischen Fehler: Ich folgte den Männern in den Hausflur. Ehe ich mich versah, waren sie die Treppe hinunter und begannen nun vom Hauseingang aus, diesen auszuräuchern, was mich daran hinderte, das Haus zu verlassen. Meine heftigen Proteste konnten sie wegen des Getöses ihrer Maschine nicht hören. Ich erkannte, dass die einzige Fluchtmöglichkeit durch die Wohnung auf die Terrasse sein würde.

Aber ach: Als ich die Haustür öffnete stand ich vor einer undurchdringlichen Rauchwand hinter der von der Wohnung nichts, aber auch gar nichts mehr zu erkennen war. Ich zögerte kurz: Sollte ich doch den Weg zurück durch den Hausflur wählen? Aber nein, das Höllengerät blies nach wie vor unter solchem Lärm Rauch in den Flur, dass ich Angst hatte, über die Maschine zu stolpern und mich auch noch zu verletzten. Vollkommen blind kämpfte ich mich – zum Glück ohne größere Kollisionen mit Möbelstücken – durch den Flur und das Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse.

Ob dies nun der Gesundheitsvorsorge dient? Mich erinnert es eher an die umstrittenen „pre-emptive strikes“, die vor nicht allzu langer Zeit unter amerikanischen Militärstrategen in Mode waren. Der deutsche Botschafter jedenfalls, den ich am selben Abend zufällig auf einem Dinner traf, fühlte sich von der Schilderung an eine Karikatur erinnert, die er kürzlich gesehen hatte: Sie zeigt einen Schiffbrüchigen, neben dem ein riesiger Hai aus dem Wasser auftaucht. Die Bildunterschrift lautet: Haie bewahren viele Schiffbrüchige vor dem Ertrinken.

Das ist natürlich eine vollkommen unpolitische Geschichte.

P.S. Ich wachte heute Morgen mit heftigen Halsschmerzen auf. Ob es wohl Dengue Fieber ist? Oder doch eher eine Rauchvergiftung? Ich tippe auf Kollateralschaden.

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