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„Scusate! Entschuldigung!“

„Scusate! Entschuldigung!“

Das italienische Staatsfernsehen ist furchtbar – aber diesmal habe ich ihm unrecht getan.

 

Ich muss mich entschuldigen, dass ich so schlecht gedacht habe vom italienischen Staatsfernsehen, der “RAI”. Ich schwöre, ich hatte “RAI” verstanden, die Abkürzung für “Radiotelevisione Italiana”. Ich habe es falsch verstanden. Es tut mir leid. 

Zunächst war alles normal: Kürzlich war ich mit deutschen Kollegen in Rom zu Abend essen, dann fragten wir nach der Rechnung. Der Kellner holte einen Notizblock und machte es wie so viele andere: Er notierte nuschelnd  Zahlen auf den Block und addierte sie zu einer Summe, schüttelte dann den Kopf, strich die Zahl dann theatralisch durch und sagte feierlich: “Ich mache euch einen Sconto, einen Preisnachlass”. Die Antwort: “Danke”, “Grazie”-Rufe in der Runde, der Kellner setzte eine Miene auf, die irgendwie zeigen sollte: “Für euch mach ich alles, auch wenn meine Kinder jetzt ohne Essen ins Bett müssen.” Großes Theater, aus meiner Sicht: Denn natürlich ist der Preisnachlass nur ein geschicktes Ablenkungsmanöver – wer kontrolliert jetzt noch die Rechnung, wo man doch “dankbar” sein muss? 

Soweit war alles normal. Das Neue an der Sache passierte, nachdem der Kollege nach einer steuerlich gültigen Rechnung gefragt hatte, einer “Fattura”. (Nebenbei bemerkt: Die Frage nach einer “Fattura” wird in vielen Restaurants und Geschäften als unfreundlicher Akt gewertet). Auf den Wunsch nach der “Fattura” hin schaute auch dieser Kellner zunächst empört, dann aber hellte sich seine Miene wieder auf, besser noch: Er schaute, wie ich fand, verschlagen. “Reicht Dir eine Fattura RAI?”, sagte er. (Ich schwöre, ich habe “RAI” verstanden). Wir nickten, ohne zu wissen, was das wohl wäre und fragten auch nicht weiter nach, als die Rechnung kam. Denn war nicht klar, was gemeint war? Eine “Fattura RAI”, eine “Rechnung RAI” musste irgendeine Mogelei sein, etwas wie: “Ich schreibe die Rechnung auf einem extra Quittungsblock: Du kannst die beim Finanzamt einreichen, aber ich muss es nicht.” Oder so.  Schnell waren wir uns einig: Die Rechnung wird “RAI” genannt, weil das italienische Fernsehen so unverschämt, nämlich unverschämt schlecht, ist. Oder: Die Rechnung wird wahrscheinlich “RAI” genannt, weil die Italiener die RAI wohl für derart korrupt halten, dass der Name “RAI ” stellvertretend für Betrug und Steuerhinterziehung steht, so wie “Tempo” für “Taschentücher”. Wir waren uns jedenfalls einig: Das ist eine großartige Geschichte!

Die Ernüchterung kam nun am gestrigen Vormittag, als ich bei meinem Nachbarn, Herrn Memé klingelte. Er ist Steuerberater. Ich konnte das Grinsen kaum unterdrücken und freute mich auf Lästereien über die “RAI”. Doch als ich “fattura RAI” sagte, sagte Herr Memé: “Ah, fattura R.A.”. “Nein, RAI”, sagte ich und zog das “i” meterlang zu “RAIIIIIIIII”. “Gibt es nicht”, beharrte Herr Memé. “Es gibt nur die fattura R.A.” Mein Grinsen verschwand: Nix war es mit der lustigen Geschichte. Herr Memé munterte mich auf: “Willlst Du wissen, was die fattura R.A. ist”, fragte er. Ich nickte langsam. Und so erklärte mir Herr Memé eine halbe Stunde lang das italienische Umsatzsteuerrecht.  So richtig verstanden habe ich nicht, was die “fattura R.A.” sein soll. Aber mit dem Staatsfernsehen, der “RAI”, hat es nichts zu tun.  Also: Scusami, entschuldige bitte, liebe RAI! Aber nur in diesem Fall: Denn schlechtes Programm machst Du trotzdem. 

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