NEU-DELHI, Monday September 21st, 2009
Britta Petersen
22.09.2009
Ich habe gehört dass in Deutschland jetzt auch unter Intellektuellen das Unpolitische in Mode sein soll. Wenn man in Indien lebt, kriegt man das erst mit einer gewissen Zeitverzögerung mit – dass Bücher mit Titeln “Warum ich mich nicht für Politik interessiere” erscheinen. Ich habe das Buch nicht gelesen, aber es frustriert mich ungemein, dass offenbar Leute nicht zur Bundestagswahl gehen wollen – in einem Moment wo ich gerade per ordnungesgemäßem Verfahren meiner Stimme beraubt wurde.
Ja, wirklich. Und ich kann noch nicht einmal “J’accuse” oder so rufen. Wenn man nicht mehr in Deutschland gemeldet ist, muss man sich nämlich erst wieder ins Wählerregister eintragen und dazu ein Formblatt ausfüllen, das dem entsprechenden Wahlamt bis zum 6.September vorliegen musste. Leider hat mein Brief aus Indien trotz “Speed Post” eine ganze Woche gebraucht und traf einen Tag nach dem Stichtag in Berlin ein. Perdu war mein verfassungsmäßiges Recht. Ich fühle mich auf einmal ganz ausgeschlossen.
Ich habe bereits einen Freund gefragt, der aus irgendwelchen Gründen zwei Mal die Wahlunterlagen zugeschickt bekam (ja, das gibt es nicht nur in Afghanistan!), mir einen Stimmzettel abzugeben. Aber er besteht darauf, zwei Mal zu wählen und dann der “Bild” davon zu erzählen. Auch legitim, jeder verdient seine fünf Minuten Berühmtheit.
Daher meine Bitte: Falls Sie auch zu den neuen Unpolitischen gehören: Könnten Sie mir nicht vielleicht ganz unbürokratisch Ihren Wahlzettel abtreten? Ich werde sicher guten Gebrauch davon machen!
Wahlpflicht finde ich ungeeignet. Die Politikmüdigkeit hat ja einen Grund, dem man politisch begegnen muss. Die Leute zum Wählen zu zwingen erhöht sicher nicht die Begeisterung für die Demokratie…
NEU-DELHI, Wednesday April 21st, 2010
Britta Petersen
Ah Deutsche und ihre Wahl-Launen …
Viele Australier lupften auch höflich bis perplex die Augenbrauen, als ich ihnen stolz meine erstmals rechtzeitig eingetroffenen Briefwahlunterlagene zeigte.
In OZ ist nämlich Wählen Pflicht (auf Nichtwählen steht $100 Strafe) und nur wenige kapieren, dass ich das ausgesprochen gerne tue. Laut Sydney Morning Herald sind wir aber eh alle zu spät, denn deren Europakorrespondentin hat gestern gemeldet, dass Deutschalnd schon letzten Sonntag gewählt hat. Schön, wenn man alles so gut im Blick hat … Und schön, dass es online Varianten der Zeitung gibt: in der wurde der peinliche Fehler heute flugs ausgemerzt …
aber back to Wahlpflicht: vielleicht könnte man wahlmüden Deutschen auch mit 100 Euro Strafe drohen. Da gäbs dann endlich mal wieder richtig Gejammer 😉