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Die Römer sind noch Römer!

 

Kürzlich war ich mit Freunden aus Deutschland zum ersten Mal seit zwei Jahren auf dem Forum Romanum. Ich fühlte mich ziemlich schlecht: Gäste, die nur ein Wochenende in Rom sind, entdecken nämlich für gewöhnlich mehr von der Stadt und haben einen viel größeren Ehrgeiz, als ich in meinen bisher fünf Jahren. Am Eingang fragte ich eine Dame im Auftrag meiner Freunde, ob man bei den Audioguides zwischen den Sprachen wechseln könne. Sie schüttelte den Kopf und machte: „Aut-Aut“. Au-was?  War das ein Hilferuf? Sie seufzte angesichts meines Nichtverstehens, deutete nacheinander auf zwei Kopfhörer und sagte in hilfsbereitem Englisch: „Or this-e, or this-e“.

„Grazie“, sagte ich mürrisch, weil ich wieder mal für einen Touristen gehalten worden war und griff zum deutschsprachigen Audioguide und dachte nach: Was war das eben, dieses „aut-aut?“. Da fiel es mir ein! Natürlich, „aut-aut“, das ist Latein! In Gedanken kehrte ich zurück ins Gymansium und ging in Gedanken für einen Moment mit den Protagonisten meines Lateinbuchs, „Claudia et Marcus“ in den „Circus“. Was wohl heutige Römer noch mit den Bewohnern ihrer Stadt vor 2000 Jahren gemein haben? Wie viel Blut von „Marcus“ wird nach Barbareneinfällen und dem Niedergang Roms noch in einem „Marco“ von heute stecken? Aber wenn sogar eine Frau an der Kasse Latein spricht? Sind die Römer noch echte Römer?

Seit ich die Frau an der Kasse „Aut-Aut“ sagen hörte, fallen mir ständig Römer auf, die lateinische Vokabeln benutzen – und zwar ganz normale Leute, keine Professoren oder Priester. So belauschte ich ein Gespräch zweier römischer Männer im Bus, natürlich ging es ums Essen, so wie in Rom jeder Smalltalk ums Essen geführt wird. Der eine empfahl dem anderen ein Restaurant, vor allem das dortige Tiramisu. Der andere winkte ab, weil er offenbar keines mag. Worauf der erste meinte: „Das würde ich nicht a priori ausschließen“. Ich wiederhole, es ging um Tiramisu, welches nicht „von vorneherein“ ausgeschlossen werden sollte. Es ging nicht um wissenschaftliche Thesen! Und als ich bei „Ciccio“, dem Betreiber der Videothek im Viertel – er brennt die Filme die er ausleiht auf DVD – nach einem spannenden Film fragte, empfahl er mir den Film „2012“ bei dem sich, so Ciccio, die Menschheit „in extremis“ gerade noch rette – in letzter Sekunde. Auch „Ciccio“ ist kein Professor aber spricht Latein. Alles fällt mir jetzt auf: Zeitungen die vom „iter“, dem „Weg“ schreiben, den ein Gesetz im
Parlament noch machen müsse. Und plötzlich verstehe ich Emails von Pressestellen, in denen als Hinweis zur Terminverschiebung „errata corrige“ steht.

Den allergrößten Beweis, wie römisch aber die heutigen Römer noch sind, liefern sie immer am Ende eines Konzerts. Wenn der Künstler sich verbeugt und von der Bühne geht, rufen die Deutschen „Zu-ga-be“. Und die Römer? Nicht „sup-ple-men-to“, auch nicht „ag-giun-ta“, was eine wörtliche Übersetzung wäre. Sondern sie rufen: „Bis!“ – was auf Latein „zweimal“ heißt. Da neuen Römer rufen „bis!“ wenn sie im „Stadio Olimpico“ stehen und Rocker Vasco Rossi eine Zugabe spielen soll; und die alten Römer riefen wahrscheinlich ähnlich fordernd „bis!“ wenn sie einen weiteren Kampf im Kollosseum sehen wollten. Was die Frage nahelegt, was unsere germanischen Urahnen eigentlich riefen, wenn sie vor zweitausend Jahren eine Zugabe forderten.

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