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Erst dachte ich, es wäre eingebrochen worden: Als ich vor ein paar Tagen nach Hause kam, sah ich schon vom Flur aus, dass im Wohnzimmer ein Bild auf dem Boden lag, das heute morgen ganz sicher noch an der Wand gehängt hatte. Hatten hier Einbrecher gewütet? Rasch ging ich ein paar Schritte weiter: Nein, alles in Ordnung, naja: bis auf das Loch in der Wand: Faustgroß! Ich drehte mich um zur Haustür, da lag ein Zettel, der durchgeschoben war: „Scusi“, stand da, „wir haben zu tief gebohrt.“
Schon seit zwei Wochen wir die Zahnarztpraxis neben meiner Wohnung renoviert was bedeutet, dass nie Ruhe ist: Denn entweder wird gebohrt, oder die Arbeiter singen oder erzählen sich Witze. Wenn ich nicht wüsste, dass der Staub schlecht für meinen Computer wäre, könnte ich auch gleich rübergehen, mich zwischen die Arbeiter setzen und sagen: „Ich schreib bei Euch, in Gesellschaft fällt es mir leichter.“ Auch ohne Bauarbeiten bekomme ich übrigens von meinen Nachbarn alles mit: Wenn ich Besuch aus Deutschland habe, rufen meine Freunde immer „Dein Telefon klingelt“ und wenn ich nicht reagiere „Martin, Telefon!“ – „Ist das vom Nachbarn“, antworte ich müde. Und als mein lieber Nachbar Andrea mir sagte, seine Frau, Arianna, sei schwanger geworden, war das für mich eigentlich auch keine Überraschung mehr. Mauern sind in Rom lediglich ein Sichtschutz.
Dank des Lochs in der Wand konnte ich jetzt mal einen seltenen Einblick in die Mauerkonstruktion gewinnen: Etwa ein fingerbreit Mauer, ein fingerbreit Luft, ein fingerbreit Mauer, aber das ist dann schon die vom Nachbarn. Vielleicht ist das wahnsinnig klever mit der Luft dazwischen, vielleicht gegen Schimmel zum Beispiel. Aber das Aufhängen von Küchenoberschränken erleichtert das nicht: Beim Einzug habe ich eine halbe Packung Dübel in die Wand gebohrt, bis ich ein gutes Gefühl hatte. (Und doch habe ich es nicht: Die schweren Teller tue ich nicht oben rein).
Ein bisschen bedauere ich es ja, dass ich nicht dabei war, als die Bauarbeiter das Loch zu mir rüber bohren. Ich hätte gern die Bohrerspitze aus der Wand treten, den Putz bröckeln und schließlich zwei Augenpaare die verdutzt zu mir rübergucken sehen: „Buona sera…..eh…..scusi“. Vielleicht werde ich auch selbst mal zurückbohren, wenn ich zu faul bin, rüberzugehen in die Zahnarztpraxis. Ich bohr dann einfach ein Loch in die Wand und übergebe der Sprechstundenhilfe meine Versicherungskarte. Man bekommt ja in Rom eh alles mit vom Nachbarn – da kann man doch gleich nachbarschaftliche Durchreichen bauen.