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Libanon zwischen Feuerwerk und Schusswechsel

„Michel Suleiman – die Würde der Nation“ – heißt es auf Bannern und großen Postern mit dem Konterfei des bisherigen Armeechefs und neuen Präsidenten. Personenkult wird im Nahen Osten ganz groß geschrieben und die Libanesen sind glücklich, dass sie wieder auf irgendjemanden stolz sein können. Dabei ist Michel Suleiman nur ein Verlegenheitskandidat, der kleinste gemeinsame Nenner im libanesischen Polit-Bazaar. Immerhin konnten sich die wichtigsten Mächte, die hinter den zerstrittenen politischen Lagern stehen, mit ihm anfreunden – also sowohl die USA und Saudi-Arabien auf der pro-westlichen Seite sowie Syrien und Iran auf der Seite der Opposition.

Dass mit Suleiman in der angeblichen Vorzeigedemokratie des Nahen Ostens der nun schon seit Jahren herrschende Trend einer Militarisierung des Präsidentenpostens fortgesetzt wird, scheint außer dem Kolumnisten Issa Goraieb von der Zeitung „L’Orient-le-Jour“ niemanden zu stören. Die Erwartungen an den 59jährigen Suleiman sind riesig. Wieder weht dieser frische Wind durch den Zedernstaat, der wispert „Jetzt wird alles anders“ und „Jetzt geht es aufwärts“. Der wehte mir auch 1998 ins Gesicht, als der damalige Armeechef Emile Lahoud das Amt übernahm. Er wurde mir damals von allen meinen Gesprächspartnern in den höchsten Tönen als Saubermann angepriesen, der endlich mit der Korruption im Land aufräumt, er sei der große politische Hoffnungsträger. Dann kam die Ernüchterung: Im Null-Komma-Nichts unterwarf Lahoud sich den Machtverhältnissen und wurde zu einem Instrument der syrischen Entscheidungsträger im Land. Schließlich, als Syrien nicht mehr hoch im Kurs stand, demontierte ihn der Westen und stellte ihn kalt. Aber davon redet jetzt niemand, denn die Libanesen sind in Feierlaune, das Land trägt mit Nationalflaggen und Suleiman-Postern sein Festtagsgewand. Man will es sich gut gehen lassen, wenigstens für ein paar Tage. Die Börse zeigt seit Tagen Hochstimmung, Politiker versprechen eine traumhafte Sommersaison. Die Libanesen wollen endlich wieder das tun, was sie am besten können: Geschäfte machen. Doch ein Restaurantbesitzer im Hafenstädtchen Byblos, der seit drei Jahren strampelt, um sich über Wasser zu halten, winkt ab. „Wir leben von einem Tag zum anderen. Unseren Politikern ist alles zuzutrauen. Dies ist der Libanon, vergessen sie das nicht.“ Weise Worte, gelassen ausgesprochen.

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