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Nicht unter Geiern, aber nah genug dran

 

150 Kilometer von mir, einmal über den Bergpass hinüber, ist die raue, einsame Westküste, wo die Nachfahren von Goldwäschern und Pionieren leben. Da sagen sich Hase und Igel gute Nacht (und legen sich dann in eine der illegalen Marihuana-Plantagen schlafen). An der West Coast hat sich in den letzten Tagen ein immer größeres Drama abgespielt, das gestern seinen traurigen Höhepunkt fand: 29 Bergleute starben nach einer zweiten Explosion in einer Kohlemine. Seit Freitag waren sie vermisst, ihre Leichen sind noch immer unter Tage. Es ist die größte nationale Tragödie seit über 30 Jahren – das ganze Land trauert. Normalerweise überlasse ich die Katastrophennachrichten den Agenturen. Aber ich halte das Telefon frei, da Live-Schaltungen zu deutschen Sendern geplant waren, und habe seit dem Wochenende wie vor einer Niederkunft die gepackte Tasche im Flur, falls ich doch noch die vier Stunden bis Greymouth fahren muss. In dem kleinen Küstenort wimmelt es von den „Geiern“, wie meine Kollegen jetzt wieder tituliert werden. Die australischen Journalisten machten sich besonders unbeliebt, weil sie den Chef der Einsatzleitung einen „country cop“, also Dorfpolizisten, nannten. Unter Geier komme ich jetzt doch nicht. Nur, wenn die Bergleute nach einer gebührend langen Zeit im Stollen überlebt hätten, wäre das eine weltweit einmalige Nachricht gewesen – ein zweites ‚Wunder von Chile‘. So war es aus internationaler Sicht nur ein weiteres Minenunglück.

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