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Es gibt ja viele Dinge, in denen man von “den” Römern gar nicht sprechen kann, weil etwa die einen Fans von Lazio Rom sind, die anderen von AS Rom, die einen links des Tibers wohnen, die anderen rechts, die einen Auto fahren und die anderen Moped. Doch in einem sind sich alle in einem fast unheimlichen Maße einig. Es ist das Gebot: “Du sollst keinen Käse in die Nähe einer Pasta mit Fisch kommen lassen.”
Wie genau dieses Gebot überwacht wird, habe ich jetzt wieder erlebt: Das Restaurant “il Trionfo” in der Nähe des Vatikan, ich esse zu Mittag. Ein paar Tische weiter sitzt ein Urlauberpärchen. Claudio, der Chef, ich kenne ihn ganz gut, bringt ihnen das Essen: zwei Teller mit Spaghetti und Muscheln: “Prego!” Man bedankt sich, beginnt – doch nach zwei Gabeln steht die Frau auf, geht ins Innere von “Il Trionfo” – und kehrt mit einer Schale Parmigiano zurück: Noch nie habe ich Claudio so schnell laufen sehen. An drei Tischen vorbei eilt er auf die Frau zu und nimmt ihr den Käse wieder weg. “Sorry. No cheese with fish.” Claudio brachte dann den Parmigiano wieder ins Lokal mit einem Gesichtsausdruck, als sei er fest entschlossen, nun einen Parmigiano-Tresor in sein Restaurant einzubauen. Käse über seine “Spaghetti alle Vongole” zu streuen fügt ihm noch mehr Schmerzen zu, als wenn ein Gast NACH dem Essen Cappuccino bestellt.
Ähnliches erlebe ich, wenn ich in einer Bar ein Tramezzino bestelle, das sind diese Weißbrot-Dreiecke mit leckerer Füllung. Besteht es aus Schinken und Mozzarella bietet der Barmann von sich aus an, ob man seine Tramezzino aufgewärmt möchte. Ist etwas anderes drauf, muss man regelrecht darum kämpfen, vor allem, wenn sich im Tramezzino nur ein Molekül Thunfisch oder Mayonese befindet. “Könnten Sie es aufwärmen?” frage ich und der Barmann lächelt mich ungläubig an: “Bist Du Dir sicher? Aber da ist Thunfisch drin!”, als habe man es nicht gemerkt. Sagt man dann “Weiß ich schon, va bene”, wird das Tramezzino “auf eigene Verantwortung” in einen dieser italienischen Flachtoaster gelegt und angeschaut, als hätte man soeben angekündigt, ohne Seil Bungee springen zu wollen. Ich warte nur darauf, dass ich einmal nach einer Einveständniserklärung meiner Eltern gefragt werde.
Die strengen italienischen Regeln haben aber auch etwas Gutes, denn: Wer schon auf harmlose Experimente verzichtet – Käse zu Fisch, aufgewärmte Tramezzini – macht auch keine Erfahrungen, die wirklich schrecklich sind. Kürzlich erzählte ich Claudio etwa von dem Rezept für “Vollkornspaghetti mit Kohlrabi” für das – “total lecker” – eine Nutzerin in einem deutschen Kochforum warb. Sorgte das bei Claudio schon das für Entsetzen sah ich Panik in seinem Gesicht, als ich von einem weiteren “Koch-Tipp” für “Sauerkraut-Spaghetti” erzählte, für das andere Nutzer “Verfeinerungen” mit Kümmel, Ananassaft und H-Milch vorschlagen. “Du machst doch Witze!”, sagte Claudio und wechselte das Thema als hätte er Angst, von diesem Rezept zu träumen. Ich ersparte ihm dann, dass ich kürzlich in Deutschland von einem Freund “bekocht” wurde – es gab in kleine Stücke zerbrochene Spaghetti mit einer Soße aus Hüttenkäse und Tomatenmark.
Manchmal finde ich aber, ist der kulinarische Fundamentalismus auch übertrieben – wie können es die Römer etwa ernsthaft für die einzig richtige Form des Frühstücks halten, sich morgen zu einer Mini-Pfütze schwarzen Kaffee ein mit Pudding vollgeschmiertes Hörnchen zuzuführen? Meine ehemaligen Mitbewohner versuchte ich, für ein opulentes Frühstück mit Rührei und Aufschnittplatten zu missionieren, ohne Erfolg. Oder was ist schlecht an Gurkensalat mit einer Joghurtsoße – als ich ihnen das einmal vorsetzte, wurde ich mit grübelndem Unverständnis angeschaut wie das Orakel von Delphi. Ein einziges Erfolgserlebnis kann ich vermelden: So groß das Entsetzen im Freundeskreis war, als ich einmal Cola und Orangenlimo vermischte, so selbstverständlich trinkt es jetzt etwa mein Freund Saverio. In ein paar Monaten werde ich mich vielleicht trauen, zu einem Abend mit Sauerkrautspaghetti einzuladen.