Moderation | Alexander Musik

Anreden gegen die TikTok-Welt

2024-01-23

Jüdisch-muslimische Workshops an Schulen

Alma Mannsberger, gläubige Muslima und vor den Bosnienkriegen nach Österreich geflohen, und Vladimir Vertlib, in eine jüdische Familie im sowjetischen Leningrad hineingeboren, leiten in Schulen Workshops, um gegen Vorurteile, Ignoranz und pauschale Diffamierungen anzugehen, die besonders nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel auch in Österreich wieder aufgeflammt sind.

“”Einerseits – andererseits” – eine höchst unpopuläre Haltung in unserem von Seuchen, Naturkatastrophen, Massakern, Vertreibungen und Kriegen geplagten TikTok-Jahrzehnt”, hat Vertlib über diese Workshops kürzlich in einem Essay in der Tageszeitung Die Presse geschrieben.

Mannsberger und Vertlib besuchen Klassen verschiedener Schulformen an unterschiedlichen Orten Österreichs. Eine Muslima und ein Jude treten zusammen auf, diskutieren auf Augenhöhe und ohne Tabus mit den Schüler:innen, oft mit Wurzeln in Bosnien, dem Kosovo, Tschetschenien, der Türkei oder Afghanistan. Viele von ihnen, schreibt Vertlib, wissen gar nicht genau, was am 7. Oktober 2023 passiert ist. Als Schulfremde haben Mannsberger und Vertlib beim Ausbreiten von Hintergrundwissen – und persönlichen Erfahrungen – mehr Spielraum als die Lehrkräfte selbst, die sich nicht politisch positionieren dürfen oder mit dem Nahost-Konflikt nur bedingt auskennen.

“Ich habe keine Angst davor, dass mich diese jungen Leute aufgrund meiner jüdischen Herkunft als “Feind” sehen”, so Vertlib: “Mehr als vor deren Aggressionen fürchte ich mich vor meinen eigenen Emotionen, habe Angst, das Falsche zu sagen, durch Spott und sarkastische Bemerkungen alles schlimmer zu machen, statt zu deeskalieren.”

Alma Mannsberger hat während ihres Studiums als Nachhilfelehrerin und dann als Lernbetreuerin und Betreuerin in einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Salzburg und Hallein gearbeitet. Seit 2018 ist sie Freizeitpädagogin in einer Sonderschule. Die gebürtige Bosnierin und vom Krieg traumatisierte Mannsberger weiß, was es bedeutet, in der Fremde aufzuwachsen, an unsichtbare Grenzen im neuen Land erst zu stoßen und sie dann zu überwinden.

Vladimir Vertlib hat selbst eine Odyssee hinter sich. Sie führte aus der Sowjetunion über Israel, Italien, die Niederlande und die USA, bevor sich die Familie 1981 in Österreich niederließ. Für ihn geben nicht zuletzt diese Migrationserfahrungen den Auftritten vor den Schüler:innen die nötige Glaubwürdigkeit: “Wir brauchen uns nichts vorzumachen; auf schöne Phrasen oder “pädagogisch wertvolle” Betulichkeit können wir verzichten. Unsere Gemeinsamkeiten wiegen die Unterschiede auf.”

Welchen Vorurteilen begegnen sie bei ihren Workshops? Gibt es Momente, wo sie am liebsten alles hinschmeißen würden? Welchen persönlichen Mehrwert ziehen sie aus den Diskussionen mit den Schüler:innen?

Alexander Musik spricht mit dem Schriftsteller und Publizisten Vladimir Vertlib und der Erziehungswissenschafterin Alma Mannsberger über ihre Workshops an österreichischen Schulen.

Wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Kostenlos aus ganz Österreich können Sie uns unter 0800 22 69 79 erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Am 12. Februar erscheint das neue Buch von Vladimir Vertlib, “Die Heimreise”, im Residenz Verlag.

Sendereihe

Gestaltung

  • Alexander Musik
via oe1.orf.at

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