Interview | Christoph Drösser

„Dass sich das Grundklima geändert hätte, kann ich wirklich beim besten Willen nicht erkennen“

2023-03-01

Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub über den Begriff der Cancel Culture – und wie er aus den USA nach Deutschland kam

Adrian Daub ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der amerikanischen Stanford University. Er schreibt als Autor für Zeit Online, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sowie die Neue Zürcher Zeitung. Christoph Drösser hat mit ihm in San Francisco über sein neues Buch Cancel Culture Transfer gesprochen.

 

Der Begriff „Cancel Culture“ ist erst ein paar Jahre alt. Was bedeutet er eigentlich?

Das ist schon eine schwierige Frage und hängt ganz davon ab, wen man fragt. Eine Kultur der Desinvestition, eine Kultur des Keine-Aufmerksamkeit-Mehr-Schenkens. Der Begriff „Canceln“ ist schon einigermaßen alt, aber er hat auch wahrscheinlich deshalb in den letzten Jahren so reüssieren können, weil man alles mögliche in ihn rein interpretieren konnte. „Canceln“ hieß mal: Mit dem oder der ist es vorbei, häufig bei Beziehungen. „Cancel Culture“ ist jüngeren Datums. Der Begriff fiel vor allem in Online-Foren wie Twitter, Tumblr und Reddit. Es war eine selbstregulative Bezeichnung, es wurde benutzt, wenn Menschen über Gebühr persönlich angegriffen wurden: „Na ja, ihr habt ja alle in der Sache recht, aber jetzt wird es so ein bisschen Cancel Culture, vielleicht rudern wir mal wieder ein Stückchen zurück.“ Es war eine Form der Selbstkritik der Linken.

 

Wie gelangte der Begriff dann in den Mainstream?

Als die traditionellen Medien es dann 2018 und 2019 aufgriffen, wurde der Begriff sehr schnell kombiniert mit dem, was vorher political correctness hieß. Und dann ging es plötzlich um ausgeladene Redner, um eingestellte Editionen von Büchern, um Universitätskurse, die abgesetzt wurden. Und mittlerweile ist es ein Schlagwort geworden, mit dem rechtsliberale Intellektuelle bevorzugt nicht-weiße junge Menschen abstempeln, häufig in Verbindung mit einem weiteren Wort, das derzeit inflationär fällt und das sich keiner so richtig zu definieren die Mühe macht: „Identitätspolitik“.

 

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