Kolumne | Klaus Bardenhagen

Hasswort: „Abtrünnige Provinz“

2018-05-01

Taiwan kommt selten in deutschen Medien vor - und wenn doch, dann oft im Zusammenhang mit Chinas Machtanspruch. Um zu erklären, wo das Problem eigentlich liegt, benutzen Journalisten gerne den Satz: „China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz." Als sei damit der Taiwan-Konflikt auf den Punkt gebracht und alles Wichtige gesagt. Ist es aber nicht.

Die Floskel von der „abtrünnigen Provinz” ist sachlich falsch, unzulässig vereinfachend und moralisch fragwürdig.

In dieser Rubrik geben wir Autoren die Gelegenheit, über ihr persönliches Hasswort zu schimpfen. Eine Redewendung oder Formulierung, die nervt, sinnlos ist oder gerne falsch eingesetzt wird – die man aber ständig hört oder liest, in Texten, im Radio oder im Fernsehen. Mehr Hasswörter finden Sie hier.

„Abtrünnig” ist zunächst einmal kein neutraler Begriff. Abtrünnige sind Vertragsbrecher, Verräter, sie sind schuldig. Suggerieren deutsche Medien also, die 23 Millionen Einwohner Taiwans seien selbst schuld daran, dass China sie permanent bedroht? Dass es sein Militär für eine mögliche Invasion ihrer Insel aufrüstet, ihren internationalen Spielraum beschränkt, ihre mühsam errungene Demokratie unterminiert?

Natürlich nicht, würde die Antwort wohl lauten. Wir geben nur Chinas Position wieder, und wir machen sie uns nicht zu eigen. Doch die ständige, nicht hinterfragte Wiederholung der „abtrünnigen Provinz” sorgt dafür, dass dieses Etikett an Taiwan haften bleibt.

Der Irrsinn dabei: China selbst bezeichnet Taiwan überhaupt nicht als „abtrünnige Provinz” – und hat es wohl auch nie.

via uebermedien.de

Newsletter

Es gibt Post!