Russian Angst

Thomas Franke, Edition Körberstiftung

In der Mitte des Platzes bildet sich ein Menschenknäuel. Polizisten bücken sich, schauen den Spaziergängern durch die Beine: »Genosse General«, sagt einer in sein Funkgerät, »sie bauen ein Zelt auf!« Die Uniformierten werden hektisch. Ein Zelt vor dem Kreml. Der GAU für die Sicherheitskräfte. Zelte gehen gar nicht. Zelte symbolisieren demokratischen Umbruch. Das gilt es zu verhindern.

Das war 2012. Und damit so etwas nicht erfolgreich ist, setzt das Regime seine Gegner unter massiven Druck. In den letzten fünf Jahren ist die Angst nach Russland zurückgekehrt.

»Russian Angst« ist kein klassisches Korrespondentenbuch. Es erzählt von der Rückkehr der Angst in Russland und vor Russland. Es geht darum, wie absurde Gesetze ihre Wirkung entfalten und Menschen einladen, andere anzugreifen – verbal wie körperlich. Es geht um junge Menschen, die sich anmaßen, moralisch über anderen zu stehen, und daraus das Recht ableiten, diese zu unterdrücken. Es macht Angst, wenn die Polizei dieser Amtsanmaßung keinen Riegel vorschiebt, sondern sie sogar unterstützt. Es macht Angst, wenn in Kindersendungen Krieg verherrlicht wird und im Kindergarten Panzer statt Marienkäfer gemalt werden. Es macht Angst, wenn Putin sagt: »Wir sind ein Siegervolk! Das liegt in unseren Genen! Die Schlacht um Russland geht weiter! Der Sieg ist unser!«

In den letzten Jahre ist der Eindruck entstanden, als rüsteten sich Teile der Bevölkerung für die Fortsetzung eines imaginären Krieges. Eines Krieges gegen westliche Werte, gegen freie und offene Gesellschaften. Und die landesweiten Fernsehsender beschallen die Bevölkerung mit einem Ausschnitt und einer Interpretation des Weltgeschehens, für die der Begriff »postfaktisch« grob verharmlosend ist.

Für die meisten, die nach 1968 aufgewachsen sind, ist das Bedrohungsgefühl neu. In den liberalen Schulen in Westdeutschland ging es zwar mehrfach im Unterricht darum, Freiheit zu verteidigen. Es ging aber meist um das Dritte Reich, seltener um die Diktatur in der DDR oder der Sowjetunion. Es war einfach, sich auf der richtigen Seite zu sehen und sich mit den Dissidenten zu identifizieren.

 

Leseprobe:
http://russianangst.de/leseprobe-russianangst.pdf

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