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Alles muss raus

Der Hammer fällt, die Masse drängt. Eines der ersten Objekte, die am Nachmittag im Stockholmer Auktionshaus Bukowskis aufgerufen werden, ist ein 30 Jahre alter Plüschsessel in Moosgrün mit Schafsfellkissen. Ein bleicher Cineast im Strickpullover begehrt das Requisit. Zu seiner Verzweiflung sind 3000 Euro geboten. Für ein hölzernes Modell des Musentempels Dramaten wird wenig später gar der Rekordpreis von über 100 000 Euro gezahlt.

Ingmar Bergman gab sich im Leben unnahbar. Der Regisseur hauste zuletzt auf der einsamen Ostseeinsel Fårö. Mit seinem verbeulten Geländewagen fuhr er allabendlich hinüber in sein privates Kino, wo er sich vergessene Streifen ansah, aus den Zeiten als die Bilder laufen lernten. Penibler als jedes Bühnenstück wurde der Alltag inszeniert, mit handschriftlichen Regieanweisungen an die Haushälterin. Der Augenmensch umgab sich daheim mit gelber Auslegeware, roten Sofas und Kiefernholz. Seine Leibspeise waren Fleischklopse mit Preiselbeeren.

In seinem Haus starb der Filmemacher im Juli 2007 im Alter von 89 Jahren. Eigensinnig und rätselhaft bis zum Schluss hatte der Meister in seinem Testament verfügt, dass sein irdischer Nachlass und alle seine Besitzungen auf der Schafsinsel „an den Höchstbietenden“ zu verkaufen seien.

So bat man heute neben allerhand Hausrat auch Szenen-Skizzen, Reisekoffer und Pokale feil. Eine Standuhr aus dem 18. Jahrhundert schmückt den Fundus, ein seltener Munch und eine hübsche Laterna Magica. Kulturhistorisch wertvoll sind auch die Schachfiguren, mit denen Max von Sydow 1957 in „Das siebente Siegel“ gegen den Tod um das Leben spielt.

Als einziges von acht lebenden Bergman-Kindern müht sich die norwegische Schriftstellerin Linn Ullman, zumindest Wohnhaus und Kino vor dem Ausverkauf zu bewahren. Auch der frühere Ministerpräsident Ingvar Carlsson spricht sich für die Errichtung eines Künstlerzentrums auf Fårö aus. Doch auf Staatshilfe dürfen die Filmfans nicht hoffen. Wie schon bei Volvo und Saab hat die marktliberale Regierung kein Problem damit, das nationale Kleinod auf dem Basar zu verhökern. Man habe sich bereits bei der Digitalisierung alter Bergman-Streifen engagiert, betont Henrik Toremark vom Kultusministerium. „Wir können doch nicht mit Steuergeldern ein Haus kaufen und bei Auktionen mitbieten. Das ist nicht unsere Aufgabe.“

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