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Biometrische Reziprozität

Im Gespräch unlängst mit einem österreichischen Diplomaten kam das zugespitzt-gespreizte Wort “Reziprozität” auf. Ich wollte wissen, warum unsere Volksvertreter sang- und klanglos akzeptieren, dass die japanische Einwanderungsbehörde europäischen Staatsbürgern zwei Fingerabdrücke  sowie ein Digitalfoto abverlangt – und zwar bei jedem Japan Besuch.  Die Logik wäre, wenn die Japaner weiter auf diese Regelung bestehen, dann müssen eben alle Japaner, die nach Europa kommen, ebenfalls die gleiche Prozedur über sich ergehen lassen.  „Biometrische Reziprozität wäre angebracht,“ meinte der Diplomat und fügte hinzu, „aber Europa ist derzeit ein führungsloser Koloss.“ Dabei sind es in Japan nur zwei Finger und nicht – wie in Amerika – zehn (wo zudem auch der Harddrive vom Laptop kopiert werden darf). Aufgelehnt hat sich dagegen bisher nur Brasilien: Im Januar 2004  mussten zum ersten Mal Amerikaner (und nur Amerikaner)  ihre biometrischen Daten  am Guarulhos International Airport in Sao Paulo abgeben –  so wie es von allen Brasilianern (und der Welt) auf den US-Flughäfen verlangt wird. (Die Amerikaner haben protestiert. „Das Fingerprinting von US-Bürgern sei diskriminierend!“) Die Frage ist, kann man dieser vor sich hinfressenden Eigendynamik, die wahllos Privatdaten unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung hortet, einen Riegel vorschieben? Der einzelne europäische Reisende an Japans und Amerikas Grenzen kann da gar nichts ausrichten. Verantwortung auf die Europäische Gemeinschaft schieben, bringt wenig. Stattdessen bei Vertretern in den einzelnen Aussenministerien anfragen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass wir reziprozitätslos Dastehen, wäre vielleicht ein angebrachter erster Schritt, besonders für Journalisten. Dabei muss ich den Japanern zugute halten, dass  sie sich bei der Datenabnahme zumindest schämen. Sonst hätten die Einwanderungsbeamten auf ihren Kontrolltischen nicht Bildschirme stehen, die ausländische Besucher mit lieblichen Comic-Figuren – verbeugend, lächelnd – zu beschwichtigen suchen,  bis dann die Aufforderung kommt, in die Kamera zu schauen, und ja nicht zu lächeln! 

Audio vom Flughafen Austin, Texas: „Scherzen führt zur Verhaftung.“

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