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Bleib im Hotel, stell keine Fragen, verbreite Panik

 Es ist das Schicksal der Südsee, dass sie außerhalb Ozeaniens nur als putziges Postkartenklischee stattfindet. Ist Berlusconis Italien „ein Traum“ oder gar „Paradies“, nur weil es dort Strände gibt? Sieht man in Belgien nichts als Kinderschänder und in Holland überall Gouda?  Wenn ja, dann sollte man vielleicht nicht über Italien, Belgien oder Holland berichten. Auch wenn man Dozentin für Journalistik ist, so wie Dr. Pia Heinemann. Aber leider darf sie dort, wo sie sich am wenigsten auskennt, verbale Panik verbreiten. Armes Fidschi.

Was immer die Redakteurin der WELT nach Melanesien geführt hat, bleibt ein Rätsel. Umso schlimmer liest sich der Skandal. Druckerpresse anhalten: Fidschi ist kein Robinson Club. Heinemann bemerkte auf ihrer Stippvisite mit scharfem Reporterblick, dass die Schiffe im Hafen rosten. Unerhört! Dunkelhäutige Menschen starrten sie auf der Straße an. Beängstigend! Fazit: „Die Insel ist ein Traum. Ein Wimpernschlag, und sie wird zur Hölle.“ Die Hölle liest sich so: „Kein Vogel ruft, kein Frosch quakt“, aber „ein Raubvogel hustet wie ein Hund“. Nicht nur die Natur ist gespenstisch. Weil das Gefängnis in Suva von außen ziemlich abgewrackt wirkt, weiß Panik-Pia, ohne je einen Fuß hinein gesetzt zu haben: Es ist „Grauen erregend“. Grauen erregend ist, dass so etwas abgedruckt wird. Aber bei den kleinen, fernen Ländern kommt’s ja nicht so genau drauf an. Da geht auch krasser Unfug: „Manchmal schießen die Milizen einfach so.“ Fliegen Sie besser nicht nach Bangkok, Frau Heinemann. Dort checkt vielleicht jemand Ihre Behauptungen gegen.

Tatsache ist: Fidschi ist ein faszinierendes, entspanntes und umwerfend freundliches Land. Leider ist es seit dem letzten Putsch auch eine Militärdiktatur und deshalb aus dem Commonwealth geflogen. Ob solche Sanktionen sinnvoll sind, darüber kann man streiten. Die Presse wird zensiert, es hat Repressalien, Verhaftungen und Ausweisungen gegeben, die Verfassung ist abgeschafft. Darüber muss man berichten. Hat das ‚Amnesty Journal‘ zum Beispiel getan. Dafür muss man aber ein paar Fragen stellen, selbst als Frau von WELT. Doch Heinemanns Recherche geht so: „Stell keine Fragen. Nimm niemanden mit. Halte nirgendwo an. Keine Fotos. Bleib im Hotel. Geh nicht in die Stadt.“

Suva, wie so manche Hauptstadt außerhalb Europas, ist nachts durchaus gefährlich. Kriminelle gibt es auch dort, wo die „Zykaden knattern“ und „Mangroven trotzen“. Also sucht die rasende Reporterin, offensichtlich tropenblind, nonverbal nach Informationen: „Die Menschen starren auf die Straße. (…) Ich kann ihr Gesicht nicht lesen. Sie lesen meines nicht. Fahr einfach weiter, halt nicht an, steig nicht aus.“

Vielleicht macht sie das ja auch in anderen Ländern so, wo es mit der Pressefreiheit hapert: Immer schön im Mietwagen bleiben und unter verschärften Bedingungen (getönte Scheiben? Regen?) den Passanten ihr Grauen erregendes Schicksal und die permanente Bedrohung vom Gesicht ablesen. So geht das. Ängstlich hingespürt, geschluckt, verdaut, ausgeschieden. Und dabei wichtige Randnotizen aufgeschnappt: „Die Schlaglöcher werden größer.“

Was größer wird, ist die Armut in Fidschi, weil Touristen sich von solchen Zerrbildern verschrecken lassen und den Menschen dort Unrecht tun. Was größer wird, ist die Dummheit der Eurozentristen. Was noch kleiner in den Köpfen der Leser wird: Die Südsee.

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