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Die Politik der Erdbebenhilfe

Mindestens 1700 Menschen sind vergangene Woche beim Erdbeben in der westchinesischen Provinz Qinghai ums Leben gekommen. Die Hoffnungen, dass man jetzt in den Trümmern der Stadt Jiegu noch Überlebende finden könnte, schwinden rapide.

 Die Region um Jiegu ist überwiegend von Tibetern bewohnt – die Rettungs- und Bergungsarbeiten seitens des chinesischen Militärs und der Zentralregierung sind daher ein sensibles Thema. In der New York Times tauchten am Sonntag Vorwürfen auf, China würde den Einsatz seiner Soldaten zu Propagandazwecken mißbrauchen. Bei Bergungsarbeiten seien buddhistische Mönche von Soldaten zur Seite gedrängt worden, damit man die Uniformierten TV-wirksam filmen konnten, wie sie Überlebende aus den Trümmern ziehen. Mönche klagten, dass sie von Soldaten sogar abgehalten wurden, bei den Bergungsarbeiten zu helfen. In den chinesischen Medien sind sowieso vor allem PLA-Soldaten zu sehen. Die Rolle der Mönche kommt so gut wie nicht vor.

 Wie es tatsächlich vor Ort aussieht, ist schwer abzuschätzen. Vielleicht will man mit der Propaganda-Offensive auch nur der Kritik von 2008 zuvorkommen. Nach dem Erdbeben von Sichuan hatte es Vorwürfe gehagelt, die Rettungsarbeiten seien zu schleppend angelaufen und zu schlecht organisiert gewesen.

 

Diemal kam nicht nur Ministerpräsident Wen Jiabao. Sogar Präsident Hu Jintao brach seine Lateinamerika-Reise ab und besuchte am Sonntag das Katastrophengebiet. Vor allem ein Bild soll offenbar in Erinnerung bleiben: Wie Hu in einem provisorischen Zelt-Krankenhaus ein verletztes Mädchen umarmt.

 Auf der anderen Seite der Propaganda verheddern sich Tibet-Aktivisten im Begriffsdschungel. Man solle doch endlich aufhören, das Erdbebengebiet als „West-China“ oder „Qinghai“ zu bezeichnen, appelliert „Students for a Free Tibet“ an internationale Medien. Es handele sich in Wirklichkeit um Teile der einstigen tibetischen Provinz Kham. Ob das hilft?

 Bei aller berechtigten Kritik an China und seiner Tibet-Politik. Namensstreitigkeiten sind derzeit sicherlich das letzte, woran die Menschen in Jiegu denken. Für differenziertere Kommentare zur politischen Bedeutung der Erdbebenhilfe sei daher das Interview mit Tibet-Experte Robbie Barnett in  Le Monde empfohlen. Auch er sieht großes Konfliktpotential. Aber, sagt er, die Menschen in Jiegu hatten in den vergangenen Jahren relativ gute Beziehungen zu den chinesischen Behoerden. Jetzt kommt es darauf an, ob man beim Wiederaufbau auf die kulturellen Eigenheiten der Region eingehen wird.

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